Im Zusammenhang mit dem illegalen Verkauf von WM-Tickets in grossem Stil hat die Polizei in Rio de Janeiro einen Topmanager des Fifa-Vertragspartners und Schweizer Unternehmens «Match Services» festgenommen. Dabei handelt es sich um Raymond Whelan, wie die Polizei laut den Nachrichtenagenturen dpa und AFP bestätigte.
Der 64-jährige Brite sei in einer Suite des Luxus-Hotels Copacabana Palace an der Avenida Atlântica direkt am Copacabana-Strand festgenommen worden. Ihm wird laut Polizei vorgeworfen, der Hauptverantwortliche für das illegale Verkaufssystem zu sein.
Der vorläufige Haftbefehl wurde im Rahmen der Operation «Jules Rimet» ausgeführt. Grundlage sei Artikel 41-G der brasilianischen Fan-Statuten. Der ahndet die Weitergabe von Eintrittskarten, die dann zu einem höheren Preis als dem aufgedruckten verkauft werden.
In Whelans Zimmer wurden den Polizei-Angaben zufolge 82 Tickets für WM-Spiele, ein Computer, ein Handy und Dokumente beschlagnahmt. Im Copacabana Palace sind FIFA-Top-Funktionäre, unter ihnen auch FIFA-Chef Joseph Blatter, untergebracht. Match Services arbeitet im Auftrag der FIFA. Der Vertrag mit dem Weltverband läuft aber Ende 2014 aus.
Vor einer Woche war die Tickethändlerbande aufgeflogen, elf Personen wurden festgenommen. Nun kam die Polizei Whelan durch die Auswertung von Telefondaten auf die Spur, nachdem die Fifa der Untersuchungsbehörde eine Liste mit all ihren Telefonnummern übergeben hatte.
Fifa-Sprecherin Delia Fischer erklärte, der Fussball-Weltverband werde auch weiter voll mit den lokalen Behörden kooperieren und alle Details zur Verfügung stellen, um die Ermittlungen zu unterstützen.
Zuvor hatte der Hospitality-Partner der Fifa, der für den Verkauf von 290'000 Ticket-Paketen verantwortlich war, die Namen von drei weiteren ins Fadenkreuz geratenen Käuferfirmen veröffentlicht. Sie hatten insgesamt 694 Karten im Wert von rund 2,2 Millionen Franken erstanden. Davon seien 61 Tickets im Zuge der Untersuchungen im Fundus des verhafteten Schwarzmarkt-Dealers Mohamadou Lamine Fofana aufgetaucht.
Ob oder wie viele weitere Karten im Verlauf der WM bereits unter dem Ladentisch den Besitzer gewechselt hatten, ist nicht bekannt. «Bis zu weiteren Untersuchungen werden die Pakete von Reliance Industries Limited, Jet Set Sports und Pamodzi geblockt», schrieb Fifa-Partner Match Hospitality in einer Stellungnahme.
Sollten die «genannten Firmen» nicht vollumfänglich mit den Ermittlern zusammenarbeiten, werde Match Hospitality auch deren «Tickets für das Halbfinale und Finale canceln», hiess es. Die 105 von dem Fofana-Unternehmen Atlanta Sportif Management angekauften Pakete im Wert von rund 110'000 Franken seien ohnehin alle entwertet worden.
Am Sonntag hatte der TV-Sender Globo berichtet, Fofana habe in den vergangenen zwei Monaten insgesamt 900 Anrufe auf ein offizielles Fifa-Handy getätigt. «Die Fifa arbeitet mit den Behörden zusammen, um die Aktivitäten der Tickethändler zu unterbinden. Wir haben schon die Liste mit den Fifa-Telefonnummern weitergegeben», hatte Fifa-Sprecherin Delia Fischer am Montag gesagt.
In der Globo-Sendung «Fantástico» wurden zudem Ausschnitte aus den abgehörten Telefonaten vorgespielt. In einem sagt Fofana: «Wer hat 50 Karten für das Finale in der Hand? Niemand? Okay. Ich habe sie, ich habe sie.» Der Globo-Bericht zeigte zudem den Versuch, einen der verantwortlichen Ermittler mit Geld und WM-Tickets zu bestechen.
«Fantástico» filmte auch ein Notizbuch, in der die Ticketverkäufe mit Summen festgehalten worden waren. Demnach setzte Fofana, der vor einer Woche wegen Schwarzmarkt-Tickethandels gemeinsam mit zehn weiteren Personen verhaftet worden war, in der Vorrunde 112 Karten für umgerechnet rund 368'000 Franken um. Für das Finale besass er 25 VIP-Karten, die ihm einen Stückpreis von 21'000 Franken einbringen sollte.
«Es gibt einen innerhalb der Fifa der in die Sache verwickelt ist, sonst käme er (Fofana, d. Red.) nicht an diese grosse Zahl an Tickets», hatte Staatsanwalt Marcos Kac damals bereits gemutmasst. Die Festnahme am Montag brachte nun ein wenig Licht ins Dunkel. (pma/luk/buc/sid/dpa/AFP)