1992 kommt es zum Playoff-Viertelfinal zwischen Lugano und dem ZSC. Die Gemeinsamkeiten sind aber gering. Nicht einmal die Namen sind die gleichen, denn der Zürcher SC trägt noch nicht den Zusatz «Lions».
Lugano ist schon Lugano, sogar das richtige «Grande Lugano» unter dem genialen Bandengeneral John Slettvoll. Vier Meistertitel und sechs Finalteilnahmen in den vergangenen sechs Jahren lautet die beeindruckende Bilanz der Tessiner, die als Qualifikationszweite klare Favoriten sind gegen die Zürcher, die erst drei Jahre zuvor wieder in die NLA aufgestiegen sind und erst zum zweiten Mal überhaupt in den Playoffs stehen.
Der «Zett» gilt als junges, wildes Team mit einem ebensolchen Trainer: An der Bande bestreitet ein gewisser Arno Del Curto, ein bis dahin weitestgehend unbekannter und erst 35-jähriger Engadiner, seine erste NLA-Saison.
Die Vorzeichen sind klar, erst recht weil der ZSC nur eine Woche vor Play-off-Start den Luganesi mit 3:11 unterliegt. Doch als es ernst gilt, überraschen die Zürcher und gewinnen die ersten beiden Spiele, stehen also – da noch Best of 5 gespielt wird – vor der grossen Sensation. Del Curto mahnt und sieht sich bestätigt, als Lugano mit einem glatten 10:0 im zweiten Heimspiel zurückschlägt.
Es kommt also zum legendären vierten Spiel. Lugano arbeitet mit Nachdruck an der Wende und führt zu Beginn des zweiten Drittels 3:1. Aussenseiter ZSC sieht die Felle davonschwimmen, insbesondere, da er wegen Verletzungspech nur noch mit vier Verteidigern und acht Stürmern agiert. Angestachelt vom frenetischen Anhang im komplett verrauchten Hallenstadion, wo offiziell 11'500 Zuschauer auf den Bänken und Treppenaufgängen standen und sassen – inoffiziell waren es 2000 bis 3000 Zuschauer mehr –, finden die Platzherren zurück in die Partie. Nach dem Tor von Marcel Wick, dem Vater des heutigen ZSC-Stürmers Roman Wick, schiesst Captain Jiri Faic drei Minuten vor Schluss das 3:3.
Die Verlängerung wird nötig, dann das Penaltyschiessen. Die Spannung in der Halle ist greifbar, doch die Spieler des Zürcher Schlittschuhklubs scheint das nicht zu beeinflussen. «Dass wir in der Overtime oder im Penaltyschiessen gewinnen würden, war mir klar», wird Center Christian Weber tags darauf in der NZZ zitiert.
Adrian Hotz und Sergej Prijachin treffen im Shootout für den ZSC, ehe Wladimir Krutow anläuft. Die alternde Hockey-Legende ist fünfmaliger Weltmeister und zweimaliger Olympia-Gold-Gewinner mit der Sowjetunion und Teil des KLM-Sturms mit Igor Larionow und Sergej Makarow, der bis heute von vielen als beste Linie der Geschichte angesehen wird.
Und so sah das dann aus, als dieser Krutow zum Penalty anlief:
Als direkt danach Alfie Turcotte für die Tessiner am glänzenden Torhüter Rolf Simmen scheitert, brechen im Hallenstadion alle Dämme. «Was nach dem vierten Spiel in der Halle los war, werde ich wohl niemals vergessen!», sagt Arno Del Curto gegenüber dem «Blick». Und der legendäre ZSC-Kommentator Walter Scheibli meint noch 20 Jahre später: «Die Stimmung im Stadion war nie mehr so gut.»
Während die Zürcher ihren Sieg zelebrieren, wird Luganos Trainer John Slettvoll angezählt. Der «Sport» schreibt von einer «Logik des Scheiterns» und davon, «dass Cheftrainer John Slettvoll mit Arroganz und Selbstüberschätzung den HC Lugano sportlich ins Leid gebracht hat.» Lugano kommt danach tatsächlich lange nicht mehr auf die Beine. Im Hallenstadion wird an diesem Abend eine Ära beendet. John Slettvoll muss fürs Erste gehen – und erst sieben Jahre später feiern die Tessiner ihren nächsten Meistertitel.
Der Triumph des Zürcher SC über Lugano geht als «Eishockeywunder» (NZZ) in die Geschichte ein. Er ist unvergessen, aber nicht wirklich nachhaltig. Im Halbfinal scheitert der «Zett» mit 0:3 am nachmaligen Meister, dem SC Bern.