In diesen Tagen treffen sich die Zentralbanker zu ihrem jährlichen Meeting in Jackson Hole. Was erwarten Sie?
Die Geldpolitik der Zentralbanken ist nicht mein Kernthema, ich befasse mich mehr mit einzelnen Unternehmen. Generell kann man man feststellen, dass die Zentralbanken angesichts der Coronakrise keine andere Wahl haben, als die Märkte mit ihrer Geldpolitik weiter zu stützen.
Mit ihrer «Free-Money-Politik» ist es den Zentralbanken gelungen, den Schock vom März aufzufangen und die Märkte zu beruhigen. Wird dies auch möglich sein, wenn die viel beschworene zweite Welle eintreffen sollte?
Ich verstehe die Diskussion um diese zweite Welle nicht. Für mein Empfinden befinden wir uns immer noch in der ersten. Der Einfluss dieser Welle zeigt sich ja bereits in den Gewinneinbrüchen der Unternehmen. Dagegen sind auch die Zentralbanken letztlich machtlos.
Die Finanzmärkte wollen dies offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen und befinden sich auf neuen Rekordständen.
Wahrscheinlich müssen wir mit einer Korrektur der Märkte rechnen. Aber, wie erwähnt, das ist nicht mein Thema.
Wenden wir uns Ihrem Thema zu, Impact-Investing. Wie unterscheidet es sich von ESG, dem trendigen Label für Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen?
Es ist entscheidend, den Unterschied zwischen ESG und Impact-Investing zu verstehen. ESG hat nichts mit nachhaltigem Investieren zu tun. ESG beurteilt bloss das Verhalten der Unternehmen. Sind sie gut zu ihren Mitarbeitern, ihren Lieferanten, etc. Umweltbewusstsein ist nur eines von drei Kriterien. ESG bezieht sich jedoch nicht auf das Business-Modell eines Unternehmens. Deshalb können sogar Erdölkonzerne ein gutes ESG-Rating erhalten.
Was hat man unter Impact-Investing zu verstehen?
Wir suchen und finden Unternehmen, deren Produkte einen direkten Einfluss auf nachhaltige Ziele haben, deren Technologien sich unmittelbar auf die Umwelt auswirken.
Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Der Windradhersteller Vestas beispielsweise, oder Tesla.
Sie würden also niemals in ein Unternehmen wie Shell investieren, selbst wenn es ein hohes ESG-Rating hat?
Richtig. Faires Verhalten ist zwar wichtig, es reicht jedoch nicht.
In welche Unternehmen würden Sie ebenfalls niemals investieren?
Minen aller Art, Hersteller von Dünger und Pestiziden, Palmöl-Produzenten, Verbrennungsmotoren-Hersteller.
Da bleiben nicht allzu viele übrig.
Leider. Weltweit sind rund 5000 liquide Aktien an verschiedenen Börsen kotiert. Bloss etwa 250 davon erfüllen die Kriterien für unser Impact-Investing.
Wenn bloss ein Bruchteil der Unternehmen die Kriterien für Nachhaltigkeit erfüllen, ist das nicht der Beweis, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, unsere Wirtschaft ökologisch umzubauen?
Allein kann der Kapitalismus tatsächlich unsere Umweltprobleme nicht lösen. Wenn wir diese meines Erachtens dringlichen Probleme in den Griff bekommen wollen, braucht es die Zusammenarbeit aller. Die Menschen müssen ihr Verhalten ändern. Die Finanzmärkte müssen Kapital in grüne Technologien leiten. Es braucht dazu eine globale Bewegung. Zum Glück gibt es Anzeichen, dass diese Bewegung im Begriff ist, Fahrt aufzunehmen. Impact-Investing ist ein Teil davon.
Es gibt auch verschiedene Milliardäre, welche auf Ökologie setzen. Bill Gates, beispielsweise. Was ist davon zu halten?
