Bei der UBS waren es rund 800 Millionen Dollar, bei der Credit Suisse bereits 2,5 Milliarden. Jetzt muss die französische BNP Paribas 8,9 Milliarden hinblättern, weil sie mit ihren Töchtern in den USA unerlaubte Geschäfte mit dem Sudan abgewickelt hat. Früher schon wurden die britischen Banken HSBC und Standard Chartered und die holländische ING zur Kasse gebeten.
Heute meldet die New York Times, dass auch gegen die deutsche Commerzbank ein Verfahren eröffnet worden ist. Und vergessen wir nicht: Nach wie vor müssen eine ganze Reihe von Schweizer Banken – von der Bank Bär bis zur ZKB – mit saftigen Bussen rechnen.
Die geballte Bussen-Ladung aus Übersee stösst auf dem alten Kontinent zunehmend auf Unverständnis und Widerstand. «Die US-Behörden scheinen einen eigentlichen Raubzug auf europäische Schatztruhen zu unternehmen», stellt etwa John Plender in der Financial Times fest und kommt zum Schluss: «Das ist ein ganz gefährliches Spiel, verbunden mit grosser Unsicherheit, vor allem für die europäischen Banken, die nach wie vor über viel zu wenig Eigenkapital verfügen.»
Zwei Fragen stellen sich: Warum lassen sich die Amerikaner auf ein solch gefährliches Spiel ein? Und warum lassen sich die Europäer sich das bieten?
Das Verhalten der US-Behörden ist innenpolitisch getrieben. Die Rettung der Banken im Herbst 2008 ist politisch nach wie vor nicht bewältigt. Rund 800 Milliarden Dollar wurden damals von der Regierung aufgewendet, um im Rahmen des sogenannten Tarp-Programms einen Banken-Crash zu verhindern. Tarp wurde zwar noch von der Regierung von George W. Bush beschlossen, aber von Präsident Obama abgesegnet und weitergeführt.
Wirtschaftlich gesehen war Tarp ein Erfolg. Ein drohender Kollaps des Finanzsystems konnte verhindert werden, die Kosten für die Rettung der Banken sind längst wieder eingenommen worden. Unter dem Strich hat der Staat – ähnlich wie die Schweiz beim Darlehen an die UBS – sogar ein Geschäft gemacht.
Politisch gesehen war Tarp ein Desaster. Linke und Rechte, die Occupy-Bewegung und die Tea Party, haben Washington das Bail-out der Banken nicht verziehen. Während die Banken gerettet wurden, sind gleichzeitig Millionen von Eigenheimbesitzern aus ihren Häusern vertrieben worden. Bis heute ist Tarp deshalb Sinnbild dafür, dass einmal mehr die Grossen laufen gelassen und die Kleinen gehängt wurden.
Die Wut des Mittelstandes darüber hat sich noch längst nicht verzogen. Die hohen Bussen gegen die Banken sollen helfen, den Volkszorn zu beschwichtigen. Deshalb werden die Banken auch nicht nur gebüsst, sie müssen auch Schuldanerkennungen unterschreiben. Sie sind bisher jedoch ohne Folgen geblieben. Dank Sonderbewilligungen – sogenannten «waiver» – dürfen die Banken ihr Geschäft trotzdem wie bis anhin weiter betreiben.
Warum aber weigern sich die europäischen Banken nicht, die Bussen zu bezahlen? Weil sie dann vom Dollar-Markt ausgeschlossen und damit de facto handelsunfähig würden. Der Dollar ist nach wie vor die globale Leitwährung. Rund 60 Prozent aller länderübergreifenden Geschäfte werden im Greenback abgewickelt. Eine Bank, die vom US-Markt ausgeschlossen ist, kann kein sogenanntes «Dollar-Clearing» und damit keinen internationalen Handel mehr betreiben. Den europäischen Banken bleibt somit gar nichts anderes übrig, als zu zahlen und zu schweigen.
Politisch hingegen regt sich Widerstand. Der französische Finanzminister Michel Sapin fordert einmal mehr, die globale Dominanz des Dollars zu beseitigen. Diese Forderung hat in Frankreich Tradition. Schon in der 1960er Jahren hat der damalige Finanzminister und spätere Präsident Valéry Giscard d’Estaing gegen das «exorbitante Privileg» des Dollars gewettert.
Nach der Krise von 2008 hat Nicolas Sarkozy die Dollar-Dominanz ebenfalls lauthals beklagt und gefordert, den Euro ebenfalls zu einer globalen Leitwährung zu erheben. Dann kam die Eurokrise, und die Franzosen verstummten. China seinerseits träumt ebenfalls davon, den Renminbi als Dollar-Konkurrenz zu etablieren. Bis es so weit ist, dürfte noch viel Wasser den Jangtse hinunterfliessen.
Heisst dies, dass die Amerikaner ungehindert ihren Raubzug auf europäische Banken fortsetzen können? Die Frage ist falsch gestellt. Die betroffenen Banken haben alle gegen US-Gesetz verstossen – und sie wussten, was sie taten. Störend an den Bussen ist daher weniger ihre Höhe als die Tatsache, dass sie die Falschen treffen. Bei der CS beispielsweise haben weder der VR-Präsident noch der CEO ihre Jobs verloren. Angeblich haben sie nichts von den krummen Geschäften gewusst.
Selbst die Rekordbussen verpuffen so ohne Wirkung. «Niemand ist ins Gefängnis gewandert», stellt Plender fest. «Die globalen Banken werden so ermuntert, die Bussen als eine Art Geschäftskosten zu betrachten, ähnlich wie das von der Mafia kontrollierte Abfuhrwesen dies einst getan hat. Die Abschreckung ist daher keineswegs so drakonisch, wie sie aussehen mag.»
Der Eindruck, dass die Amerikaner bloss gegen die Europäer vorgehen würden, ist falsch. Die bisher grösste Busse wurde nicht gegen BNP Paribas verhängt, sondern gegen JPMorgan. Die US-Traditionsbank wurde im vergangenen Spätherbst zu rund 13 Milliarden Busse verknurrt. Heuchlerisch ist jedoch, dass auch in diesem Fall die Bosse ungestraft davon gekommen sind. Nach wie vor gilt: Die wirklich mächtigen Banker sind «too big to jail».