Okay, das nimmt jetzt dem Artikel grad etwas die Würze, aber die Wahrheit ist alleine schon gut genug, darum sagen wir's offen: Der öffentliche Verkehr in Lusaka ist zwar für Europäer ungewohnt und chaotisch, aber im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern geht es sehr gesittet zu. Selbst die Minibusse fahren Haltestellen an und stoppen nicht einfach irgendwo, die Hupe wird praktisch nie benutzt, keine Teile werden (sichtbar) mit Klebeband oder ähnlichem zusammengehalten und keiner der Fahrer hat das Gefühl, er hätte es als Formel-1-Fahrer weit gebracht. Oder dann zeigen sie dies nicht öffentlich.
Wir wohnen hier bei normalem Verkehrsaufkommen etwa 15 Minuten von der Universität entfernt. Zumindest mit dem Taxi. Um Sambia «näher» zu erleben, versuchen wir uns aber im Alltag so wie die Einwohner zu bewegen. Das bedeutet: Wir verlassen das Haus zu Fuss, erreichen nach gut 100 Metern eine Teerstrasse, biegen nach rechts ab und laufen der Strasse bis zur nächsten Kreuzung entlang. Überholt uns auf diesem knappen Kilometer kein Bus, steigen wir spätestens bei jener Haltestelle an der Kreuzung in das nächste ÖV-Gefährt ein.
Wo die Busse genau durchfahren und wie wir diese Strecken herausfinden könnten, wissen wir nicht. Daher dauerte es bis zur sechsten Fahrt, bis wir die eigentlich immer gleiche Strecke auch wirklich ein zweites Mal genau gleich zurücklegten.
Am ersten Tag starten wir drei Stunden vor Lektionsbeginn. Es könne Stau haben, dann dauere die Fahrt ewig. Und eigentlich wissen wir auch gar nicht genau, wie die Busse uns zur Universität bringen. Wir wissen einzig: Es ist möglich. Kaum zotteln wir der Teerstrasse entlang, hält ein ziemlich grosser, leerer Bus. Wir steigen ein, zahlen je fünf Kwacha (ca. 80 Rappen) und fahren los.
Bald sitzt ein Highschool-Schüler neben mir. Wir kommen ins Gespräch, ich sage, dass wir an der Universität unterrichten, er, dass er diese Uni gerne mal von innen sehen würde. Ohne zu überlegen und halb im Spass biete ich an: «Dann komm mal vorbei.» Daraufhin will er meine Handynummer. Am Abend werden mir sechs Anrufe in Abwesenheit von ihm angezeigt. Die Fahrt verläuft übrigens problemlos. Es hat zwar Stau, aber wir sind auf dem direktesten Weg innert knapp 45 Minuten am Ziel. Allerdings müssen wir einige Meter zurück zur Universität gehen. Denn die Busse halten nur an Haltestellen, nicht wie anderswo auf Wunsch der Fahrgäste überall und jederzeit.
Auf dem Rückweg begeben wir uns zur Haltestelle. Auch auf wiederholtes Nachfragen, versichert uns ein Fahrpreis-Eintreiber, dass er beim grossen Shoppingcenter in der Nähe unseres Apartments halten werde. Wir steigen ein. Der Bus biegt dann allerdings bald falsch ab.
Etwas verunsichert erläutere ich dem Fahrpreis-Eintreiber erneut wohin wir wollen. Er schaut mich mit grossen Augen an und fragt in die Runde ob jemand unser Shoppingcenter kenne. Als ihm erklärt wird, wo das ist, meint er: «Ah, da wollt ihr hin? Ihr müsst umsteigen, aber hey: No problem!». Dazu wedelt er mit den Geldscheinen, die er in der Hand hält. Er werde die Fahrt dahin bezahlen.
Tatsächlich steigen wir an der letzten Haltestelle aus, er führt uns zu einem anderen Bus, sagt dem Fahrer wohin wir wollen, bezahlt den Fahrpreis und wir erreichen unser Ziel im zweiten Bus problemlos. Als wir am nächsten Tag die Studenten fragen, wie sie jeweils den richtigen Bus erwischen, meinen sie: «Ach, die sagen auch uns immer, dass sie genau an unsere Haltestelle fahren. Manchmal stimmt's, manchmal nicht.»
