Roboter und künstliche Intelligenz waren das beherrschende Medienthema über Neujahr. Die Experten waren sich dabei einig.«Nichts wird so bleiben, wie es war», erklärt Dirk Helbling, Komplexitätsforscher der ETH Zürich in der «SonntagsZeitung» und fährt fort: «In den meisten europäischen Ländern werden circa 50 Prozent der Arbeitsplätze verloren gehen.»
In der «Aargauer Zeitung» gibt uns derweil Karin Frick, Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut, folgenden Tipp: «Sie sollten sich fragen, ob Ihre Arbeit bald ein Roboter ausführen kann.»
Auch die international führenden Publikationen kommen zu den gleichen Schlüssen: «Die Investoren stürzen sich auf die künstliche Intelligenz», meldet die «Financial Times». In der «New York Times» stellt der Starkolumnist Thomas Friedman fest, die Welt ändere sich nicht nur sehr rasch, sondern sie werde gar «dramatisch umgestaltet». Dem «Economist» schliesslich war der durch Roboter und künstliche Intelligenz eingeleitete Wandel des Arbeitsplatzes eine Titelstory wert.
Leistungsfähigere Computer, ein smartes Internet und intelligente Apps werden die Arbeitswelt gründlich umpflügen. Die Idee eines festen Arbeitsplatzes ist überholt, die Vorstellung, sein Arbeitsleben in der gleichen Firma zu verbringen, ist geradezu absurd geworden. Selbst das Unternehmenskonzept wird in Frage gestellt.
«Grossunternehmen sind ein Konstrukt des letzten Jahrhunderts», erklärt Trendforscherin Frick. «In Zukunft wird man kaum mehr eine andere Wahl haben, als zum Unternehmer zu werden, der selber kreativ ist und sich mit anderen Unternehmern vernetzt.»
Nicht nur beim umstrittenen Taxidienst Uber und beim Wohnungsvermittler AirBnB ist die schöne neue Arbeitswelt heute schon eine Realität. «Klicken Sie auf die App von Medicast, und spätestens in zwei Stunden wird ein Doktor bei Ihnen an die Tür klopfen», schreibt der «Economist». «Brauchen Sie einen Anwalt oder einen Berater? Axiom vermittelt Ihnen das eine, Eden McCullam das andere. Andere Firmen bieten freie Mitarbeiter an, die Ihnen Forschungs- und Entwicklungsprobleme lösen oder Werbeideen einbringen.»
Diese neue Wirtschaftsordnung wird wahlweise «Sharing Economy» oder «On Demand Economy» genannt. Sie stellt unsere Vorstellungen von einer Karriere auf den Kopf. Man klettert nicht Jahr für Jahr eine Leiter herauf, um schliesslich möglichst weit oben anzukommen. Stattdessen erwartet uns eine wilde Karriere-Achterbahn, wo wir manchmal Chef und manchmal Handlanger sein werden, wo wir gelegentlich sehr viel, gelegentlich wenig und gelegentlich gar nichts verdienen werden.
Eine Karriere in einem Grossunternehmen ist mühsam und oft demütigend, nicht von ungefähr spricht man von einem «Rattenrennen». Als selbstständige Unternehmer sind wir davon befreit, aber leider auch ungeschützt. Wer ist für unsere Pensionskasse zuständig? Wie werden AHV, Unfall- und Arbeitslosenversicherung geregelt? Auf diese Frage gibt es bisher keine überzeugenden Antworten. Deshalb stossen Uber & Co. weltweit auf Misstrauen, Ablehnung oder gar Verbote.
Dabei ist es ein Grund zur Freude, wenn Roboter und künstliche Intelligenz uns mühsame Jobs und langweilige Routinearbeiten abnehmen; und kaum jemand wird den Mief von Grossraumbüros oder die eintönige Routine am Förderband vermissen. Doch wenn sie mit einer unsicheren Zukunft und Absturzängsten erkauft werden muss, dann verliert die Freiheit des selbstständigen Unternehmers rasch an Glanz.
Ob Sharing- oder On-Demand-Economy, die sich anbahnende Wirtschaftsordnung wird nur dann funktionieren, wenn sie mit einem bedingungslosen Grundeinkommen abgesichert wird. Will heissen: Jeder Mensch, ob Frau oder Mann, ob Kind oder Rentner, erhält automatisch einen Betrag, der ihm ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
Das Grundeinkommen ist so gesehen keine Illusion weltfremder Romantiker, sondern die Voraussetzung für eine neue Arbeitswelt, eine Arbeitswelt, in der Menschen dank Robotern und künstlicher Intelligenz humaner arbeiten können, aber nur dann, wenn sie auch sozial abgesichert sind.
Im übrigen bezahle ich heute als selbständiger Unternehmer wohl für die Arbeitslosenversicherung - wenn ich arbeitslos bin, erhalte ich allerdings keinen Rappen. Das wäre vielleicht dringender einen Artikel wert.