Von der Europäischen Zentralbank EZB war am Donnerstag um 15 Uhr alles wesentliche zum umfangreichen Kaufprogramm für Staatsanleihen bekannt. Die Reaktion der Devisenmärkte hielt jedoch bis am Freitagnachmittag an.
Gegenüber dem Dollar fiel der Euro kurzzeitig auf den tiefsten Stand seit 11 Jahren, gegenüber dem Franken sogar auf ein Rekordtief (im breiten Interbankenhandel) von 97,76 Rappen. Um 16.30 Uhr stand der Euro wieder etwas stärker bei 98,60 Rappen und der Dollar bei 87,40 Rappen.
Einen fundamentalen Grund für den jüngsten Taucher gebe es nicht, sagte David Kohl, der Leiter des Währungs-Research bei der Bank Julius Bär. Im Gegenteil: Die Eurozone habe am Freitag mit positiven Nachrichten überrascht. So legte der Einkaufsmanagerindex deutlich zu. Zuvor hat die EZB bekannt gegeben, dass die Banken wie gewünscht die Bedingungen für die Kreditvergabe gelockert hätten.
Als einzigen Grund für den fortgesetzte Sturzflug des Euros sieht Kohl darum nur den Sturzflug selbst. Weil alle sinkende Kurse erwarten, sinkt auch der Kurs.
Die gleiche Erklärung hat auch Devisenspezialist Alessandro Bee von der Bank J. Safra Sarasin für die Aufwertung des Schweizer Frankens. Weil nach wie vor viele Anleger davon überzeugt seien, dass der Franken noch stärker werde, sei die Währung gesucht, sagt er.
Seit Bekanntgabe des EZB-Programms hat der Franken zwar gegenüber dem Euro zugelegt. Gegenüber dem Dollar hat er jedoch an Wert verloren. Das zeigt, dass gestern Freitag vor allem der Euro das Problem war. Mittelfristig geht die Bank J. Safra Sarasin laut Bee von einer Seitwärtsbewegung des Frankens gegenüber dem Euro aus.
Um die Flucht in die Schweizer Währung einzudämmen, erhebt die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit Donnerstag einen Strafzins auf einem Teil der Einlagen der Geschäftsbanken. Der Strafzins beträgt 0,75 Prozent. Gemäss Kohl reicht das zurzeit jedoch nicht aus, um Investoren vom Franken abzuhalten.
«Als europäischer Anleger, der wenig Risiko eingehen will, würde ich nach wie vor in Schweizer Franken investieren», sagte er. Denn damit würde man sein Geld im gleichen Wirtschaftsraum belassen. Bei einer Investition in Dollar sei zwar die Rendite höher, aber aufgrund des unterschiedlichen Wirtschaftsraums auch das Risiko grösser.
Kohl erwartet darum, dass die SNB auch künftig direkt am Devisenmarkt intervenieren muss; aber nur dann, wenn sich der Franken abschwächt. Ganz schwierig werde es laut Kohl für die SNB und die Schweizer Wirtschaft, sollte der Wind an den Aktienmärkten drehen und die Börsenkurse auf breiter Front fallen. Denn dann suchten noch viel mehr Anleger einen sicheren Hafen für ihr Geld. (sda)
(whr)