Um Bill Gates ranken sich derzeit die wildesten Verschwörungstheorien. Er wolle die Coronakrise dazu missbrauchen, alle Menschen dieser Welt zu impfen, ihnen einen Mikrochip einpflanzen, um sie zu kontrollieren, und Frauen zwangssterilisieren. Letztlich strebe der zweitreichste Mann der Welt nicht weniger an als die Weltherrschaft.
Was aber will Bill Gates wirklich? Der heute 64-jährige Gründer von Microsoft verfügt über ein Vermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar. Er hat sich dazu verpflichtet, den grössten Teil davon für wohltätige Zwecke zu verwenden. Zusammen mit seiner Frau hat er daher die Bill & Melinda Gates Foundation mit Sitz in Seattle gegründet.
Gates hat sich vom Microsoft-Tagesgeschäft verabschiedet und widmet sich vollumfänglich seiner Stiftung. Impfen spielt dabei eine zentrale Rolle (nebst WCs für die Ärmsten und Kleinst-Atomkraftwerken). Fast zwangsläufig hat er sich deshalb intensiv mit dem Pandemie-Problem befasst. Schon vor Jahren hat Gates vor einer kommenden Pandemie gewarnt. Es sei die grösste Gefahr für die Menschen im 21. Jahrhundert, erklärt er.
Im März 2015 legte Gates in einem viel beachteten TED-Talk dar, dass ansteckende Krankheiten noch gefährlicher seien als ein Atomkrieg. «Die Welt ist nicht auf Epidemien vorbereitet», betonte er.
In der aktuellen Krise hat Gates früh gehandelt. Als Mitte Januar die chinesische Regierung einen Lockdown für Wuhan anordnete, forderte Gates die Wissenschaftler seiner Stiftung umgehend zum Handeln auf. Er wollte Antworten auf Fragen wie: Welche Medikamente sind vielversprechend? Wie lange geht es, bis wir einen Impfstoff haben? Wie kann unsere Stiftung dabei helfen?
Inzwischen hat die Gates-Stiftung mehr als 300 Millionen Dollar für den Kampf gegen das Coronavirus eingesetzt. Es geht primär darum, wie man in kurzer Zeit die Menge an Impfstoff produzieren kann, die nötig ist, um mehr als sieben Milliarden Menschen gegen das Virus zu schützen. Die Foundation hat deshalb Räume in einer Fabrik gemietet, damit die Produktion eines allfälligen Impfstoffes sofort beginnen kann.
Und was hält Gates von den Verschwörungstheorien, die sich um ihn ranken? «Alles, was wir tun, ist Geld ausgeben und unsere Meinung kundtun», entgegnet der Milliardär gegenüber dem «Wall Street Journal» auf diese Frage. «Letztlich sind nicht wir es, welche die Entscheidungen fällen.»
Gates steht in einer bewährten amerikanischen Tradition. Auch der nach wie vor berühmteste Superreiche der Welt, John Rockefeller, hatte einst den grössten Teil seines Vermögens auf diese Weise verwendet. Bis heute spielt gerade im Bereich der Medizin die Rockefeller Foundation eine wichtige Rolle. Und wer nun einwendet, Gates sei ein gnadenloser Geschäftsmann: Verglichen mit Rockefeller ist er ein Sonntagsschüler.
Langfristig ist die Klimaerwärmung möglicherweise die noch grössere Herausforderung für die Menschheit als die Coronakrise. Auch dort spielen Superreiche eine zunehmend bedeutende Rolle. Aber der Reihe nach:
William Nordhaus ist der wohl bedeutendste Ökonom auf dem Gebiet der Klimaerwärmung und hat für seine Arbeit den Nobelpreis erhalten. In der jüngsten Ausgabe des renommierten Magazins «Foreign Affairs» zieht er ein ernüchterndes Fazit über das Pariser Abkommen: Solange es keine wirksamen Strafen gebe, gebe es auch Trittbrettfahrer, und solange es Trittbrettfahrer gebe, könne das Problem nicht wirksam bekämpft werden.
Die Bilanz des Pariser Abkommens fällt daher in seinen Augen deprimierend aus:
Coronakrise wie Klimaerwärmung werfen die Frage auf: Sind demokratische Staaten überhaupt in der Lage, wirksame Massnahmen zu ergreifen? Während beispielsweise das autoritär geführte Singapur die Probleme viel besser in den Griff zu bekommen scheint, und während das noch autoritärere Shenzhen in China mittlerweile als grünste Stadt der Welt gilt, ist der Leistungsausweis bei uns im Westen eher mager.
Beispiel Zürich: Gefühlte zehn Mal haben die Zürcher bereits über ein neues Fussballstadion abgestimmt, und ebenso oft werden Richter über Einsprachen zu befinden haben. Ob das Stadion je gebaut werden wird, ist fraglich.
Das mag für Fussball-Fans ärgerlich sein, die Welt wird nicht daran zugrunde gehen. Können wir uns jedoch diesen Luxus noch leisten, wenn es um Pandemie und Klimaerwärmung geht?
Nochmals Zürich: Obwohl die Mehrheit der Stadtbevölkerung bessere Velowege und weniger Autos wünscht, läuft nichts. Eine geplante Sperrung der Langstrasse wurde auf den St. Nimmerleinstag verschoben, und selbst eine Fahrspur aufzuheben, ist ein Staatsaffäre, die Jahre dauern kann.
Kein vernünftiger Mensch wünscht sich eine Diktatur à la China oder selbst die mildere Singapur-Version. Wer aber sorgt für den notwendigen Leidensdruck? Wie die Superreichen dafür sorgen können, zeigt die Harvard-Professorin Rebecca Henderson ebenfalls in «Foreign Affairs» auf.
BlackRock ist der grösste Vermögensverwalter der Welt. CEO Larry Fink hat bereits zu Beginn dieses Jahres erklärt: «Klima-Risiko gleich Investitions-Risiko.» Gleichzeitig hat er angeordnet, dass sein Unternehmen nur noch nachhaltig investieren wird. Wer rund sieben Billionen (im deutschen Sinn) Dollar Vermögen verwaltet, dessen Wort hat Gewicht.
Fink ist nicht der Einzige, der realisiert hat, dass der Kampf gegen die Klimaerwärmung längst keine Frage der Moral mehr ist. Henderson stellt fest:
Als ideale Regierungsform hat sich der griechische Philosoph Platon einst einen weisen Philosophen-König gewünscht. Aufgeklärte Superreiche wie Bill Gates oder Larry Fink könnten zumindest teilweise in diese Rolle wachsen und in demokratischen Staaten dafür sorgen, dass die dringend notwendige Dekarbonisierung der Wirtschaft Tatsache wird. Nochmals Rebecca Henderson:
Der dümmste und zynischste Spruch seit langem.
Wie sähe die Welt aus, wenn das Geld nicht bei den Bonzen sondern in Forschung und sozialer Infrastruktur gelandet wäre?
aber leider läuft die entwicklung genau in diese richtung.