So mancher berauchte Brite wird sich beim Lesen der «Daily Mail» verwundert die roten Augen gerieben haben: «War Shakespeare HIGH, als er seine Werke schrieb?», fragt das Revolverblatt, und der geneigte Leser denkt sich: Das ist doch ein Schuss in den Ofen! Doch auch der deutlich seriösere «Independent» behauptet, der wohl grösste englische Schriftsteller habe Drogen konsumiert. Woher wollen die das wissen?
Die Medien berufen sich auf eine neue Untersuchung von Pfeifen aus alten Tagen: Sie haben 24 Rauchgeräte oder Fragmente davon unter die Lupe genommen und sie einer Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung unterzogen. Vereinfacht gesagt konnten die Forscher aus Südafrika auf diesem Wege noch die kleinsten Bestandteile erschnüffeln, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Rauch aufgegangen sind.
Und was hat das jetzt mit Shakespeare zu tun? Ganz einfach: Die Wissenschaftler haben die Pfeifen unter anderem von einer Stiftung bekommen, die sich um das Geburtshaus des Schriftstellers in dem Städtchen Stratford-upon-Avon kümmert. Die Leihgaben waren im Garten ausgegraben worden. Von den 24 Pfeifen wiesen acht Spuren von Marihuana auf – und die Hälfte von diesen stammen aus Shakespeares Garten.
Es war nicht die einzige Droge, die das Team um Professor Francis Thackery von der Universität Johannesburg nachweisen konnte. In zwei der Ton-Pfeifen entdeckten sie etwas, was damals das «Bilsenkraut aus Peru» genannt wurde: Es handelt sich um Cocablätter, dessen Kokain also schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Briten in Rausch versetzte. Zwei der 24 untersuchten Exemplare enthielten den Stoff.
Last but not least wurden Rückstände einer Tabaksorte namens Nicotania gefunden – ja, sie heisst wirklich so und von ihr leitet sich auch das Wort Nikotin ab. Sie wurde in Virginia und benachbarten Gebieten der USA angebaut und belegt den frühen Handel zwischen alter und neuer Welt. Das ist eigentlich auch nicht verwunderlich, denn zuvor hatten die europäischen Entdecker von dort auch schon Maispflanzen und die Kartoffel mitgebracht.
Coca- und Marihuanablätter fielen dagegen unter den Sammelbegriff «Tabak» – und sind übrigens mit einem weiteren prominenten Namen der britischen Geschichte verknüpft. Die Forscher spekulieren, dass Sir Francis Drake jenen «Tabak» von seinen Reisen mitgebracht hat. Seine Mitbringsel werden erstmals in dem Standardwerk «Herbal» beschrieben, das John Gerard 1597 veröffentlicht hat.
Sir Francis Drake, William Shakespeare – welche Ikone der englischen Geschichte ist die nächste? Wenn Ex-Premier Margaret Thatcher sich outen würde, wäre wirklich nichts mehr heilig!