Nati-Coach Enzo Trossero muss beim WM-Qualifikationsspiel gegen Luxemburg auf dem Hardturm tief in die Trickkiste greifen. Wegen «ungebührlichen Benehmens gegenüber dem Schiedsrichter» vier Tage zuvor beim 1:1 gegen Jugoslawien, hat die Fifa den Argentinier zu einer Denkpause auf der Tribüne verdonnert.
Weil das Reglement noch Schlupflöcher hat, muss Hitzkopf Trossero während des Spiels trotzdem nicht auf seinen Einfluss verzichten. Via Funkgerät steuert er vom Block B, Sitzreihe 7, Platz 21 seinen Assistenten Daniel Romeo fern.
Ohnehin ist der Gegner der Schweiz nicht gerade furchteinflössend. Luxemburg, mit Libero Jeff Saibene, hat die letzten 21 Pflichtspiele verloren und dabei 57 Tore kassiert.
Schon in der 9. Minute sorgt einer für die standesgemässe Schweizer Führung, der zuvor nur in den Kader rutschte, weil die Rekordtorschützen-Diva Kubilay Türkyilmaz keine Lust mehr auf die Nati hatte. Bühne frei für den designierten Nachfolger Alex Frei!
Der 21-jährige ist für Hakan Yakin in die Startelf gerutscht. Vor seinem Debüt von Beginn weg hatte er noch gewitzelt: «An der WM 1994 habe ich Panini-Bildchen von Chapuisat ins Album geklebt. Jetzt spiele ich mit ihm zusammen. Eigentlich müsste ich danach aufhören.»
Auf dem Rasen liefert das Duo gemeinsam eine grandiose Show. Grünschnabel Frei bucht nach einem Pass von Johann Vogel von der Strafraumgrenze das erste seiner 42 Tore für die Schweiz. Insgesamt 41 Minuten, 32 davon gegen Jugoslawien, hat der spätere Rekordtorschütze für dieses Kunststück im Nationaltrikot gebraucht.
Frei hat Blut geleckt. Schon 23 Minuten später gelingt ihm nach einem Weltklasse-Dribbling von Stéphane Chapuisat das 2:0. «Chappi» selbst schreibt sich neben Johann Lonfat ebenfalls in die Torschützenliste ein. Und Alex Frei gestaltet seinen zweiten Länderspiel-Auftritt kurz vor dem Schlusspfiff mit dem 5:0 endgültig perfekt.
Die Journalisten prügeln sich nach dem Spiel fast um ein Interview mit dem neuen Nati-Star. Auch Trainer Enzo Trossero, der sich bei den diversen Torjubeln am Funkgerät nach argentinischer Tradition fast die Lunge aus dem Leib geschrien hat, spart nicht mit Lob für seinen neuen Skorer: «Ich war schon lange von seinem Talent überzeugt. Alex ist für mich ein Goleador – ein echter Torjäger! Er hat alle Anlagen, um einmal ein ganz Grosser zu werden. Aber man muss dem Jungen jetzt noch Zeit und Ruhe lassen.»
Insgeheim dürfte sich Alex Frei diebisch über die Glückwünsche von Andy Egli gefreut haben. Der Co-Kommentator des Schweizer Fernsehens gratulierte ihm im TV-Studio zu seiner Leistung. Ausgerechnet Egli, der Frei beim FC Luzern aufgebaut und dann wegen angeblich mangelnder Professionalität fallen gelassen hatte. Nur zwei Monate zuvor war Frei wegen der Auseinandersetzung im Tausch mit Alexandre Rey von Luzern zu Servette geflüchtet.
Frei lässt die Chance zum Revanche-Foul verstreichen und bleibt für einmal ganz bescheiden: «Ich möchte nicht, dass ich jetzt so hervorgehoben werde. Die ganze Mannschaft hat doch toll gespielt.» Trotzdem ist die Zeit nun endgültig vorbei, als Frei sich bei der Frage nach seinem Beruf als Banker, Schreiner oder Versicherungskaufmann ausgeben konnte, wie er es früher oft getan hatte.
Trotz der Euphorie an diesem Abend scheitert die Nati noch auf dem Weg an die WM 2002. Alex Frei entscheidet zwar auch das nächste Spiel gegen Färöer mit dem goldenen 1:0 für die Schweiz – die abschliessende Niederlage gegen Slowenien kostet dann aber das Ticket nach Japan und Südkorea. Funkmeister Enzo Trossero muss für Köbi Kuhn Platz machen.