Es sind drei Buchstaben für ein gutes Gewissen: MSC – kurz für Marine Stewardship Council. Die gemeinnützige Organisation wurde 1997 vom WWF und dem Nahrungsmittelmulti Unilever gegründet. Sie vergibt das blaue MSC-Siegel mit dem Fisch-Logo, um den Konsumenten zu versichern, dass ihr gekauftes Produkt aus nachhaltigem Fischfang stammt. Zwölf Prozent der internationalen Fischproduktion sind inzwischen MSC-zertifiziert.
Doch die Organisation gerät zunehmend in Verruf. Die ARD strahlte diese Woche einen viel beachteten Dokumentarfilm aus, der das Nachhaltigkeits-Label in einem schlechten Licht erscheinen lässt. «Das Geschäft mit dem Fischsiegel – die dunkle Seite des MSC» zeigt mehrere Schwachpunkte des Systems auf.
Dazu gehört zum Beispiel der mexikanische Thunfischfang. Dieser wurde jahrzehntelang von den Händlern boykottiert, da dabei auch Delfine in den Netzen verenden, die mit den Thunfischen eine Fressgemeinschaft eingehen. Mit Schnell-Motorbooten und zum Teil Helikoptern werden sie zusammengetrieben und mit einem sogenannten Ringwadennetz gefangen.
Während der MSC behauptet, es seien zuletzt nur 700 Delfine deswegen gestorben, rechnen im Film Insider mit einem Vielfachen dieser Zahl. Auch Vorwürfe von Bestechungen unabhängiger Beobachter werden im Dokumentarfilm erhoben.
Verwässerte Nachhaltigkeitsversprechen für mehr Profit? Die verstörenden Aufnahmen haben auf jeden Fall auch Schweizer Detailhändler aufgeschreckt, wie eine Umfrage zeigt. Grundsätzlich betonen viele Händler, dass sie MSC insgesamt nach wie vor als glaubwürdiges Label erachten.
Aber: «Solche Bilder machen uns betroffen und diese Fangmethoden sind für uns nicht tolerierbar», sagt Migros-Sprecherin Alexandra Kunz. Man sei der Meinung, dass der Standard verbessert werden müsse. Vor rund einem Monat habe man MSC-Vertreter nach Zürich eingeladen. «Dabei konnten wir unsere Forderungen direkt platzieren.»
Die Thunfische in der Migros kämen aus Betrieben, bei denen die Thunfische einzeln mit der Angel oder mit lokalen Fischen als Köder gefischt werden, sagt Kunz. So könne Beifang praktisch ausgeschlossen werden. Um die Nachhaltigkeit des eigenen Fisch-Sortiments zu gewährleisten, lasse man alle Produkte zusätzlich vom WWF prüfen.
Auch die Migros-Tochter Denner ist aufgrund der ARD-Bilder empört: «Die aufgedeckten Missstände sind besorgniserregend», sagt Sprecher Thomas Kaderli. Die Vertrauenswürdigkeit des Labels dürfe nicht leiden. «Wir erwarten, dass MSC die Umstände abklärt und Konsequenzen daraus zieht.»
Die eigenen Denner-Lieferanten hätten zum Teil Zulieferer, welche die umstrittene Fangmethode einsetzen würden, sagt Sprecher Kaderli. «Wir werden uns bemühen, für künftige Beschaffungen eine Alternative zu finden.» Dennoch sei MSC zum heutigen Zeitpunkt das am strengsten regulierte Label auf dem Markt und man halte am Ziel fest, den MSC-Anteil im Sortiment weiter zu erhöhen.
Bei Coop heisst es, man nehme den Film ernst und sei in engem Austausch mit dem MSC wie auch dem WWF. Diese Treffen würden in Zukunft intensiviert, sagt Sprecher Ramón Gander. Zur Thunfisch-Fischerei in Mexiko könne man sich nicht äussern, da Coop keinen Thunfisch im Sortiment habe, der mit dieser Methode gefangen werde. 100 Prozent der Fische und Meeresfrüchte beziehe Coop aus nachhaltigen Quellen – «ob frisch, tiefgekühlt, aus Dosen oder im Restaurant». Nachhaltig bedeutet bei Coop, dass der WWF die Herkunft als akzeptabel oder empfehlenswert einstuft.
Die Kritik an den Qualitätsstandards des Labels ist nicht neu. Anfang Jahr warnten laut «Spiegel» 66 Wissenschaftler und Organisationen die MSC davor, ihre Zertifizierungen auszuweiten. Ihr Vorwurf: Die Vorgaben seien mangelhaft. Und Greenpeace Österreich bezeichnete das Öko-Label zuletzt gar als «absolut nicht vertrauenswürdig».
Der MSC hat inzwischen eine ausführliche Stellungnahme zum Film auf seiner Website publiziert. Er spricht von einer falschen Darstellung der Tatsachen. So würden die Filmaufnahmen der mexikanischen Thunfisch-Fischerei aus den 80er-Jahren stammen. Sie seien nicht mehr repräsentativ. Die Fischerei unternehme heute erhebliche Anstrengungen, um Delfine zu retten. Dazu gehöre der Einsatz von Tauchern in jedem Netz, um die Tiere zu befreien. Auch würden keine Beweise für Bestechungsgelder vorliegen. Das entsprechende Beobachterprogramm gelte als eines der strengsten weltweit.
Der Film suggeriere zudem, der MSC würde mehr Fischereien aufnehmen, um seine Einnahmen zu erhöhen. Das sei völlig falsch. Der MSC sei eine Non-Profit-Organisation und erziele keine Einnahmen aus der Zertifizierung.