Wirtschaft
EU

EU baut mit Mercosur weltweit grösste Freihandelszone auf

"Inmitten internationaler Handelsspannungen senden wir ein starkes Signal, dass wir für regelbasierten Handel stehen", schrieb Juncker zur Einigung auf das Handelsabkommen zwischen EU und Me ...
Jean-Claude Juncker: «Inmitten internationaler Handelsspannungen senden wir ein starkes Signal, dass wir für regelbasierten Handel stehen.».Bild: EPA G20

EU baut mit Mercosur weltweit grösste Freihandelszone auf

28.06.2019, 21:58
Mehr «Wirtschaft»

Die EU und der südamerikanische Staatenbund Mercosur wollen gemeinsam die grösste Freihandelszone der Welt aufbauen. Nach jahrelangen Verhandlungen sei eine politische Einigung erzielt worden, bestätigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitagabend.

Er sprach von einem «historischen Moment» und grossartigen Nachrichten für Unternehmen, Arbeitnehmer und die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantik.

Zum Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nannte das Abkommen historisch. «Dies wird eines der wichtigsten Handelsabkommen aller Zeiten sein und unserer Wirtschaft enorme Vorteile bringen. Grossartiger Tag», twitterte er.

Das Abkommen berührt nach Angaben der EU-Kommission 780 Millionen Menschen in beiden Staatengruppen. Es soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und so Exporte ankurbeln. So wurden bisher zum Beispiel 35 Prozent Zoll auf Autos fällig, die in den Mercosur geliefert wurden. Auch die Abgaben auf landwirtschaftliche Produkte sollen beschnitten werden.

Herausforderungen für Bauern

EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan räumte ein, das werde einige Herausforderungen für europäische Bauern bringen. Doch würden die Märkte für Produkte aus dem Mercosur nur mit «sorgsam gemanagten Quoten» geöffnet. Das werde verhindern, dass der EU-Markt überflutet und der Wohlstand der Bauern hier bedroht werde.

Auch hohe Umweltstandards würden gesichert, betonte die Kommission. Beide Seiten verpflichteten sich in dem Abkommen, das Pariser Klimaschutzabkommen wirksam umzusetzen. Ein eigenes Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung regle Themen wie nachhaltiger Nutzung und Erhaltung von Wäldern.

Sorge um Regenwald

Sorge um die Ausbeutung des brasilianischen Regenwalds durch den rechtspopulistischen Präsidenten Bolsonaro war einer der vielen Kritikpunkte während der Verhandlungen mit dem Mercosur, die sich mit Unterbrechungen seit dem Jahr 2000 hingezogen hatten.

Umweltschützer befürchten, dass die neuen Absatzmärkte für Fleisch- und Sojaexporte aus Brasilien dazu führen könnten, dass Anbauflächen erweitert und dafür der Amazonas-Regenwald weiter abgeholzt wird. Die Grünen und Greenpeace erneuerten nach der Bekanntgabe des Deals ihre Kritik.

43 Vorher-nachher-Bilder, die zeigen, wie krass sich die Erde verändert hat

1 / 45
43 Vorher-nachher-Bilder, die zeigen, wie krass sich die Erde verändert hat
Zwischen den beiden Aufnahmen vom Matterhorn liegen fast auf den Tag genau 45 Jahre. In diesem Zeitraum ist dramatisch viel Eis weggeschmolzen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Lange umstritten waren auch mögliche Abmachungen zu Agrarimporten aus Südamerika, die in Europa zu fallenden Preisen führen könnten. Viele europäische Landwirte befürchten, dem Wettbewerb mit den Agrargrossmächten aus Südamerika nicht gewachsen zu sein. Zum einen wird im Mercosur in deutlich grösserem Massstab produziert, was Kostenvorteile mit sich bringt. Zudem gehen die Landwirte in der Region sehr grosszügig mit Pflanzenschutzmitteln und Gentechnik um, was viele Konsumenten in Europa kritisch sehen.

Die Streitpunkte könnten während der Ratifizierung des Abkommens in den 28 EU-Staaten wieder hochkommen und Hindernisse aufbauen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström betonte aber, es gebe viel Zustimmung.

Langes Ratifizierungsverfahren

Sobald der Text des Abkommens in allen Einzelheiten ausgefertigt sei, werde er veröffentlicht. Die Mitgliedsstaaten würden unterrichtet, dann werde das lange Ratifizierungsverfahren starten. «Ich bin zuversichtlich, dass dies ein sehr, sehr guter Deal ist», sagte Malmström am Freitagabend in Brüssel.

Die Exporte von EU-Unternehmen in die vier Mercosur-Staaten beliefen sich 2018 auf rund 45 Milliarden Euro, in die andere Richtung waren es Ausfuhren im Wert von 42.6 Milliarden Euro. Für den lateinamerikanischen Staatenbund ist die EU bereits heute der wichtigste Handels- und Investmentpartner.

Die Mercosur-Staaten exportieren vor allem Nahrungsmittel, Getränke und Tabak in die EU. Von dort gehen wiederum vor allem Maschinen, Transportausrüstungen sowie Chemikalien und pharmazeutische Produkte nach Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

«Der Vertrag hat ein enormes Potenzial, um die Investitionen zu erhöhen. Das ist fundamental, um nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen sowie die Armut in unserem Land zu bekämpfen», schrieb der argentinische Finanzminister Nicolás Dujovne am Freitagabend auf Twitter.

Auch eine politische Dimension

Neben der wirtschaftlichen Dimension hat das geplante Abkommen auch eine politische. Die EU will angesichts der aktuellen Politik der USA ein Zeichen für freien und fairen Handel setzen - vor allem, nachdem US-Präsident Donald Trump die Pläne für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP einstampfte und auch die US-Beteiligung am Pazifik-Handelsabkommen TPP aufkündigte.

«Inmitten internationaler Handelsspannungen senden wir das starke Signal, dass wir für regelbasierten Handel stehen», schrieb Juncker. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
31 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ruefe
29.06.2019 06:49registriert August 2015
Mittlerweile weiss wohl jeder was mit Freihandel gemeint ist.
Frei von Umweltbewusstsein, frei von Verantwortung für die Schwächeren, frei von Moral....
4419
Melden
Zum Kommentar
avatar
das Geflüster
29.06.2019 00:53registriert Juni 2019
Alles wird dem Neoliberalismus geopfert.

Der einzelne Mensch zählt nichts.
2112
Melden
Zum Kommentar
31
Pilotenverband bricht Verhandlungen mit Edelweiss ab – Piloten bald ohne Vertrag?

Der Pilotenverband Aeropers hat die Verhandlungen mit der Fluggesellschaft Edelweiss für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für Pilotinnen und Piloten abgebrochen. Ab Anfang Juli drohe somit der vertragslose Zustand, teilte Aeropers am Donnerstagabend mit.

Zur Story