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Schweizer Viersprachigkeit war gestern – Manager mögen's Englisch

Schweizer Viersprachigkeit war gestern – Manager mögen's Englisch

Es klingt gut und auch kompliziert, doch oft steckt nicht viel dahinter. Wir bieten eine kleine Übersetzungshilfe.
30.07.2022, 09:37
Florence Vuichard / ch media
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English please! Manager mögens einsprachig.
English please! Manager mögens einsprachig.Bild: shutterstock

Jetzt werden sie wieder geschwungen, die 1.-August-Reden, in allen vier Landessprachen. Die Mehrsprachigkeit, so ist auf der Homepage des Aussendepartements nachzulesen, sei «ein wesentlicher Aspekt der Identität der Schweiz». In der eidgenössischen Wirtschaftswelt hingegen, im international tätigen Grosskonzern ebenso wie im Kleinunternehmen gibt's mittlerweile eigentlich nur noch eine Sprache: Englisch. Oder was viele Führungskräfte für Englisch halten.

Ob bei internen Memos oder externen Präsentationen, ob beim Jobtitel oder dem neuesten Werbewundermittel: Ohne mindestens ein paar englische Worte geht es nicht. Wer mag denn heute noch Interessierte an eine Digitalisierungskonferenz einladen, wenn er sich auch an «Digital Movers and Shakers» wenden kann. Und wer will schon über die richtige Einstellung referieren, wenn man den Vortrag auch mit «Der Mindset muss passen, um agil zu sein» übertiteln kann.

Floskeln und Banalitäten, so muss man annehmen, klingen in Managerohren beeindruckender, wenn sie auch Englisch daherkommen. Wir bieten eine kleine Übersetzungshilfe.

  • 1. C-was-auch-immer-O
  • 2. Networking
  • 3. Linkedin
  • 4. Customer Journey und Experience
  • 5. Start-ups: Accelerator und Inkubator
  • 6. Lab
  • 7. Agil

C-was-auch-immer-O

Der Siegeszug der englischen Sprache lässt sich am offensichtlichsten bei den Jobbezeichnungen ablesen. Angefangen hat alles in den hiesigen Teppichetagen - Anfang der Nullerjahre. Immer häufiger liessen sich die Chefs der international tätigen Schweizer Grosskonzerne als Chief Executive Officer ansprechen - kurz: als CEO. Gut möglich, dass sie mit dem amerikanisch angehauchten Titeln auch ihre auf amerikanische Höhen angehobenen Gehälter rechtfertigen wollten. Heute haben hierzulande fast alle Firmen einen CEO - sogar binnenorientierte Unternehmen und Organisationen, die der öffentlichen Hand gehören, wie etwa der Stadtberner Energieversorger EWB oder das Kantonsspital Aarau.

Und der Chef ist bei weitem nicht der einzige mit englischem Titel: Der Vizechef wurde zum COO, der Finanzchef zum CFO, der Digitalchef zum CDO. Das Rezept ist einfach: Zwischen dem tonangebenden C und dem personenbezogenen O wird je nach Fachgebiet ein weiterer Buchstabe eingefügt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ein Filialleiter bei Mediamarkt ist heute ein Chief Customer Officer, und die Bank Alpian hat seit kurzem mit der Tennisspielerin Belinda Bencic und der Basejumperin Géraldine Fasnacht zwei ehrenamtliche CIO - zwei Chief Inspiration Officers.

Networking

büro job angestellte
Bild: shutterstock

Der gesellige Teil des Arbeitslebens ist in den Coronajahren eindeutig zu kurz gekommen. Nun finden sie wieder statt, die Branchentreffen und Tagungen, wo nach getaner Arbeit oder überstandener Vortragsreihe üblicherweise auch noch ein Apéro serviert wird. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen ja ohnehin nur wegen des sozialen Austausches her, sie nennen es Networking - was besser klingt als trinken und immerhin als Arbeit interpretiert werden kann, als Arbeit am eigenen Netzwerk.

Linkedin

Austausch gab's in den Pandemiezeiten praktisch nur noch virtuell in den sozialen Netzwerken - allen voran auf Linkedin, eine Art Facebook für die Geschäftsleute. Wer noch nicht dabei war, hat spätestens aus dem Homeoffice heraus ein Profil erstellt - so etwa Nestlé-Lenker Mark Schneider oder Kuoni-Chef Dieter Zümpel. Auch hier wird gerne auf Englisch parliert, der Hashtag - besser bekannt als # - um ein paar englische Schlagworte ergänzt. Das Profilbild lässt sich mit #Opentowork oder #Hiring aufhübschen - je nachdem, ob man selbst gerade auf Jobsuche ist oder in einer Firma arbeitet, die offene Stellen zu besetzen hat.

