Die Gegner der Konzernverantwortungsinitiative bezeichnen deren Anliegen zwar als berechtigt, halten das Volksbegehren aber für zu extrem. Parteigrössen von SVP, FDP, CVP und GLP warben am Mittwoch für den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments.
Volk und Stände werden am 29. November über die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» entscheiden. Sie fordert, dass globale Konzerne mit Sitz in der Schweiz einem zwingenden Regelwerk unterstellt sind, wenn es um die Beachtung von Menschenrechten und Umweltschutz bei ihren weltweiten Tätigkeiten geht.
Herzstück der Initiative ist die Sorgfaltsprüfungspflicht, die neu eingeführt werden soll. Kommt ein Schweizer Konzern dieser Pflicht nicht nach, soll er auch für allfällige Schäden haften, die seine Tochterfirmen im Ausland verursacht haben.
Diese Haftungsregel ist den Gegnern der Initiative ein Dorn im Auge. «Sie ist schlicht nicht umsetzbar», kritisierte CVP-Präsident und -Nationalrat Gerhard Pfister (ZG) am Mittwoch vor den Medien. Wenn Schweizer Richter aus der ganzen Welt nach Schweizer Recht urteilen müssten, «wäre das ein Eingriff in die Souveränität und Rechtsstaatlichkeit anderer Nationen, die international nicht goutiert würde», sagte er.
Die Gegner kritisieren zudem den Paradigmenwechsel bei der zivilrechtlichen Haftung, wie sie in der Initiative vorgeschlagen werde: Die Unternehmen müssten fortan ihre Unschuld beweisen. «Das birgt ein hohes Schadenpotenzial für all unsere Unternehmen», sagte FDP-Präsidentin und -Nationalrätin Petra Gössi (SZ).
Auch KMU seien von den Folgen der Initiative betroffen. Einerseits seien die Vorgaben für sie nicht ohne Wettbewerbsnachteile zu erfüllen. Andererseits litten sie unter der allgemeinen Verschlechterung der Wirtschaftslage, welche die Initiative mit sich bringen würde. Der internationale Alleingang der Schweiz sei gefährlich.
Auch der SVP-Präsident und Tessiner Ständerat Marco Chiesa sieht nur Nachteile der Initiative. Bei einem Ja zur Initiative käme der Schweiz die Rolle als «Weltpolizist» zu, sagte er. «Wie würden wir reagieren, wenn ein Land uns vorschreiben wollte, wie wir unsere eigenen Angelegenheiten zu regeln haben?», sagte er.
Das Volksbegehren stelle Schweizer Recht und Schweizer Gerichte über das Rechtssystem aller ausländischen Staaten. Die Initiative führe auch dazu, dass weltweit jeder gratis gegen Unternehmen in der Schweiz klagen könnte. Das sei «ein Eldorado für ausländische Klageanwälte», sagte Chiesa.
Die Waadtländer GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley bezeichnete die Initiative als trügerisch, weil sie auf bestehende Missstände hinweise, aber die falschen Antworten liefere. «Wir lösen die Probleme in Afrika nicht mit einer Abstimmung in der Schweiz», sagte sie – und erwähnte, dass etwa in Burkina Faso Kinder auf dem Feld arbeiteten, weil sie nicht zur Schule gehen könnten. «Die Initiative soll nur unser Gewissen beruhigen.»
Der von den eidgenössischen Räten im Juni verabschiedete indirekte Gegenvorschlag, der bei einem Nein automatisch in Kraft tritt, ist laut der bürgerlichen Mehrheit im Parlament der richtige Weg. Er setze auf Transparenz statt auf Rechtsstreit, sagte Pfister. Er mache die Schweiz weltweit zum Vorreiter in Sachen Unternehmensverantwortung und schaffe mehr Verbindlichkeit mit neuen Pflichten, Bussen und Strafbestimmungen für Unternehmen.
Das Gesetz verzichtet auf neue Haftungsregelungen, beinhaltet aber eine Berichterstattungspflicht sowie eine Sorgfaltsprüfungspflicht in Sachen Kinderarbeit und Konfliktmineralien. Der Bundesrat hatte die Vorlage ausgearbeitet. Den Initianten geht diese deutlich zu wenig weit. In der Schlussabstimmung wurde der indirekte Gegenvorschlag nur knapp verabschiedet – im Nationalrat mit 98 zu 88 Stimmen bei 12 Enthaltungen. (sda)
Warum soll das bei Firmen anders sein?