«So wird die Schweiz keine führende Drohnen-Nation»
Herr Pachikov, wo gefällt es Ihnen besser? Im Silicon Valley oder im Reppischtal?
Alex Pachikov: Ich bin an beiden Orten gerne, wir kamen vom Silicon Valley ins Reppischtal. In Birmensdorf haben wir angefangen, unsere Security-Drohnen zu entwickeln und zu testen, vom Silicon Valley haben wir die Mentalität und das Risikokapital. Dort verkaufen wir auch den Grossteil unserer Systeme.
Nicht in Europa und in der Schweiz?
Nein, leider nicht. Wir würden hier gerne mehr verkaufen, aber die Hürden sind hoch. So wird die Schweiz keine führende Drohnen-Nation.
Aber der Schweizer ETH-Professor Roland Siegwart bezeichnet Zürich als «Silicon Valley der Robotik»?
Das wäre toll, wenn das so wäre …
… der Rüstungs-Chef der Schweizer Armee propagiert hinsichtlich künftiger Bedrohungen seine Vision einer Schweiz als «Drone Country».
Ja, ich kenne den Ansatz. Und die Voraussetzungen dazu wären da. Aber im Moment ist die Vision «Drone Country Switzerland» noch weit weg von der Realität.
Warum?
Als wir vor knapp zehn Jahren in einem Doppeleinfamilienhaus mit Köbi Kuhn als Nachbar unsere Sunflower Labs starteten und die ersten Drohnen entwickelten, herrschten in Europa und der Schweiz mit seinen Hochschulen grosse Awareness für Drohnenentwicklung und auch ihre Regulierung. 2018 nahmen die regulatorischen Rahmenbedingungen in der Schweiz Form an, die EU hat die Absicht erklärt, harmonisierte Regeln für den Luftraum zu gestalten, die Schweiz wollte da nachziehen.
Aber dann?
Dann ist aus der Absicht nichts geworden, die Harmonisierung hat nie stattgefunden und wir müssen im Jahr 2025 noch immer in jedem europäischen Land separat um Bewilligungen für unsere Drohnen-Alarmanlagen ersuchen. Es ist immer noch ein länderspezifischer Flickenteppich. Die zuständigen Stellen wissen teils auch gar nicht, welche Verordnungen sie überhaupt anwenden können.
Eben ist mit Sequoia der renommierteste Risikokapital-Fund im Valley bei Ihnen eingestiegen, Sie haben den Durchbruch geschafft, sind aber frustriert.
Frustriert würde ich nicht sagen. Wir sind nicht frustriert, eher mittlerweile ein wenig abgestumpft durch all die regulatorischen Steine, die einem in den Weg gelegt werden. Zertifizierung, Ausländergesetz, Export-Regeln, Audits und Datenschutz und so weiter, das sind alles mentale Steuern, die von der Innovation ablenken. Für Start-ups ist die Bürokratie der Todesstern, den es zu überleben gilt.
Ausländergesetze? Sie sind Amerikaner und arbeiten ja problemlos hier?
Mittlerweile schon. Ich bin auch mit einer Schweizerin verheiratet und werde nicht rausgeworfen. Aber eine Schweizer Arbeitsbewilligung als CEO der von mir selbst gegründeten Firma habe ich nicht ohne weiteres erhalten!
Bitte?
Ja, Stichwort Inländer-Vorrang. Meine Schweizer Partner mussten darlegen, dass dieser Amerikaner der Beste ist für den Job. Ich musste einen Lebenslauf vorlegen, hatte aber keinen. Ich habe extra für das Migrationsamt einen kreiert (lacht).
Und was ist beim Datenschutz das Problem?
Unsere Drohnen sind fliegende Sicherheitskameras, die sind also auch in Sachen Datenschutz reguliert. Und weil sie fliegen, sind sie noch viel strikter reguliert als herkömmliche Sicherheitskameras, die stationär montiert sind.
Warum?
Unsere Drohnen fliegen rund um die zu bewachenden Objekte. Wir müssen deswegen beträchtlichen Aufwand betreiben, um alle Aufnahmen ausserhalb der zu bewachenden Grundstücke in Echtzeit zu blurren. Sonst ist unsere Technologie nicht datenschutzkonform.
Tönt nachvollziehbar.