Inhaltlich geht es letztlich auch bei Linkedin vor allem darum, zu zeigen, wie toll man ist. Es ist aber auch die Plattform, auf der die Chefs sich gesellschaftspolitisch äussern und Stellung beziehen - etwa zum Ukraine-Krieg, zur Klimaerwärmung oder zur Abtreibungsfrage nach dem umstrittenen Urteil aus den USA. Heute sind es vor allem die amerikanischen Chefs, die Farbe bekennen. Aber wie jeder Trend aus den USA dürfte auch dieser die hiesigen Teppichetagen erfassen.

Customer Journey und Experience

Der Kunde ist König, hiess eine alte, nicht mehr ganz gendergerecht formulierte aber eigentlich inhaltlich noch immer ganz vernünftig klingende Maxime aus der Wirtschaftswelt. Denn glückliche Kundinnen und Kunden kaufen mehr ein und - fast noch wichtiger - kommen immer wieder vorbei. Unternehmen tun also gut daran, die Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu kennen - und sich auch deren Erfahrungen anzuhören. Klingt einfach, lässt sich aber schlecht ausschlachten.

Deshalb gibt es jetzt Workshop-Reihen ohne Ende, aber mit vielen bunten Post-its zum Thema Customer Journey respektive Experience, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie das gesamte Einkaufserlebnis oder der gesamte Dienstleistungsbezug nahtlos und zur vollsten Zufriedenheit gestaltet werden kann, um eine langfristige Kundenbindung aufzubauen. Profis auf dem Gebiet sprechen hier von einem «umfangreichen Prozess», den es zu meistern gebe. Andere würden vielleicht sagen: Etwas gesunder Menschenverstand würde es auch tun.

Start-ups: Accelerator und Inkubator

In der Welt der Start-ups, früher noch gut verständlich als Jungunternehmen bezeichnet, ist alles nur noch Englisch - wohl wegen ihrer hohen Affinität zum Digitalen und natürlich wegen der Nähe zur international vernetzten Hochschulwelt. Kein Wunder wollen jene, die von der Seitenlinie aus den besagten Start-ups mit Kapital und Rat zum Erfolg verhelfen wollen, hier mithalten: Sie bezeichnen sich deshalb gerne als Accelerators und Inkubatoren statt auf Deutsch als «Beschleuniger» oder Mitentwickler einer Geschäftsidee - oder schlicht und einfach als Investoren, wie es früher der Fall war.

Lab

Das Start-up-Ökosystem und insbesondere die Accelerator und Inkubatoren brauchen natürlich auch die entsprechende Umgebung, ein Labor. Oder besser gesagt: ein Lab. Und so gibt es etwa das Swiss Life Lab, das Venturelab oder das Lab der Grünliberalen. Und natürlich hat der Schweizer Trend-Turnschuhhersteller bereits ein On Labs. In diesen kreativen Orten soll, wie es der Name verspricht, Innovation vorangetrieben werden. Ob das dann auch klappt, ist freilich nicht gesichert.

Agil

Trotz lateinischen Ursprungs: Das ebenso bewegliche wie anpassungsfähige Trendwort enterte die hiesige Firmenwelt über Amerika, konkret über amerikanische Softwareentwickler, welche die starren, linearen Phasen bei der Entwicklung ihrer Produkte durch «agile working» ersetzten, eine Art Kreislauf mit ständigen Anpassungen. Heute ist alles agil: Die Credit Suisse will eine «fokussiertere, agilere Gruppe» werden, Deloitte verleiht die «Best Managed Companies Awards» an jene Unternehmen, die «höchst agil aufgestellt» sind, und die Hypothekarbank Lenzburg ist «heute als Unternehmen agiler als noch vor ein paar Jahren aufgestellt», wie Bankchefin Marianne Wildi jüngst festhielt. Wir merken uns: Das Wort passt immer - und macht sich immer gut, insbesondere wenn einem sonst gerade nicht besseres einfällt.

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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OrDa84
30.07.2022 11:22registriert August 2021
(1/2)
Sorry, aber der Artikel wirkt jetzt etwas gesucht.
Dass Eng. als "Einheitssprache" verwendet wird, liegt wohl daran, dass es (vermeintlich) einfacher ist, als für einen Deutsschweizer Französisch oder für einen Westschweizer Deutsch.
In mittleren und grösseren Unternehmen kommt noch hinzu, dass da halt unterdessen nicht nur Schweizer arbeiten und deshalb Englisch oftmals der kleinste gemeinsame Nenner ist.
Dass im De immer mehr unnötige Anglizismen verwendet werden, steht da auf einem anderen Blatt.
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Rethinking
30.07.2022 13:26registriert Oktober 2018
Schon vor 30 Jahren, als Schüler verstand ich nicht, warum wir französisch lernen mussten, die Welschen und Tessiner deutsch…

Jeder kann ein wenig die Sprache des anderen, aber beide halt nicht richtig…

Würden alle in der Schule Englisch lernen und eine Landessprache nur als Freifach, könnten wir wenigstens auf einem angemessenen Niveau miteinander und mit der Welt kommunizieren…

Beispiel Norwegen, Schweden, Holland. Die sprechen alle besser Englisch als wir…
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