Man stelle sich einmal vor, man steigt ein in eine enge Metallröhre, schnallt sich an seinem Sitz fest, beschleunigt innert Sekunden auf eine aberwitzige Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern und schiesst an der Seite seiner Mitreisenden durch eine Umgebung mit so geringem Luftdruck, dass keiner ausserhalb der Kapsel atmen könnte.
Eine komische Vorstellung – und doch dürften die meisten von uns das schon erlebt haben. Sogar mehrfach. Jedes Mal, wenn wir ein Flugzeug besteigen.
So gesehen, wirkt das neueste Projekt von Erfinder, Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk gar nicht mehr so weltfremd. Eine Kapsel mit Menschen drin rast irre schnell durch einen Raum mit wenig Luftwiderstand von einer Stadt zur nächsten. Der entscheidende Unterschied: Das Ganze passiert nicht in 10'000 Metern Höhe in einem Flugzeug, sondern ganz irdisch, in einer fast luftleeren Röhre am Boden.
Mit beinahe Schallgeschwindigkeit, nämlich mit gut 1200 Kilometern pro Stunde, schiessen die Passagiere durch den «Hyperloop». So nennt Musk seine Idee der menschlichen Rohrpost. Diese ist freilich nicht neu: Seit Jahrzehnten träumen Science-Fiction-Fans von solchen Transportkapseln. Doch jetzt wird es ernst.
Der Mann, der den Hyperloop baut, ist Deutscher. Im berühmten Silicon Valley, dem technologischen Herzen der Vereinigten Staaten zwischen San Francisco und Los Angeles, hat Dirk Ahlborn die Firma Hyperloop Transportation Technologies (HTT) gegründet.
Elon Musk hat HTT als eines von zwei Unternehmen mit dem Hyperloop-Bau beauftragt – auch das Ingenieurs-Unternehmen Aecom arbeitet daran.
Ein Transportmittel, das günstiger, schneller und sauberer ist als alles bisher Bekannte, das ist das Ziel. Musk selbst konzentriert sich derweil auf seine Elektroautos und Raketen.
Ahlborn wird wohl der Erste sein, der den Hyperloop tatsächlich umsetzt. Mit den Bauarbeiten in Quay Valley, einer grünen Modellstadt mit Freizeitparks, Hotels und komplett erneuerbarer Energieversorgung auf halber Strecke zwischen San Francisco und LA, will er noch in diesem Jahr beginnen. In zwei Jahren sollen die ersten Passagiere transportiert werden.
In dieser Woche war Ahlborn zu Besuch in Zürich. Am WorldWebForum, organisiert vom ehemaligen Profi-Triathleten Fabian Hediger und unterstützt von Firmen wie Swisscom, der Post und dem Versicherer Swiss Life, versammelte sich die Elite des Silicon Valley: Von den Vordenkern wie dem ehemaligen Apple-Chef John Sculley über die Umsetzer wie Ahlborn bis hin zu den Financiers.
Diese Trias ist wohl der Hauptgrund, warum Projekte wie der Hyperloop, selbstfahrende Autos und Mobilitäts-Dienste wie Uber keine Utopien mehr sind, sondern inzwischen Realität.
Als Sculley gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Steve Jobs den heutigen Weltkonzern Apple aufbaute, erfanden sie etwas völlig Neues: den Computer. Wettbewerb von etablierten Konzernen gab es nicht. Die Ingenieure im Silicon Valley waren praktisch konkurrenzlos.
Heute sieht das anders aus. Denn die IT-Spezialisten beschränken sich längst nicht mehr nur auf ihre Nische, sondern wildern in fremdem Terrain. Die Mobilität steht dabei ganz weit oben auf der Liste:
Apple und Google – die beiden wertvollsten Unternehmen der Welt – drängen in Gebiete, die einst Automobilhersteller für sich hatten. Es ist Ahlborn mit seinen Mitarbeitern, die zumindest in der frühen Phase mit Firmenanteilen statt mit Geld entlohnt werden, der den Hyperloop baut, und nicht etwa Bombardier, Alstom oder Airbus. Und das Zwei-Mann-Start-up Uber legt sich heute mit den Taxifahrern dieser Welt an.
Innerhalb weniger Jahre haben die Silicon-Valley-Start-ups unglaubliche Grössen erreicht. Zu verdanken haben sie dies der immer besser werdenden Technologie – und Leuten wie Kirsty Nathoo. Sie gehört zu den Financiers.
Als Partnerin bei Y Combinator finanziert sie Startups bereits in den ersten drei Monaten. «Wir investieren kleine Beträge in eine Vielzahl von Firmen», sagt sie am WorldWebForum, «manchmal bevor die Gründer überhaupt eine Firma sind».
In 99 Prozent der Fälle müsse man sich zwar vom Geld verabschieden. «Aber diese eine Idee kann das neue Facebook sein.» Nathoo weiss, wovon sie spricht: Ihr Unternehmen war massgeblich daran beteiligt, dass selbst die grössten Hotelketten heute vor dem Start-up Airbnb zittern.
Was Nathoo in Zürich nicht verschweigt: Zu dieser Art von Wirtschaft gehört ein enormes Risiko. Die Möglichkeiten seien jedoch gleichsam enorm – «besonders bei der Mobilität». Auf die Veränderungen in diesem Bereich freue sie sich am meisten.
Visionär und risikobereit waren sie im Silicon Valley schon immer. Die Möglichkeiten dank neuer Technologie sind jedoch so gross wie nie zuvor. Und ein Weiteres komme hinzu, sagt Ex-Apple-Chef Sculley: «Es war noch nie so viel Geld im Valley wie jetzt.» (aargauerzeitung.ch)