International
Analyse

USA: Die demokratische Partei steuert auf die grosse Katastrophe zu

epa08229493 Democratic Presidential candidates (L-R) former NYC Mayor Michael R. Bloomberg, Massachusetts Senator Elizabeth Warren, Vermont Senator Bernie Sanders, former Vice President Joe Biden, for ...
Bloomberg, Warren, Sanders, Biden, Buttigieg und Klobuchar: Fünf von ihnen stehen hinter den Super-Delegierten. Bild: EPA
Analyse

Die demokratische Partei steuert auf die grosse Katastrophe zu

Wird am Ende gar nicht derjenige Kandidat nominiert, der die meisten Stimmen holt? Dieses Szenario ist gut möglich. Trump reibt sich bereits die Hände.
21.02.2020, 22:4422.02.2020, 13:29
Corsin Manser
Folge mir
Mehr «International»

Die USA befinden sich im Vorwahl-Fieber. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner bestimmen in den kommenden Wochen ihren Kandidaten für die Wahlen im Herbst. Auf beiden Seiten sind die Wahlbeteiligungen bisher hoch.

Bei den Republikanern ist der Fall klar: Donald Trump hat die Parteibasis hinter sich vereint. Im Bundesstaat New Hampshire erzielte er ein Top-Ergebnis. Obschon er gar keinen ernstzunehmenden Gegenkandidaten hat, strömten die Republikaner für ihn an die Urne. Noch nie konnte ein amtierender US-Präsident seine Basis derart gut mobilisieren. Wenn es einen Beweis brauchte, dass es schwierig wird, Trump zu schlagen, dann wurde er spätestens jetzt geliefert.

Sanders mit grossem Vorsprung – doch ist er gross genug?

Deutlich weniger einig sind sich die Demokraten. Das Feld ist nach wie vor gross, nicht weniger als sechs Kandidaten dürfen sich noch Chancen ausrechnen. Dennoch kristallisiert sich so langsam aber sicher ein Favorit heraus: Es ist Bernie Sanders.

Der unverwüstliche Senator aus Vermont hat nicht nur bei den ersten beiden Vorwahlen gut abgeschnitten, er liegt auch bei den nationalen Umfragen vorne. Mittlerweile gar mit deutlich mehr als zehn Prozentpunkten. Stand heute ist Sanders der beliebteste Kandidat unter den demokratischen Wählern. Dies dürfte auch nach den Vorwahlen in Nevada, welche am Samstag stattfinden, so bleiben. Der 78-Jährige hat auch hier überzeugende Umfragewerte.

Democratic presidential candidate Sen. Bernie Sanders, I-Vt., makes a point during a campaign stop late Sunday, Feb. 16, 2020, in Denver. (AP Photo/David Zalubowski)
bernie sanders,r m
Führt die Umfragen deutlich an: Bernie Sanders.Bild: AP

Die Chancen, dass Sanders nach den Vorwahlen die meisten Stimmen und die meisten Delegierten für sich verbuchen kann, stehen gut. Doch das heisst noch nicht, dass er gegen Trump antreten darf.

Denn der Kandidat der Demokraten wird erst Mitte Juni an der «Democratic National Convention» in Milwaukee bestimmt. Und dort könnte auf Sanders eine böse Überraschung warten. Wobei: Überraschen dürfte es ihn nicht wirklich, da er das Nominations-System bestens kennt.

Und das funktioniert so:

  • Pro Staat gibt es eine Anzahl Delegierte. Insgesamt sind es 3979. Sie treten in einem ersten Wahlgang an und müssen sich an den Kandidaten halten, der ihre Stimme gewonnen hat.
  • Stimmen 50 Prozent der Delegierten für einen Kandidaten, hat er gewonnen. Erreicht keiner der Kandidaten das absolute Mehr, wird es kompliziert.
  • Dann kommen sogenannte «Superdelegates» zum Zug, welche wählen dürfen, wen sie wollen. Sie sind nicht an das Abstimmungsresultat in den Staaten gebunden. Insgesamt gibt es 771 «Superdelegates». Sie sind Parteiführer, Graue Eminenzen der Partei. Sprich: das Parteiestablishment, welches Sanders nicht sehr gut gestimmt ist, weil er am linken Rand politisiert, sich unabhängig nennt und nur wegen des Wahlkampfs der Partei angehört.

Der Konvent könnte Sanders übergehen

Aufgrund dieses Systems ist es möglich, dass am Ende ein Kandidat nominiert wird, der gar nicht die meisten Stimmen in den Vorwahlen geholt hat. Dann nämlich, wenn sich die Super-Delegierten absprechen und den gleichen Kandidaten unterstützen.

Bereits 2016 wurde an diesem Vorgehen Kritik laut. Sanders-Anhänger befürchteten, dass die Super-Delegierten Hillary Clinton wählen würden. In der Folge wurde das System angepasst: Dieses Jahr dürfen die Super-Delegierten erst in einem zweiten Wahlgang antreten, nicht bereits im ersten.

