Die kälteste Jahreszeit hat ihrem Namen keine Ehre gemacht: Der eigentlich noch laufende Winter wird voraussichtlich der drittwärmste seit mindestens 150 Jahren. Obwohl der meteorologische Winter erst in gut einer Woche am 28. Februar enden wird, ist sich Meteoschweiz ziemlich sicher: Nur 2006/2007 und 1989/1990 war es noch wärmer als in diesem Winter.
In Chur und Bad Ragaz SG war es dank des Föhns sogar der wärmste Winter, wie Meteoschweiz-Klimatologe Stephan Bader am Donnerstag sagte. Die Abweichung zur Durchschnittstemperatur 1981-2010 über die ganze Schweiz gesehen beträgt gemäss MeteoSchweiz wohl zwischen 1.7 und 1.9 Grad.
Charakteristisch für diesen Winter war eine langanhaltende Südost- und Südlage ab Januar, die für Föhn und damit hohe Temperaturen in den Alpentälern sorgte. Im Dezember schien die Sonne zudem ausserordentlich häufig – viele Orte im Mittelland verzeichneten einen Sonnenscheinrekord.
Vielerorts im Flachland fiel seit Winterbeginn am 1. Dezember fast kein Schnee, beispielsweise in Genf und Neuenburg. Nur am 29. Januar gab es in Genf ein paar Schneeflocken, der Schnee schmolz aber rasch. Auch Tage mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gab es selten – in Basel verzeichneten die Wetterstationen keinen einzigen Eistag, wenn das Thermometer tagsüber immer unter 0 Grad bleibt. Dies kam seit Beginn der Aufzeichnungen 1864 noch nie vor.
Der Winter war nicht nur warm, sondern auf der Alpensüdseite auch sehr nass: In Lugano fiel beispielsweise noch nie soviel Regen und Schnee in einem Winter wie heuer. Die Meteorologen verzeichneten bislang 635 Millimeter Niederschlag seit Winterbeginn – der langjährige Durchschnitt in Lugano beträgt 194 Millimeter. Im Oberengadin war der Winter schneereich, in Samedan GR war die Schneedecke nur 1950/51 dicker.
Obwohl der Winter im März offiziell vorbei ist, dürfen Schnee- und Winterliebhaber weiterhin hoffen: Besonders in der ersten Märzhälfte gibt es in Schweizer Wintern oft Schnee – im Jahr 2006 zum Beispiel verzeichnete laut Klimatologe Bader die Schweiz ziemlich viel von der weissen Pracht, obwohl der Winter zuvor recht mild gewesen war.
Wegen der warmen Temperaturen erwachen die Zecken früher als üblich aus der Winterstarre. Wer in schneefreien Gebieten unterwegs ist, kann deshalb bereits jetzt auf Zecken treffen, schreibt die «Neue Luzerner Zeitung». Denn: Ab sieben Grad Celsius sind die Zecken auch im Winter aktiv.
Das Risiko sei zwar wesentlich kleiner als im Sommer, dennoch seien die Tiere aktiv auf Wirtssuche, zitiert das Blatt einen Experten. Eine Zeckenepidemie sei jedoch nicht zu erwarten.
(dwi/sda)