Die WM 2002 in Japan und Südkorea ist ein positiver Ausrutscher – ansonsten schreibt Deutschland zu Beginn des neuen Jahrtausends ein düsteres Kapitel seiner Fussballgeschichte.
0:3 gegen Kroatien im WM-Viertelfinal 1998, sieglos Letzter an der EM 2000, sieglos Letzter an der EM 2004. Nur zwei Jahre vor der WM im eigenen Land hängt der Haussegen schief. Wie soll das nur herauskommen, wenn die Welt zu Gast bei Freunden ist?
Deutschland stolpert bereits durch die Qualifikation für die EM 2004. Tiefpunkt ist das 0:0 auf Island, nach dem Bundestrainer Rudi Völler die Schnauze voll hat und zu seiner legendären Wutrede bei «Weissbier-Waldi» Waldemar Hartmann ansetzt.
Das Turnier in Portugal wird dann nicht viel besser. Gegen Holland fehlen neun Minuten zum Sieg, das Spiel geht 1:1 aus. Wenigstens, so glauben es die Deutschen, folgt nun ein lockeres Spiel: Es geht gegen Lettland.
Die Balten, die sich in einer dramatischen Barrage gegen die Türkei für die EM qualifiziert haben, gehen im ersten Spiel als Verlierer vom Platz (1:2 gegen Tschechien). Niemand nimmt den blassen Aussenseiter ernst. Bloss Stürmer Maris Verpakovskis von Dynamo Kiew besitzt ein gewisses Renommee.
Aber die deutsche Nationalmannschaft enttäuscht in Porto masslos. Die Letten kämpfen aufopferungsvoll, mauern und holen so ein ehrenvolles 0:0. Trainer Aleksandrs Starkovs spricht von einem «historischen Unentschieden, weil es der erste Punktgewinn bei einer EM war. Ich bin glücklich, sehr stolz und freue mich für die Mannschaft, unsere zahlreichen Fans und unser Land.»
Enttäuscht ist dagegen Deutschlands Trainer Völler. «Die Mannschaft hat bis zuletzt an ihre Chance geglaubt, aber phasenweise zu umständlich gespielt.» Klartext spricht der 20-jährige Jungspund Philipp Lahm: «Wir haben nicht gut gespielt.»
Wenigstens hat die DFB-Auswahl weiterhin die Chance, sich aus eigener Kraft für die Viertelfinals zu qualifizieren. Denn weil die Tschechen die Holländer 3:2 geschlagen haben, ist Deutschland nach wie vor Gruppenzweiter. Und es darf gegen ein tschechisches Team antreten, bei dem die besten Spieler geschont werden.
Aber Deutschland verhaut's. Trotz der Führung durch Michael Ballack (21.) verliert der amtierende Vize-Weltmeister. Marek Heinz (30.) und Milan Baros (77.) stürzen Deutschland ins Tal der Tränen. «Deutschland spielt zwei Jahre vor der WM im eigenen Land nur noch eine Statistenrolle in Europa», bilanziert der «Spiegel», der von einer Blamage schreibt.
Rudi Völler tritt nach der verpatzten Europameisterschaft zurück. Auf ihn folgt mit Jürgen Klinsmann ein anderer Stürmer, der 1990 in Italien Weltmeister wurde. Die Wahl stösst auf grosse Kritik, denn «Klinsi» war zuvor noch nirgends als Trainer tätig. Doch der in den USA lebende Schwabe hat ein Konzept, er will den veralteten DFB umkrempeln. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen.
Der Verband geht mit seiner Wahl ein Risiko ein, doch es zahlt sich aus. Jürgen Klinsmann führt Deutschland an der Heim-WM zur Überraschung aller auf Rang 3. Dieses Sommermärchen gilt auch als Grundstein für den WM-Titel 2014. Denn Klinsmann lässt keinen «hässlichen deutschen» Fussball spielen, er setzt auf Offensive. Nach der WM 2006 übergibt der Bundestrainer die Mannschaft dennoch seinem Co-Trainer: Jogi Löw setzt die Arbeit erfolgreich fort und macht aus Deutschland nach Jahren in der Krise wieder ein Spitzenteam und einen Weltmeister.