Der Höhepunkt der Coronavirus-Krise sei überwunden, die Zahl der Infizierten gehe stark zurück, erklären die zuständigen chinesischen Behörden. Doch wer will diesen Angaben trauen, nachdem China die Coronavirus-Epidemie zunächst vertuschen wollte und danach die Anzahl der Infizierten und Todesfälle trotz drastischer Massnahmen weiter nach oben stieg?
«Wir haben das Coronavirus unter Kontrolle», erklärte Donald Trump an einer Pressekonferenz auf seiner Indienreise. «Nur wenige Menschen sind angesteckt, und diese befinden sich bereits auf dem Weg zur Besserung.» Nur wer will einem Präsidenten glauben, der als notorischer Lügner bekannt ist und der noch vor kurzem behauptet hat, das warme Aprilwetter werde dem Virus den Garaus machen, und damit prahlte, ein Impfstoff sei demnächst verfügbar?
Trumps Aussagen sind nicht nur frei von Fakten, sie stehen auch in krassem Widerspruch zu dem, was seine eigenen Fachleute erklären. So führte gestern Nancy Messonier, Direktorin des National Center for Immunization and Respiratory Diseases, vor den Medien aus:
Konkret erklärte Messonier, dass sich das Virus nicht mehr in der Familie, sondern in der Gemeinschaft ausbreite. Daher müsse man allenfalls die Schulen schliessen und die Kinder per Internet unterrichten. Arbeitnehmer sollten ebenfalls wenn möglich zuhause arbeiten und Konferenzen sollte man doch bitte ganz unterlassen.
Dies alles hinderte Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow nicht daran, alles unter den Teppich wischen zu wollen. «Ich glaube nicht, dass es eine wirtschaftliche Tragödie geben wird», sagte er in einem TV-Interview. «Wir haben alles fast vollständig im Griff.» Dumm bloss, dass Kudlow einst im Jahr 2007 ebenso vollmundig erklärt hatte, die Subprime-Krise sei gar keine Krise und die Banken hätten alles im Griff.
Aktien- und Obligationenkurse richten sich an den Erwartungen an die Zukunft aus. Was Investoren daher noch mehr hassen als schlechte Nachrichten, sind widersprüchliche Nachrichten, weil sie dann keine vernünftigen Wetten auf die Zukunft abschliessen können.
In dieser misslichen Lage befinden sie sich derzeit. Deshalb rennen sie zum Ausgang und versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Keiner ist bereit, den Helden zu spielen und ein fallendes Messer mit blosser Hand auffangen zu wollen.
Die Folge davon sind weltweit fallende Aktienkurse in der Höhe von zwei bis drei Prozent. Montag und Dienstag wurden so die Gewinne dieses Jahres weggefegt; und die Talfahrt geht weiter. So ist der SMI, der Index der Schweizer Börse, schon am Vormittag wieder zeitweise bis zu zwei Prozent eingebrochen.
Es ist wahrscheinlich, dass die Notenbanken versuchen werden, Gegensteuer zu geben. Doch ihre Optionen sind begrenzt: Die Zinsen befinden sich bereits auf einem historischen Tiefpunkt, und viel mehr quantitatives Easing geht auch nicht mehr.
Zudem ist fraglich, ob sich die Krise allein mit geldpolitischen Massnahmen eindämmen lässt. So befürchtet der Starökonom Nouriel Roubini in der «Financial Times»:
Genau dieses Szenario scheint Realität zu werden. Um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen, werden in Italien Städte isoliert, im Irak Demonstrationen abgesagt und in Japan die Durchführung der Olympischen Sommerspiele in Frage gestellt.
Wie schlimm es werden könnte, besagt ein wissenschaftlicher Artikel im renommierten Magazin «The Atlantic»: 40 bis 70 Prozent aller Menschen könnten vom Virus infiziert werden, so die alarmierende Prognose.
Nicht nur die Vertrauenskrise setzt den Investoren zu. Langsam wird auch der Schaden der Epidemie für die globale Wirtschaft deutlich. Die globalen Versorgungsketten werden unterbrochen. Das bedeutet etwa, dass in Wolfsburg keine Autos mehr gefertigt werden können, weil der Scheibenwischermotor aus China nicht eingetroffen ist. Oder in Irland steht die Produktion von Laptops still, weil ein entscheidendes Teil aus Shenzhen fehlt. Betroffen sind auch die Rohstoffe.
Ob Öl, Stahl oder Sojabohnen, alle leiden unter sinkenden Preisen. Und dabei stehen wir vielleicht erst am Anfang einer Verelendungsspirale. Nouriel Roubini empfiehlt daher den Investoren, sich sehr warm anzuziehen:
Wir hatten jetzt 10 Jahre Boom, in Zukunft gehe ich davon aus, dass die Hochkonjunktur in kürzeren Abständen gebremst wird.
Auch wenn es teurer ist, eventuell wäre es doch besser, wieder selbst zu produzieren...
(Die sozialen Faktoren mal bewusst ausser Acht gelassen)
Jeder Grippe-/Covid-Tote ist einer zuviel, aber die Panikmache, als ob die Apokalypse bevor steht, finde ich irgendwie unangebracht. Wünschte mir eine neutralere Berichterstattung der Medien.