Die angesehene konservative spanische Zeitung «El Comerico» veröffentlichte den Spielbericht der letzten WM-Vorrunden-Partie Deutschland gegen Österreich (1:0) nicht im Sportteil, sondern bei den Polizeimeldungen.
Sie schrieb von einem mutmasslichen Betrugsfall, bei dem 40'000 Menschen um jeweils rund 12'000 Peseten geschädigt worden seien. Der Tat dringend verdächtigt werden ein deutscher Staatsbürger namens Jupp Derwall und weitere Deutsche, die namentlich aufgeführt werden. Ebenso stehe eine österreichische Bande unter Verdacht.
Horst Hrubesch bringt Deutschland bereits in der zehnten Minute 1:0 in Führung. Das 1:0 reicht den Deutschen zum Weiterkommen – sie brauchen einen Sieg – und den Österreichern ebenso. Sie durften bloss nicht mit mehr als zwei Toren Differenz verlieren. In der Mitte der ersten Halbzeit stellen beide Mannschaften das Fussballspielen daher ein. Damit bleibt Algerien, das Deutschland sensationell 2:1 besiegt hatte, bei Punktgleichheit auf der Strecke.
Die Zuschauer hatten den «Nichtangriffspakt» der beiden Teams natürlich sofort durchschaut. Bereits zur Halbzeit verabschiedeten sie beide Mannschaften mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine. Als in der zweiten Halbzeit auch nichts passierte, skandierten die Fans «Raus! Raus!» und wedelten mit weissen Taschentüchern. So wird in Spanien beim Stierkampf ein Matador als Feigling verhöhnt. Die Statistiker haben notiert, dass es nach der 56. Minute keinen einzigen Angriffsversuch mehr gegeben hat.
Die Deutschen wiesen den Verdacht der Absprache empört von sich. «Das ist eine Beleidigung», erregte sich Bundestrainer Jupp Derwall. Er hatte wohl recht. Eine Absprache erübrigte sich. Der Nichtangriffspakt ergab sich automatisch aus der Interessenlage beider Teams. «Wir wären dumm gewesen, wenn wir nicht vorsichtig gespielt hätten. Die Österreicher wären dumm gewesen, wenn sie nicht vorsichtig gespielt hätten.» Am Ende spielten beide so vorsichtig, dass sie gar nicht mehr spielten.
Einen ganz besonders bitteren Nachgeschmack haben die Aussagen der Spieler hinterlassen. «Ich kann mich um die Reaktion der Zuschauer nicht kümmern», erklärte Wolfgang Dremmler. «Das ist das Risiko der Leute, wenn sie hierher fliegen zum Spiel.» Uli Stielike suchte den Fehler gar beim Publikum. «Pfiffe motivieren nicht.» Und Uwe Reinders bestritt gar jedes Interesse an den Vorgängen. «Was interessiert mich das, wenn Tante Frieda zu Hause Zirkus macht.»
Die angesehene «Süddeutsche Zeitung» registrierte bei den deutschen Spielern das Verhalten «schlecht erzogener, unreifer Halbwüchsiger». Sie hätten sich «benommen wie Flegel und die Geprellten verhöhnt.» Statt sich schlicht zu schämen, trieben sie den Zynismus auf die Spitze mit der Aussage, sie seien schliesslich Profis und da gehe es ums Geld.
Die Reaktionen der internationalen Presse waren vernichtend. «Ein schmutziges Stück Fussball-Porno, das in die Geschichte eingehen wird», schrieb der holländische «Telegraaf». Das Ansehen des deutschen Fussballs litt viele Jahre unter diesem Skandal. Der Einspruch Algeriens wurde von der FIFA erstens «wegen Formfehlern» und zweitens «aus Mangel an Beweisen» abgelehnt.
Bundestrainer Jupp Derwall war schliesslich ganz zufrieden: «Ich will kein Lob, wenn wir Mist gespielt haben. Aber ich fühle mich wirklich besser, als wenn wir ausgeschieden wären.» Deutschland erreichte das Endspiel und verlor gegen Italien 1:3. Österreich schied nach einem 0:1 gegen Frankreich und einem 2:2 gegen Nordirland in der Finalrunde aus.