Und dann ist plötzlich alles aus. Ein mitreissendes Fussballspiel ist zu Ende. Eines, das keinen Verlierer verdient hat – und in dem dieser auf tragische Art und Weise ermittelt wird. Es ist ein Eigentor, das in der Verlängerung den Traum von Deportivo Alavés beendet, den UEFA-Cup gewinnen zu können.
Deportivo Alavés? Alleine schon die Teilnahme am Uefa-Cup-Final ist eine Sensation. Der baskische Kleinklub erlebt die erfolgreichste Phase seiner Geschichte, als er 1998 in die Primera Division aufsteigt und die Saison im Jahr 2000 auf Rang 6 abschliesst. So gut ist Alavés vorher und nachher nie mehr.
Diesen Schwung nehmen die Spanier mit in die kommende Saison. Im UEFA-Cup räumen sie alles aus dem Weg, teils auf spektakuläre Weise. In der ersten Runde zieht Alavés den Kopf gerade noch aus der Schlinge, als es nach torlosem Hinspiel bei Gaziantepspor 1:2 zurückliegt und noch 4:3 siegt.
Es folgen torreiche Duelle mit norwegischen Klubs (5:3 gegen Lilleström und 4:2 gegen Rosenborg Trondheim), ehe im Achtelfinal Inter Mailand wartet. Die Italiener holen in Alavés ein 3:3, doch im San Siro scheitert der Favorit. Alavés feiert einen 2:0-Erfolg und zieht in die Viertelfinals. Dort wird Ligakonkurrent Rayo Vallecano eliminiert (3:0, 1:2), womit Alavés nur noch zwei Spiele vom Final in Dortmund entfernt ist.
In den Halbfinals liefern die «Albiazules» zwei Gala-Vorstellungen ab. Gleich mit 5:1 wird der 1. FC Kaiserslautern aus dem Estadio de Mendizorroza gefegt. Und im Rückspiel auf dem Betzenberg gibt es für die «Roten Teufel» ebenfalls nichts zu holen: Alavés siegt mit 4:1 und zieht mit dem Gesamtskore von 9:2 mit Pauken und Trompeten in den Final ein.
Und dann also das Endspiel. Gegen den FC Liverpool, der im Halbfinal Barcelona rausgekegelt hat und zuvor schon die AS Roma. Die Engländer sind der klare Favorit und dieser Rolle werden sie von Beginn auch gerecht.
Markus Babbel, von 2014 bis 2018 Trainer beim FC Luzern, köpft Liverpool schon nach vier Minuten in Führung. Und als der 20-jährige Steven Gerrard nach einer Viertelstunde auf 2:0 erhöht, scheint der Final früh entschieden zu sein.
Aber Alavés gibt nicht auf und kommt zum Anschlusstor durch Ivan Alonso. Auch auf das 1:3 (Gary McAllister mittels Penalty) finden die Spanier eine Antwort: Mit einem Doublette kurz nach der Pause gleicht Javi Moreno die Partie auf 3:3 aus.
Doch es fallen noch mehr Tore in einem Spiel, in dem Nati-Verteidiger Stéphane Henchoz nach 56 Minuten ersetzt wird. Für ihn kommt der tschechische Offensivspieler Vladimir Smicer. Und Trainer Gérard Houillers Mut zum Risiko wird belohnt. Robbie Fowler bringt Liverpool in der 73. Minute wieder in Führung.
Sollte es bei diesem 4:3 bleiben? Nein. Der prominenteste Name in Alavés' Elf hat etwas dagegen. Jordi Cruyff, der Sohn der holländischen Legende Johan Cruyff, gelingt in der 89. Minute der erneute Ausgleich. 4:4 – das Spiel geht in die Verlängerung.
Der Modus sieht damals vor, dass die Partie beim ersten Tor in der Verlängerung beendet ist: «Golden Goal» heisst die Regel. Und sie kommt im Dortmunder Westfalenstadion zur Anwendung.
Kurz bevor es ins Penaltyschiessen geht, fällt Liverpools Siegtreffer zum 5:4 – durch ein Eigentor. Delfi Geli heisst der Unglücksrabe, der eine Freistossflanke mit dem Kopf am eigenen Goalie vorbei abfälscht.
Liverpool-Captain Sami Hyypiä, während der wenig glorreichen Saison 2015/16 knapp neun Monate lang Trainer des FC Zürich, darf den Pokal in die Höhe stemmen. Der unheimliche Lauf von Deportivo Alavés ist gestoppt.
Die Finalteilnahme bleibt das einsame Highlight der Klubgeschichte. In der Saison nach diesem Triumph steigt Alavés ab und ist nur noch für eine Spielzeit (2005/06) zurück in der Primera Division. Danach geht es sogar bis in die dritte Liga hinunter.