Die Banken und die Six ziehen am gleichen Strick, möchte man meinen. Die Six ist die Schweizer Börsen- und Finanzinfrastrukturbetreiberin. Sie gehört den 120 Banken im Land, welche die Börse selbst nutzen. Seit auch die Credit Suisse der UBS gehört, besitzt letztere allein 34 Prozent aller Six-Anteile.
Das Unternehmen mit seinen rund 4000 Angestellten ist ein grosser Brocken, vor allem, wenn das Geschäft nicht so läuft, wie es sollte: Im vergangenen Jahr musste die UBS eine Wertberichtigung in Höhe von 508 Millionen Dollar vornehmen, weil die Six durch eigene Wertberichtigungen in Milliardenhöhe tief in die Verlustzone geraten war.
So existenziell wie der letztjährige Milliardenverlust der Six vermuten lassen könnte, sind die Probleme der Firma zwar nicht, aber bedeutend sind sie allemal. An den Börsen herrscht Umsatzflaute und der zur Schweizer Firma gehörenden spanischen Börsenbetreiberin Bolsas y Mercados Españoles (BME) entgehen dadurch wichtige Einnahmen. Auch die in der Schweiz zunehmend in Gang kommende Integration der Credit Suisse in die UBS wird bei Six zu schmerzhaften Umsatzeinbussen führen.
Doch auf bedingungslose Loyalität der Eigentümer kann das Gemeinschaftsunternehmen der Banken nicht zählen. Diese bauen - wenn es passt - eigene Börsenplattformen, damit die Preise beim Ex-Monopolisten Six weiter sinken müssen. Sie schauten den intensiven Bemühungen ihres Unternehmens um die Etablierung eines mobilen Zahlungssystems lange und mit wenig Begeisterung zu, bis deren selbst entwickeltes System Paymit für mobiles Bezahlen schliesslich in dem von der Post lancierten Twint aufging.
Gewiss, Twint ist ungemein erfolgreich und nützt so nicht zuletzt auch den Banken. Das belegen sowohl die Höhe der Gebühren als auch der grosse Marktanteil von Twint beim mobilen Bezahlen. Doch der zentrale Beitrag von Six respektive von Paymit an die vielleicht wichtigste Twint-Funktion, das direkte Bezahlen von Nutzer zu Nutzer (Peer-to-Peer), ist nicht nur im breiten Publikum, sondern vermutlich längst auch in den Banken in Vergessenheit geraten.
Six ist das nützliche Vehikel, das die technologisch notorisch rückständigen Banken schon öfters weitergebracht hat. Im Zweifel wird das faktische Softwareunternehmen aber im Eignerkreis aber noch immer als lästiger Kostenfaktor wahrgenommen. Die Six klemmt in einer ungemütlichen Sandwich-Position zwischen Eigentümern und freiem Wettbewerb.
Das zeigt sich gerade jetzt an dem noch im Hintergrund ablaufenden Gerangel zwischen Post und Six um die Gesamtverantwortung für die Geldautomateninfrastruktur in der Schweiz. Die Bargeldnutzung im Alltag ist seit der Pandemie stark rückläufig und so verhält es sich auch mit den Geldautomaten. Doch ganz auf Bargeld verzichten mag niemand. Die Infrastruktur zur Verteilung der Noten muss deshalb in einer Form erhalten werden, dass ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist.
Dafür ist Six die «logische Partnerin» der Banken, sagt deren Sprecher auf Anfrage von CH Media. Man sei «seit vielen Jahren» an dem Thema dran, habe für eine Vereinheitlichung der Automatensoftware gesorgt, ein Pilotprojekt mit generischen Automaten unter dem Namen Six gestartet und jüngst mit der Baloise Bank «bereits eine erste Kundin» für das vollständige Outsourcing der Automateninfrastruktur an Six gefunden.
Bereits? Die Vereinheitlichung der Automatensoftware hat Six schon vor vier Jahren abgeschlossen und die Idee, dass die Banken ihre Automaten ganz der Obhut von Six anvertrauen, um dieser die Entwicklung einer optimalen und kostensparenden Gesamtinfrastruktur zu überlassen, ist noch viel älter. Vor dem Hintergrund dieses grossen und langjährigen Aufwandes wirkt die Kooperation zwischen Six und der Baloise Bank eher wie ein Berg, der eine Maus geboren hat.