Ja, im ersten Moment schon. Aber es ist einigermassen absurd in Anbetracht der Tatsache, dass wir von aussen auf ein Grundstück oder Objekt filmen, das uns, respektive unseren Kunden gehört. Im Gegensatz zu rund 50’000 Sicherheitskameras die in der Schweiz von den zu überwachenden Objekten nach aussen in den öffentlichen Raum filmen und bei denen der Hinweis auf die Videoüberwachung offensichtlich ausreicht.
Womit wir wieder beim Silicon Valley wären…
…tja, das ist es, was das Valley ausmacht: Der Regelbruch, die Disruption sind nicht nur salonfähig, junge Unternehmer werden vielmehr dazu ermutigt, mit innovativen Geschäftsmodellen den Status Quo zu überwinden, dazu Gesetze zu ritzen oder auch zu brechen. Denken Sie an Uber und Airbnb, die das Taxi- und Hotelgewerbe umgewälzt haben. Diesen Geist, diese Mentalität kann man nicht einfach proklamieren.
Also definitiv kein «Silicon Valley of Drones» in der Schweiz?
Nein, die Schweiz ist nicht das «Silicon Valley of Drones», die Schweiz ist das «Switzerland of Drones» und dieses Selbstbewusstsein sollte sie haben. Sie ist einer der Orte, in denen Drohnen, Robotik und andere Dinge zuverlässig und in hoher Qualität hergestellt werden, in die Kunden weltweit Vertrauen haben. Das ist auch einer der Gründe, weswegen wir hier in der Schweiz produzieren.
Ausschliesslich?
Bis jetzt ja, aber wenn wir nun in Serienproduktion gehen, werden wir wohl näher an die grossen Märkte gehen, insbesondere die USA, schon nur wegen der Transportkosten und Zölle.
Droht die Schweiz den Postabgang in der militärischen Robotik- und Drohnen-Innovation nicht zu verpassen?
Ich glaube, Schweizer Ingenieure und Firmen können da einen grossen Beitrag liefern, aber die Musik spielt in diesem Bereich woanders.
Wo?
In den USA, in China und natürlich in der Ukraine. Drei Dinge treiben Innovation: Eine unmittelbare Dringlichkeit, eine existentielle Bedrohung und der Trieb, kreative Lösungen zum physischen oder wirtschaftlichen Überleben zu finden. Alles ist in der Ukraine derzeit gegeben, weswegen europäische und amerikanische Drohnen-Firmen in der Ukraine testen. Datenschutz und Luftraum-Regulation kümmern in einer solchen Umgebung niemanden.
Und wieso in den USA und in China?
Drohnen und Roboter sind schon jetzt ein nicht zu vernachlässigender Teil der Kriegsführung, was noch zunehmen wird. Die Supermächte sind da in einem Wettlauf, nicht nur in Bezug auf Rüstung, sondern auch in Bezug auf die Hegemonie in Sachen BigTech und AI.
Und wo spielt die Musik, wie Sie es ausdrücken, im zivilen Bereich der Drohnenrobotik?
In China, in den USA und auch in Afrika. Und es kann sehr schnell gehen. Noch vor eineinhalb Jahren hat die Firma Zipline niemand ernst genommen. Die haben in Ghana und Ruanda mit Drohnen Blutkonserven, Impfungen und anderen Medizinalbedarf geliefert. Die Wege sind weit, die Leute sterben rasch und es gibt nicht überall Landebahnen. Ein lohnendes Geschäft war das wohl kaum. Aber mittlerweile haben die 1,6 Millionen Lieferungen gemacht und sich auch in den USA durchgesetzt.
Warum? Hatte Amazon da nicht die Nase vorn?
Zu Beginn. Aber Amazon konnte seine Systeme nicht mit so viel Freiheit unter so hohem Druck testen und perfektionieren wie Zipline. Die haben vor ein paar Monaten in den USA noch mit ein paar Hundert Drohnen Pakete ausgeliefert. Jetzt bauen sie 20’000 Transport-Drohnen und verdoppeln das Volumen alle zwei Monate.
Bei uns auch denkbar? Ein Himmel voller Pizza-Kurier-Drohnen?
(lacht). Nicht allzu bald, fürchte ich. Hier stürzt ein Liefer-Roboter in Oerlikon vom Trottoir, dann werden solche Experimente rasch wieder eingestellt. Das ist schade, denn eigentlich hat die Schweiz alle Vorraussetzungen, um im weltweiten Robotik-Rennen Schritt zu halten.
Aber?
Aber das wird nur klappen, wenn Politik und Wirtschaft das Drohnen- und Robotikwesen zur strategisch wichtigen Industrie erklären und Innovation und Produktion den nötigen Freiraum verschaffen.
