Michael Jordan entschliesst sich in den Ferien auf den Bahamas, seine eindrückliche Karriere zu beenden. Die 35-Jährige Basketball-Legende hat sich im Sommer nicht fit gehalten und selten trainiert. Der Ausnahmeathlet hat auch keine Lust mehr, die verkürzte Saison mit nur noch 52 Spielen in Angriff zu nehmen. Ein monatelanger Streit um die Erhöhung der Spielergehälter zwischen den Klubbesitzern und der Spielergewerkschaft hat den Fans den Auftakt in die NBA verdorben.
Der Besitzer der Chicago Bulls hat zuvor vergeblich versucht, ihn noch umzustimmen. Von nun an muss das 2-Milliarden-Dollar-Unternehmen ohne ihr Aushängeschild auskommen. Das Wirtschafts-Magazin «Forbes» schätzt den Wert des «Jordan-Effekts» auf die gesamte amerikanische Wirtschaft seit seinem Auftauchen in der NBA sogar auf rund zehn Milliarden Dollar. Seine Teamkollegen hat Jordan schon zwei Tage vorher über seinen Entscheid in Kenntnis gesetzt. Die Meldung seines Rücktritts lässt die Aktie seines Hauptsponsors Nike um 5,5 Prozent absacken.
Der Sportartikel-Gigant ist seit Jordans Profidebüt 1984 sein offizieller Ausrüster, obwohl der 1,98 Meter grosse Guard schon als kleiner Junge Fan von Adidas war: «Ich wollte den Vertrag mit Nike nicht, weil ich deren Schuhe nicht mochte.» Die deutsche Firma reagiert jedoch nicht auf die Liebesbekundungen und Nike kann mit Jordan kräftig Kasse machen.
Bereits im Herbst 1993 gibt die berühmte Nummer 23 schon einmal den Rücktritt, nachdem sein Vater von zwei Jugendlichen ermordet wurde. Danach wechselt er zum Baseball, um dem Wunsch seines Vaters und seines Sohnes nachzukommen. Der Ausflug in die fremde Sportart ist jedoch wenig erfolgreich. So gibt «MJ» im Frühling 1995 mit den berühmten Worten «I'm back» sein Comeback bei den Bulls. Dort dreht er nach anfänglichen Problemen gross auf und gewinnt gleich dreimal in Folge die Meisterschaft. Das gleiche Kunststück war Jordan bereits zwischen 1991 und 1993 gelungen – mit dem «Repeat Three-Peat» verewigt er sich in der NBA-Historie.
Im schicken schwarzen Anzug neben seiner Frau Juanita richtet Jordan sich an die versammelte Medienschar: «Ich bin hier, um meinen Rücktritt vom Basketball zu erklären. In mentaler Hinsicht bin ich müde, ich habe nicht mehr das Gefühl, eine Herausforderung zu haben.»
Mit seiner sonoren Stimme ergänzt er gemäss dem «Tages-Anzeiger», er werde mit 99 Prozent Sicherheit nicht mehr zurückkehren – auch im Baseball nicht. Und führt an der Pressekonferenz, die ausschnittsweise live auf CNN weltweit gesendet wird, auf Nachfrage eines Journalisten aus, wieso er nicht 100 Prozent sicher sei: «Weil dieses Prozent mir gehört und nicht ihnen.»
Der Rücktritt lässt die Fans trauern. Eine Radiostation lässt darob schwermütigen Tschaikowsky über den Äther laufen, ein Jordan-Fanclub will eine Begräbnisanzeige in der «Los Angeles Times» schalten und im «Michael-Jordan-Restaurant» weinen die Gäste bittere Tränen.
Seine Herausforderung sei es stets gewesen, alles aus sich herauszuholen, um der beste Basketballspieler zu sein. Und das bei jedem Spiel. Und dazu brauche es jeden Tag die ganze Motivation. Er habe sich gesagt, er werde nicht mehr spielen, wenn auch nur ein kleiner Teil dieser Motivation abhanden gekommen sei. «Ich spüre inneren Frieden, weil ich aufgehört habe, so wie ich es mir vorgestellt habe, auf dem Höhepunkt meiner Karriere.»
Jordans Karriere, in welcher er zuletzt 33 Millionen Jahresgehalt kassierte, kann sich tatsächlich sehen lassen, bedenkt man dass er einst beim High-School-Team Emsley A. Laney wegen angeblich mangelnden Potentials ausgemustert worden war. Auch im College von North Carolina legte ihm ein Lehrkraft nahe, doch Mathematik zu studieren. Der Direktor favorisierte schliesslich einen Job bei der Air Force.
Er hat die Chicago Bulls durch seine Erfolge zu einem florierenden Unternehmen gemacht. In den 13 Saisons mit Jordan verdoppelte sich die Zuschauerzahl, der Wert des Teams explodierte von 28 Millionen auf über 200 Millionen Dollar und eine weltweite Studie belegt, dass 90 Prozent aller Kinder das Logo der Chicago Bulls erkennen.
Geldsorgen braucht sich «His Airness» auch nicht zu machen. Auf eine halbe Milliarde wird sein Vermögen geschätzt. Auch wenn die Spielernatur im Casino und im Wettspiel wohl einiges verzockt haben dürfte, genug übrig ist noch allemal. Einer ungewissen Zukunft steuert hingegen der Klub entgegen. Neben Jordan verlassen mit Scottie Pippen, Dennis Rodman, Steve Kerr langjährige Teamstützen den Verein. Die Bulls werden nie mehr der beste Klub der Welt sein. Dafür haben sie ihrem besten Spieler eine Statue vor dem Stadion mit folgender Inschrift gewidmet: «Er ist der beste aller Zeiten, und er bleibt der beste aller Zeiten.»
Der beste aller Zeiten wird später erneut auf seinen Entscheid zurückkommen und in der Saison 2001/2002 ein weiteres mal in die NBA zurückkehren, diesmal bei den Washington Wizards. Im Alter von 40 Jahren gibt Jordan dann seinen endgültigen Rücktritt bekannt.