Nun aber will die Six endlich vorwärtsmachen. Auf einer Konferenz Mitte September soll die Branche das ATM-Pooling, also das Outsourcing der Geldautomaten an die Six, thematisieren. «Alles ist dabei», freut sich der Six-Sprecher: Grossbanken, Kantonalbanken und mittlere und kleinere Banken. Die Six könnte den Infrastrukturauftrag mit zusätzlichen Einnahmen gut gebrauchen. Aber dass es auf dem Anlass im September zum grossen Durchbruch kommen wird, ist eher unwahrscheinlich.
Daran hat nicht zuletzt die Post ihren Anteil. Diese grast unverhohlen auf der grünen Weide der Banken und weibelt bei für ihren eigenen «Plan zur Rettung des Bargelds». Poststellenchef Thomas Baur, der demnächst auch die operative Verantwortung für das Bargeld-Handling und die Postomaten von der Postfinance erhalten soll, will alle Post- und Bancomaten innerhalb der Post in einem einzigen Netz vereinen. Die Post wäre seiner Ansicht nach «prädestiniert» für diese Aufgabe, wie er im Mai im Gespräch mit CH Media sagte. Baur spricht seit einigen Monaten überall im Land mit Bankchefs über seine Idee. «Pooling ist definitiv ein Thema bei den angesprochenen Banken und unsere Lösung stösst auf Interesse. Wir bemerken auch, dass es Bewegung im Markt ausgelöst hat», sagt eine Post-Sprecherin auf Anfrage.
Baurs Chancen, die Six auszustechen, stehen gar nicht schlecht. Die Post kommt mit ihren 800 Postomaten so gross daher wie die grössten Banken. Das Potenzial für kostensparende Skaleneffekte kommt bei dieser Grösse rasch und wirkungsvoll zum Tragen. Dort, wo die Bereitschaft der Banken zum Outsourcing überhaupt vorhanden ist, könnte eine Post-Lösung deshalb durchaus Chancen haben. Für die Six, die in ihrem Geschäftsbereich Banking Services unbedingt mehr Einnahmen benötigt, wäre das eine bittere Erfahrung. Mindestens rhetorisch zeigt sich die Post schon reichlich selbstsicher: «Wir begrüssen es, wenn sich auch andere Marktteilnehmer für das Bargeld in der Schweiz aktiv einsetzen.»
Aber die Post hat mehr als nur das Bargeld im Sinn. Dem Gelben Riesen schwebt vor, das gesamte Schalter- und Bargeldgeschäft von den Banken zu übernehmen. Darüber hatte die «Handelszeitung» schon vor einem Jahr berichtet. Einzahlung und Auszahlungen am Schalter und überhaupt alles, was die Post längst für die Postfinance erledige, könne sie auch für die Banken tun, liess sich die Zeitung von einer Pressesprecherin erklären. Das Geschäftsmodell wurde von Post-Manager Simon Treichler auch gleich noch an der Bankentagung der Hochschule Luzern vorgestellt.
Post und Six kämpfen unter unterschiedlichen Bedingungen für das gleiche Ziel: Mehr Geschäft, mehr Auslastung der bestehenden Infrastruktur, eine gesicherte Zukunft. Beide wissen, dass für die umworbenen Banken primär kostengünstige Lösungen zählen. Dass durch ein Pooling der Geldautomaten ein effizienteres Bargeldsystem entstehen kann, ist wahrhaftig keine gewagte Prognose. Der für die Konsumenten kostspielige Gebührenschacher bei Geldbezügen aus Fremdautomaten liesse sich durch die Konzentration auf einen einzigen Anbieter leicht beseitigen.
Unklar ist aber, wie viel von diesem Effizienzgewinnen schliesslich bei den Konsumenten ankommen würde. Der Six-Sprecher bleibt bei dem Thema unverbindlich: Die Gespräche über eine ATM-Pooling-Initiative mit den Banken seien «intensiv», «deren Ausgestaltung aber noch nicht finalisiert». Da tönt es bei der Post schon etwas konkreter: «Wir sind bestrebt, mit dem Pooling ein konsequentes Kostenmanagement zu betreiben. Sollten sich die angestrebten Synergien bestätigen, würde sich die Gebührenfrage erübrigen. » (aargauerzeitung.ch)
"...Unklar ist aber, wie viel von diesem Effizienzgewinnen schliesslich bei den Konsumenten ankommen würde..."
Also für mich ist da schon klar, wieviel beim Kunden ankommen wird.
In der Tendenz, sicherlich weniger, wie im Vorfeld versprochen.