Nach dem Ende der Wende kursierte ein Bonmot: In Polen dauerte die Revolution zehn Jahre, in Ungarn zehn Monate, in der DDR zehn Wochen, in der Tschechoslowakei zehn Tage und in Rumänien zehn Stunden.
Sinngemäss stimmt dies sogar, denn was 1980 mit dem Streik auf der Danziger Lenin-Werft begonnen hatte, entwickelte 1989 eine nie für möglich gehaltene Dynamik. Innerhalb weniger Monate lösten sich die Ostblockstaaten aus dem Einflussbereich der Sowjetunion, und dies erst noch auf überwiegend friedliche Weise. Eine Chronologie:
In Warschau beginnen die Gespräche am Runden Tisch zwischen der polnischen Regierung und der seit der Verhängung des Kriegsrechts 1981 verbotenen Gewerkschaft Solidarność. Am 17. April wird das Verbot offiziell aufgehoben.
Ungarn beginnt mit dem Abbau der Sicherungsanlagen an der Grenze zu Österreich. Der Eiserne Vorhang, der West- und Osteuropa während vier Jahrzehnten teilte, wird löchrig.
In Polen finden die ersten halbwegs freien Wahlen im Ostblock statt. 65 Prozent der Sitze im Parlament sind für die Kommunisten und die mit ihnen verbündeten «Blockparteien» reserviert, die restlichen gehen mit einer Ausnahme alle an Kandidaten von Solidarność.
Die friedlichen Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking werden von der chinesischen Führung brutal niedergeschlagen. In Osteuropa fürchten viele, den aufkeimenden revolutionären Bewegungen werde es ähnlich ergehen.
Der Warschauer Pakt widerruft die nach dem früheren sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew benannte Doktrin, wonach die Ostblockstaaten nur eine eingeschränkte Souveränität geniessen. An ihre Stelle tritt die «Sinatra-Doktrin» von Michail Gorbatschow, die den osteuropäischen Ländern erlaubt, ihren eigenen Weg zu gehen. Der Name bezieht sich auf den Song «My Way», der in Frank Sinatras Version berühmt wurde.
Mehrere 100 DDR-Bürger nutzen ein «Paneuropäisches Picknick» an der österreichisch-ungarischen Grenze, um in den Westen zu fliehen. In anderen Ostblockstaaten suchen immer mehr Ostdeutsche Zuflucht in den Botschaften der Bundesrepublik Deutschland.
Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt entsteht in den drei baltischen Sowjetrepubliken die längste Menschenkette der Geschichte. Etwa zwei Millionen Teilnehmer bilden auf einer Länge von rund 600 Kilometern den Baltischen Weg von Tallinn (Estland) über Riga (Lettland) bis Vilnius (Litauen). Sie fordern Freiheit und Unabhängigkeit von der Sowjetunion.
Mit Unterstützung von zwei bisherigen Blockparteien erringt die Gewerkschaft Solidarność die Mehrheit im Sejm, dem polnischen Parlament. Der katholische Publizist Tadeusz Mazowiecki wird erster nichtkommunistischer Regierungschef in Osteuropa.
In Leipzig findet die erste Montagsdemonstration statt. Erstmals seit Beginn der Friedensgebete in der Nikolaikirche im Mai formiert sich im Anschluss eine Kundgebung. Rund 1000 Personen demonstrieren gegen die Staatssicherheit und für Reisefreiheit.
Nach Gesprächen zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und Ministerpräsident Miklós Németh öffnet Ungarn seine Westgrenze offiziell für DDR-Bürger. Tausende nutzen die Gelegenheit zur Flucht, an den Übergängen nach Österreich bilden sich lange Staus.
Aussenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet vom Balkon der überfüllten Botschaft der BRD in Prag, dass die Ausreise der dort versammelten 6000 DDR-Bürger genehmigt wurde. Rund 17'000 Flüchtlinge fahren in den folgenden Tagen in versiegelten Sonderzügen durch die DDR in die BRD.
Die DDR feiert den 40. Jahrestag ihrer Gründung. Am Rande kommt es zu Demonstrationen, die gewaltsam niedergeschlagen werden. Michail Gorbatschow ermahnt DDR-Staatschef Erich Honecker, sich dem Wandel nicht zu verschliessen: «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.» Wie der legendäre Satz entstand, ist umstritten.
