Wissen
Gesundheit

Sport allein macht nicht schlank

Sport auf dem Laufband: Bewegung alleine reicht nicht.
Sport auf dem Laufband: Bewegung alleine reicht nicht.Bild: Shutterstock
Wie geht eigentlich Abnehmen?

Sport allein macht nicht schlank

Drei Monate dreimal pro Woche laufen: Das muss sich doch aufs Gewicht auswirken. Falsch, stattdessen legten trainierende Frauen in einer Studie sogar noch zu – und zwar nicht nur Muskelmasse.
18.11.2014, 15:4318.11.2014, 15:49
Jörg Römer / Spiegel Online
Mehr «Wissen»
Ein Artikel von
Spiegel Online

Wer Pfunde verlieren will, muss einfach nur Sport machen. So lautet eine weitverbreitete Regel, nach der sich täglich Millionen Fitnessjünger richten. Etwas regelmässige Bewegung, vorzugsweise Ausdauersport wie Laufen oder Radfahren – und schon schmilzt die Fettschicht. Ganz so leicht ist es nicht. 

Eine Studie von US-Forschern kommt zu einem anderen Ergebnis: Sport alleine reicht nicht aus, um Gewicht zu verlieren, berichten die Wissenschaftler von der Arizona State University in Phoenix. Das überraschende Ergebnis ihrer Untersuchung: Die Probandinnen waren nach zwölf Wochen regelmässigem Laufbandtraining überwiegend dicker als zuvor. 

Für die Studie hatten Glenn Gaesser und seine Kollegen 81 übergewichtige Frauen rekrutiert – alle hatten jahrelang keinen Sport ausgeübt. Den Frauen wurde gesagt, dass sie an einer Fitnessstudie teilnehmen würden, die ihre Ausdauer verbessern sollte. Ihre Ernährung bräuchten sie nicht umzustellen. 

«Vermutlich haben die Frauen, die zugenommen haben, sich abseits des Sportprogramms weniger bewegt und mehr gegessen.»
Glenn Gaesser

Dicker trotz Sport

Vor dem Programm mussten sie sich einem Gesundheitstest unterziehen – dabei wurden ihr Body-Mass-Index, ihr Körperfettanteil sowie einige weitere Werte zur Bestimmung ihrer Leistungsfähigkeit ermittelt. Anschliessend ging es dreimal wöchentlich für jeweils 30 Minuten aufs Laufband. In den zwölf Wochen beobachteten die Forscher, wie die Frauen auf das Training reagierten. Bei einigen hatte sich nicht nur die Leistungsfähigkeit deutlich verbessert, sie hatten zudem leicht abgenommen. 70 Prozent aber waren dicker geworden. Diese Frauen hatten nicht bloss Muskelmasse aufgebaut, die meisten entwickelten hauptsächlich mehr Fettgewebe. 

Jede der Frauen schien individuell auf das Programm zu reagieren – egal in welchem Zustand sie zu Beginn der Studie war. Besonders stark Übergewichtige nahmen im Verhältnis nicht unbedingt mehr ab. 

«Vermutlich haben die Frauen, die zugenommen haben, sich abseits des Sportprogramms weniger bewegt und mehr gegessen», so Gaesser, der die Essgewohnheiten der Probandinnen nicht erfasst hatte. Er empfiehlt Sportanfängern, die Gewicht verlieren wollen, sich spätestens nach einem Monat auf die Waage zu stellen. Wer dann nicht abgenommen hat, sollte seine Ernährung umstellen und das tägliche Bewegungspensum ausserhalb des Trainings überdenken. 

Weniger Kalorienzufuhr, mehr verbrennen

Zwar erfasst die sehr kurz angelegte Studie nur die Reaktion von Frauen und besitzt mit knapp 80 Probandinnen begrenzte Aussagekraft. Aber sie belegt eine Binsenweisheit: Wer abnehmen will, muss mehr Kalorien verbrennen als er zu sich nimmt. Dass es dauerhaft nur so geht, wird gerne vergessen – wer mit Sport sein Gewissen beruhigt, nur um im Anschluss durch eine üppige Portion Nudeln grosse Mengen Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, wird kein Gewicht verlieren. In der Küche wird der Körper gemacht. 

Jetzt auf

Ein 70 Kilogramm schwerer Läufer, der eine halbe Stunde moderat joggt, hat etwa 350 Kilokalorien verbrannt – die Menge von etwa einem Schokoriegel. «Der Verbrennungseffekt von Sport wird oft überschätzt. Wer dauerhaft Gewicht verlieren will, muss an mehreren Stellschrauben drehen – dazu zählt auch die Ernährung», sagt Michael Tuttor, Sportwissenschaftler am Institut für Sportmedizin im Klinikum Nürnberg. 

Sportanfänger bauen nicht sofort Fett ab, so Tuttor. «Dafür legen sie bei der Muskelmasse aber schon etwas zu – deshalb kann es zunächst sogar zu einer Gewichtszunahme kommen.» 

Dennoch ist regelmässige Bewegung ratsam. Das zeigt nicht nur die aktuelle Studie, bei der alle Frauen ihre Leistungsfähigkeit verbessern konnten. Dass Sport vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und vielen weiteren Krankheiten schützt, ist hinreichend belegt. Das sieht auch Tuttor so. «Die Frauen in der Studie haben sicher etwas Gutes für ihren Körper und ihr Herz-Kreislauf-System getan.» 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Fachmagazin «Science»: HIV-Schutz ist Durchbruch des Jahres

Die Entwicklung des eine HIV-Infektion verhindernden Medikaments Lenacapavir ist für das renommierte Fachmagazin «Science» der wichtigste Forschungsdurchbruch des Jahres. Damit werde der nächste, aber keineswegs letzte Schritt im Kampf gegen Aids gewürdigt, heisst es zur Begründung des «Breakthrough of the Year».

Zur Story