Ich finde es eine gute Sache. Investitionen sind vor allem zu Beginn in der Regel riskant. Milliardäre können diese Risiken verkraften. Deshalb können sie viele sinnvolle Projekte anstossen. Auch Stiftungen und staatliche Entwicklungsfonds übernehmen diese Rolle. Sie bereiten oft das Terrain für Impact-Investing vor. Entwicklungsprojekte sind wirkungsvoller als direkte Hilfe, obwohl diese manchmal auch nötig ist. Mit diesen Projekten werden in den armen Ländern dringend benötigte Jobs geschaffen.
Welche Rolle spielt der Staat dabei?
Eine entscheidende. Gerade in den Entwicklungsländern ist das politische Risiko für private Investoren viel zu hoch. Es ist jedoch sehr wichtig, dass die privaten Investoren mittels eines sinnvollen Impact-Investing die Arbeit der Entwicklungsfonds weiterführen.
Welche Rolle kann ein ökologisch bewusster Kleininvestor spielen?
Wir legen Fonds auf, an denen Sie sich bereits mit 1000 Franken beteiligen können. Dabei wollen wir nicht nur ihr Gewissen beruhigen, sondern auch ihr Portemonnaie. Unser Ziel ist es, die gleiche Rendite zu erzielen wie der Durchschnitt des Marktes und gleichzeitig einen Impact zu erzielen.
Gibt es noch weitere Möglichkeiten?
Ja, Sie können Druck auf ihre Pensionskasse ausüben und diese in Richtung Impact-Investing schubsen. Und Sie können auch Druck auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) ausüben.
Auf die Nationalbank? Die SNB legt doch grossen Wert darauf, unabhängig zu sein.
Sie ist auch eine ganz wichtige Investorin. Derzeit ist die SNB eine der grössten Investoren im Erdölbereich. Warum verwendet sie nicht zumindest einen Teil dieses Geldes für Impact-Lösungen?
Sie glauben, die SNB müsste vermehrt grün investieren?
Oh ja, definitiv. Weltweit ist der Anteil ökologischer Investitionen immer noch viel zu klein.
Die SNB hat sich bereits verpflichtet, ESG-Richtlinien zu befolgen.
Schön, aber ESG hat keine ökologische Wirkung. Die ESG-Richtlinien sind auch nicht dafür geschaffen worden. Mir ist es wichtig, diesen weit verbreiteten Irrtum aufzuklären. Sicherlich könnte die SNB deutlich mehr in Richtung Impact-Investing machen.
Die SNB will mit ihrer Geldpolitik nicht die konventionelle Politik beeinflussen, lautet der Einwand dagegen.
Aber wenn sie beispielsweise Aktien von Exxon kauft, dann tut sie genau dies. Zudem gilt auch für die SNB: Wenn sie entscheidet, nicht zu entscheiden, dann ist dies ebenfalls eine Entscheidung.
Derzeit gibt es rund 250 Unternehmen, die ihre Kriterien erfüllen. Wird sich diese Zahl massiv erhöhen?
Ich denke schon. Der Trend geht ganz klar in Richtung Ökologie. Denken Sie etwa an den Aufschwung der Elektroautos.
Wird die Coronakrise diesen Trend verstärken oder bremsen?
Die Coronakrise hat auf jeden Fall gezeigt, dass die Umweltzerstörung nicht Schicksal sein muss. Plötzlich gab es wieder Fische in Venedig oder einen smogfreien Himmel über Neu Dehli. Die Menschen werden vielleicht ein bisschen bewusster. Das wird auch einen positiven Einfluss auf das Impact-Investing haben.
raues Endoplasmatisches Retikulum
chrissy_dieb
1 Kapitalismus gleichsetzen mit kotierten Unternehmen. Sie können auch in Wertpapiere investieren, die nicht an der Börse gehandelt werden
2 Minenhysterie: Glauben Sie mir, Sie bauen keine Batterien oder Turbinen ohne bestimmte seltene Erden oder Alkalisalze
3. Die SNB als Investorin darzustellen. Zentralbanken akzeptieren Wertschriften als Sicherheiten. Aber sie investieren nicht in Geschäftsmodelle
4. Behüte uns, dass sowohl Privatanleger, die SNB und die Pensionskassen nur noch 250 Aktien halte
Denk nach
Alle in eine Branche investieren und nur 250 mögliche investments? Die nächste Blase lässt dann Grüssen, lieber nicht!