Die Schweiz wird wegen Racial Profiling in Strassburg verklagt – erneut
Ein mutmassliches Opfer von Racial Profiling zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg. Wilson A. aus Nigeria soll im Jahr 2009 in Zürich von Stadtpolizisten angegriffen worden sein, weil er sich gegen eine Kontrolle wehrte.
Der mittlerweile 52-Jährige wolle «künftige Fälle von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt verhindern», teilte er am Dienstag mit. Die Schweizer Justiz wolle den eigenen institutionellen Rassismus offenbar nicht angehen.
Auslöser war ein Vorfall im Oktober 2009, als Wilson A. mit einem ebenfalls dunkelhäutigen Freund im Tram auf dem Heimweg von einer Party war. Ein Polizist und eine Polizistin verlangten ihre Ausweise, nach Aussagen von Wilson A. einzig wegen ihrer Hautfarbe.
Gemäss Polizei unkooperativ und aggressiv
Die beiden Polizisten stiegen mit den Männern an der nächsten Haltestelle aus, wo bereits ein dritter Polizist wartete. Ab diesem Zeitpunkt gehen die Darstellungen weit auseinander.
Die Polizisten hätten sich grundlos auf ihn gestürzt, ihn mit Pfefferspray und Schlägen eingedeckt, so Wilson A. Schliesslich sei er auch noch gewürgt worden. Gemäss den Polizisten wiederum habe sich Wilson A. von Anfang an unkooperativ und aggressiv verhalten und sie angegriffen. Sie hätten sich deshalb wehren müssen und ihn zu Boden gebracht und festgenommen.
Die Polizisten wurden angeklagt, aber alle rechtskräftig freigesprochen. Das Bundesgericht sprach im Oktober auch den Polizisten frei, der ausserhalb des Trams auf seine Kollegen wartete und für den Einsatz verantwortlich war. In seinem Urteil rügte das Bundesgericht zwar die lange Verfahrensdauer, blieb inhaltlich jedoch bei einem Freispruch.
Racial Profiling: Situation in der Schweiz
Nicht der erste Fall in Strassburg
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Personenkontrolle der Zürcher Stadtpolizei ein Fall für den EGMR wird. Bereits im Jahr 2024 hatte der Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz wegen Diskriminierung verurteilt. Es hiess die Beschwerde von Mohamed Wa Baile gut, der 2015 im Zürcher Hauptbahnhof kontrolliert werden sollte.
Der Schweizer mit kenianischen Wurzeln, der damals als ETH-Bibliothekar arbeitete, weigerte sich, seinen Ausweis zu zeigen oder seine Personalien anzugeben. Diese Kontrolle sowie die daraufhin folgenden Gerichtsverfahren verstiessen gemäss EGMR gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf wirksame Beschwerde.
Bei der Stadtpolizei hatte der Fall um Mohamed Wa Baile bereits vor dem Urteil aus Strassburg Konsequenzen: Im Jahr 2017 setzte die Polizei verschiedene Massnahmen um, die eine Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe verhindern sollen. So wurden beispielsweise die Gründe, die eine Kontrolle rechtfertigen, klar definiert. (dab/sda)
