Shiva Cement, Rose Zinc und Vinay Cements sind nur drei der knapp 50 Zementfirmen in Indien. Im Süden des Landes liefern sich diese Firmen einen harten Kampf um Kunden und Marktanteile. Denn der Zement muss aus dem Norden angeliefert werden, und weil das graue Pulver ein Massenmarkt ist, bei dem sich keiner der Hersteller vom Wettbewerber ausdifferenzieren kann, spielen niedrige Transportkosten eine wichtige Rolle. Im Norden Indiens, wo die grossen Zementfabriken stehen, ist der Druck geringer. Dort haben die wichtigen Produzenten jeweils kleine Oligopole um ihre Werke errichtet.
Für die interessieren sich immer auch die indischen Kartellwächter. Denn Preisabsprachen im Norden sind notorisch, Untersuchungen an der Tagesordnung. Indien ist auch für die grössten vier globalen Hersteller ein attraktiver Markt, obwohl der chinesische gemäss der «International Cement Review» neunmal grösser ist. Aber der ist fest in der Hand chinesischer Anbieter und deshalb kämpfen die grössten vier Konzerne Holcim, Lafarge, HeidelbergCement und Cemex lediglich um den zweitgrössten Markt. Mit erlaubten und teilweise auch unerlaubten Mitteln.
Denn auch der drittgrösste Markt Iran ist nicht offen. Der viertgrösste Markt sind die USA, dort spürt man noch die Nachwehen der Finanzkrise und hat das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. In der Türkei, Brasilien und Russland, den nächst grösseren Märkten, ist die Zementnachfrage in den letzten Monaten aus unterschiedlichen Gründen zurückgegangen. Und in vielen grossen Märkten wie den USA, Frankreich, Brasilien und Grossbritannien dürften die Kartellwächter bei der Fusion von Lafarge und Holcim auf den Verkauf von Werken bestehen, denn dort sind die Marktanteile zu hoch. Auf den Philippinen beispielsweise, einer der Top-10-Märkte, liegt der gemeinsame Marktanteil bei 80 Prozent.
Selbst auf dem chinesischen Markt setzte sich im März der Preiszerfall fort. Grund ist, wie überall auf der Welt, ein Überangebot, das auch durch die Finanzkrise nie wegkonsolidiert worden war. Holcim und Lafarge schieben beide hohe Schuldenberge vor sich hin, und jede Werkschliessung würde die Probleme noch vergrössern.
Mit der Fusion könnten sich die Preise stabilisieren, so die Hoffnung des Gespanns Holcim/Lafarge. Das gilt lediglich für Frankreich, wo sich vier Anbieter den Markt teilen. In Rumänien sind es lediglich drei – die beiden Fusionsfirmen und der Konkurrent HeidelbergCement. Und dennoch fallen dort die Zementpreise weiter.
Das Gleiche gilt für den britischen Markt, wo ein grosses Zementwerk auf Anordnung der Wettbewerbsbehörden bei der letzten Konsolidierung an Lakshmi Mittal aus Indien ging. Seither sind die Preise innert Jahresfrist um 6,5 Prozent gefallen – obwohl das Volumen seit Anfang 2013 wieder steigt und die britische Wettbewerbsbehörde ganz scharf hinschaut, weil ihr die Struktur der Industrie mit nur vier Anbietern als zu wenig wettbewerbsintensiv erscheint und man die britischen Zementpreise weiterhin als zu hoch erachtet.
Fazit: Die Hoffnung auf ein Ende des Preisdrucks dank der Konsolidierung ist trügerisch – und wenn die Preise aus schwer erklärbaren Gründen steigen sollten, sind sofort die Wettbewerbshüter zur Stelle. Genauso ernüchternd wie die Hoffnung auf Preismacht ist die Kosteneinsparungsbilanz der letzten grossen Übernahmen. Holcim und Lafarge sprechen zwar neben einem Einmaleffekt von 500 Millionen Franken von operativen Synergien von 1,2 Milliarden Franken, verteilt über drei Jahre. Das entspricht weniger als zwei Prozent des Pro-forma-Umsatzes des fusionierten Unternehmens.
Beim Kauf von Blue Circle durch Lafarge stellten sich Synergien von 1,5 Prozent beim Umsatz ein. Bei weiteren grössten Käufen waren die Synergien kleiner. Fazit: Synergiepotenziale werden in der Zementindustrie meist überschätzt.