Obschon die Macht der Super-Delegierten etwas eingeschränkt wurde, fürchten sich die Sanders-Anhänger auch dieses Jahr wieder vor ihnen. Natürlich, es dauert noch lange, bis alle Staaten gewählt haben, doch das Szenario, dass Sanders die meisten Stimmen holt, aber nicht die nötigen 50 Prozent, ist derzeit durchaus wahrscheinlich.

Und über eines, da waren sich die demokratischen Kandidaten – ausser Sanders – bei ihrer letzten TV-Debatte einig: Derjenige mit den meisten Stimmen soll nicht automatisch nominiert werden. Sprich: Die Super-Delegierten sollen gemäss Klobuchar, Biden, Buttigieg, Bloomberg und Warren ein Wörtchen mitreden dürfen. Letztere hat ihre Meinung dazu übrigens plötzlich um 180 gedreht.

Grosser Bruch droht

Die demokratische Partei steuert so auf eine Katastrophe zu. Wird Sanders vom Konvent nicht nominiert, obschon er die meisten Unterstützer hat, könnte es zum grossen Bruch in der Partei kommen. Die Sanders-Unterstützer, welche sich bereits im Jahr 2016 von der Partei-Elite verraten gefühlt haben, dürften den Demokraten endgültig den Rücken zuwenden. «Die Partei bräuchte Jahrzehnte, um sich davon zu erholen», mutmasst Barack Obamas ehemaliger Kampagnen-Manager David Plouffe.

Der einflussreiche linke Podcast-Moderator Kyle Kulinski kündigte bereits an, dass sich Millionen von Sanders-Fans auf die Strasse begeben würden, falls der Konvent ihm die Nomination wegnehmen würde.

Trump freut sich

Donald Trump reibt sich derweil die Hände und schlachtet die Uneinigkeit in der demokratischen Partei genüsslich aus. Auf Twitter schrieb er, dass die demokratischen Vorwahlen «manipuliert» seien. Der Konvent schiebe Überstunden, um die Nomination von Sanders wegzunehmen.

Trump sieht eine Win-Win-Situation: Wird Sanders am Konvent übergangen, bleiben wohl viele seiner Fans bei den Wahlen im November der Urne fern. Wird Sanders nominiert, freut sich Trump sowieso. Der Präsident würde liebend gerne gegen Sanders antreten, zumal er dem linken Senatoren aus Vermont deutlich weniger Kredit gibt als einem moderaten Kandidaten.

Ob Sanders wirklich keine Chance gegen Trump hätte, darf angezweifelt werden. Klar hingegen ist: Die Demokraten steuern auf ein Horror-Szenario zu – es droht der grosse Bruch – und der Präsident ist momentan der Profiteur.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So schimpft Bernie Sanders über Donald Trump
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
143 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Scaros_2
21.02.2020 23:16registriert Juni 2015
Ausnahmsweise muss man Trump halt recht geben.

The Crooked DNC is working overtime to take the Democrat Nomination away from Bernie, AGAIN!
26924
Melden
Zum Kommentar
avatar
stef1879
21.02.2020 23:46registriert November 2014
Verfolgt man die Debatten und befasst sich mit den Hintergründen der demokratischen Kandidaten kann man meiner Meinung nach nur zum Schluss kommen, dass Bernie der einzige ist, der gehen Trump eine realistische Chance haben wird.
25380
Melden
Zum Kommentar
avatar
domin272
22.02.2020 03:15registriert Juli 2016
Ich weiss nicht was passieren muss damit die Demokraten begreifen in welcher Zeit wir uns befinden... Trump hat vor 4 Jahren auch nicht gewonnen, weil er eine vernünftige Entscheidung war, sondern vor allem weil er, im radikalen Gegensatz zu Clinton, ein fundamentales Gegenprogramm zu allem Bisherigen darstellte und es vor allem schaffte die Anti-Establishmentbrigade von Rechts zur Urne zu locken und die von Links zuhause zu lassen. Wenn die nach all dem glauben, durch einen gemässigten Geldelitensteifellecker gewinne man gegen Trump, wünsche ich viel Glück...
9310
Melden
Zum Kommentar
143
Trump kann Strafzahlung in Höhe von 450 Millionen nicht garantieren

Der frühere US-Präsident Donald Trump kann nach Angaben seiner Anwälte derzeit keine Garantie für die Zahlung einer Geldstrafe aus einem Betrugsprozess in Höhe von mehr als 450 Millionen Dollar (etwa 415 Millionen Euro) geben. Trotz grosser Anstrengungen und Verhandlungen mit rund 30 Firmen sei es bislang nicht gelungen, eine solche Bürgschaft zu bekommen, hiess es in einem Schreiben seines Anwaltsteams an das zuständige Gericht in New York, aus dem US-Medien am Montag übereinstimmend zitierten. Es sei «praktisch unmöglich», wurde demnach argumentiert.

Zur Story