Rund 70'000 Menschen nehmen mit der Parole «Wir sind das Volk!» an der bislang grössten Montagsdemonstration in Leipzig teil. Die Angst geht um vor einem Massaker nach Pekinger Vorbild, doch niemand in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) will die Verantwortung für eine gewaltsame Auflösung übernehmen. Das «Wunder von Leipzig» wird zum Wendepunkt der friedlichen Revolution in der DDR.
Erich Honecker wird vom SED-Politbüro abgesetzt. Sein Nachfolger Egon Krenz kündigt Reformen in der DDR an.
Hunderttausende nehmen an der grössten Massenkundgebung in der Geschichte der DDR auf dem Berliner Alexanderplatz teil. Sie fordern freie Wahlen und Meinungsfreiheit.
Die DDR-Führung beschliesst, ihren Bürgern Reisefreiheit zu gewähren. Politbüromitglied Günter Schabowski erklärt an einer Pressekonferenz fälschlicherweise, dies sei «sofort» der Fall. Tausende drängen an die Grenzübergänge nach Westberlin, die kurz vor Mitternacht geöffnet werden. Die Mauer ist nach 28 Jahren gefallen.
Todor Schiwkow, seit 35 Jahren Staats- und Parteichef in Bulgarien und damit dienstältester Herrscher im Ostblock, wird zum Rücktritt gezwungen. Sein Nachfolger Petar Mladenow kündigt Reformen und freie Wahlen an.
In Bratislava und Prag finden die grössten Kundgebungen seit der Niederschlagung des Prager Frühlings 21 Jahre zuvor statt. Das Regime leistet keinen Widerstand. Es ist der Beginn der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei. Eine Woche später tritt die Führung der Kommunistischen Partei geschlossen zurück.
Bundeskanzler Helmut Kohl stellt im Bundestag sein Zehn-Punkte-Programm zur schrittweisen Wiedervereinigung von BRD und DDR vor.
In der rumänischen Stadt Timișoara kommt es zu Demonstrationen gegen den «Conducător» (Führer) Nicolae Ceaușescu, der das Land seit Jahrzehnten mit eiserner Faust und zunehmend selbstherrlich regiert. Sie breiten sich auf das ganze Land aus und werden brutal bekämpft. Rumänien ist das einzige Ostblockland, in dem die Revolution gewaltsam verläuft.
Das Brandenburger Tor in Berlin wird erstmals seit dem Mauerbau 1961 wieder geöffnet, in Anwesenheit von Helmut Kohl, DDR-Ministerpräsident Hans Modrow und dem Westberliner Bürgermeister Walter Momper.
Nicolae Ceaușescu wird abgesetzt und versucht zu fliehen, doch das Militär hält ihn auf. Am Weihnachtstag kommt es zum Prozess vor einem Militärgericht, in dem der Diktator und seine Ehefrau Elena im Eilverfahren zum Tode verurteilt und durch ein Erschiessungskommando hingerichtet werden. Danach endet die Gewalt in Rumänien.
Der renommierte Schriftsteller und Dissident Václav Havel wird vom Parlament in Prag einstimmig zum Staatspräsidenten der Tschechoslowakei gewählt. Noch im Februar war er wegen «Rowdytums» zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Es gab Hoffnung auf einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus und vielleicht Weltfrieden, Umweltbewegung war noch Tschernobyl und Schweizerhalle erwacht, Woodstock etc noch nicht SO lange her, europäische Einigung war noch erwünschter und einfacher vorstellbar und so weiter.
Bald danach begann der Kater (Jugoslawien-Kriege, ostdeutscher Rechtsextremismus,Neoliberalismus statt Mittelweg), aber das wusste man dann ja nicht
SVP/FDP wollen unser Land unbedingt am Erdöl hängen lassen, statt massiv in erneuerbare Energien zu investieren.
Derweil produziert China Elektroautos und Solarzellen wie der Teufel.
Auch hier gilt, wer zu spät kommt, der kann seinen Wohlstand auf den Müll kippen.