Am nächsten Tag sitze ich erst ganz hinten im Bus. Als ich das Geld für uns zwei hervorkrame, sehe ich, wie die zwei Girls neben mir für sich «nur» je 4 Kwacha nach vorne reichen. Auch sonst haben wir schon beobachtet, dass die Fahrpreise zwischen 2 und 5 Kwacha variieren.
Ich denke mir: Okay, ich bezahl jetzt auch mal nur je 4 und schaue, was passiert. Die wollten uns doch mit den 5 Kwacha gestern nur abzocken. Wo liegt wohl die Touri-Preis-Schmerzgrenze? Tatsächlich steckt der Fahrgeld-Eintreiber das Geld ohne weitere Reaktion ein.
Die Fahrt verläuft ansonsten erneut mühelos, auch wenn es durch ein anderes Quartier geht, als noch gestern und wir auf Schotterstrassen durchgerüttelt werden.
Auf dem Heimweg müssen wir erstmals einen Minibus nehmen, da kein normaler Bus in Sichtweite ist. Auch diese stoppen nur an offiziellen Haltestellen. Der Fahrpreis-Eintreiber ruft jeweils den nächsten Stopp in die Runde, meldet sich jemand zum Aussteigen, schnippt er mit dem Finger an die Decke und der Fahrer weiss, dass er anhalten muss.
Wieder biegen wir irgendwo «falsch» ab und wir stellen uns schon auf ein nächstes Umsteigen ein. Auf Nachfrage meint der Fahrgeld-Eintreiber allerdings gelassen: «You are in safe hands!», gut aufgehoben seien wir bei ihm. Tatsächlich erreicht er nach einigen Fahrschleifen durch Quartiere das Shoppingcenter. Bezahlt haben wir wieder 10 Kwacha.
Am dritten Tag quetschen wir uns erneut in einen Minibus. Es scheint, als ob unsere Haltestelle beim Shoppingcenter eine der ersten ist. Denn meist wird gewartet, bis der Bus einigermassen voll ist. Dann geht es los und mit einem gemurmelten «Okay, brothers and sisters», will der Fahrpreis-Eintreiber sagen, dass wir ihm jetzt das Geld reichen sollten. Ich gebe 10 Kwacha. Überraschenderweise erhalte ich einen Kwacha Rückgeld. Keine Ahnung warum. Ein Student klärt später auf: «Die Preise sind nicht fix. Eigentlich sind sie 5. Aber wenn du ihm nur vier gibst und sagst ‹mehr hab ich nicht›, dann kann es auch mal vier sein. Teilweise auch drei, manchmal zwei Kwacha. Ja, wenn du ihm glaubwürdig erklären kannst, dass du wirklich kein Geld hast, kannst du vielleicht auch mal gratis mit. »
Da der Stau heute wieder dichter ist, entscheidet sich unser Fahrer statt auf der Hauptstrasse einen der parallelen Wege zu nehmen. Es funktioniert wunderbar.
Auf der sechsten Fahrt wird es so eng wie nie zuvor. Wir teilen uns den Sitz auf dem Klappstuhl praktisch zu zweit. Steigt irgendwo jemand aus, leert sich der halbe Bus und danach werden Tetris-mässig die Plätze wieder besetzt. Ziel ist immer ein Plätzchen weit vorne und möglichst am Rand, damit man nicht jedes Mal wieder aus- und einsteigen muss. Nach drei Vierteln der Strecke haben wir uns solche Plätze ergattert.
Es ist jedes Mal interessant, zu sehen, wie viele Leute eigentlich in so einem Toyota Hiace Platz haben. Erstaunt stellen wir zudem fest, dass wir bei der sechsten Fahrt erstmals genau den gleichen Weg gefahren sind, wie wir dies schon einmal taten. Ein bisschen stolz fühlen wir uns fast wie Einheimische, als wir zu Fuss die letzten 100 Meter auf der Schotterstrasse zu unserem Apartment zurückschlendern.