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Wir leben in einer Gesellschaft voller Normen und Gesten der Höflichkeit, aber: Braucht es sie wirklich alle? 

Wir leben in einer Gesellschaft voller Normen und Gesten der Höflichkeit, aber: Braucht es sie wirklich alle? 

Jede Erziehung sollte auf Respekt aufbauen und gutes Benehmen lehren, keine Frage. Aber habt ihr euch bei gewissen gesellschaftlich festgelegten Normen nicht auch schon gefragt, was sie noch bringen oder ob sie ihren Sinn mit der Zeit verloren haben?
31.08.2015, 16:2331.08.2015, 16:23
Noëmi Laux
Noëmi Laux
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Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Oft merken wir gar nicht, dass sich gewisse Dinge jeden Tag wiederholen. Der Eine belegt im Zug immer das gleiche Abteil, während ein Anderer der Türaufhalter der Nation ist.

Normen geben Leitplanken und erleichtern das Zusammenleben. Andererseits werden Gepflogenheiten von einer Generation zur nächsten weitergegeben, ohne dass man sie hinterfragt oder der aktuellen Zeit anpasst.

Ohne eine wertende Position einnehmen zu wollen, begab ich mich auf die Suche nach «alten Zöpfen» und dem Umgang damit: Abschneiden, so belassen oder leicht umfrisieren – entscheidet selber:

1. Bezahlen ist Männersache ... oder?

Mal im Ernst: Wir leben im 21. Jahrhundert, alle schreien nach Gleichberechtigung und unsere Gesellschaft strebt das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau an. Warum ist es für einige Frauen immer noch selbstverständlich, vom Mann eingeladen zu werden? Klar ist das eine schöne Geste, aber wirft uns solch ein Automatismus in der Geschlechteremanzipation nicht Meilen zurück?

Findest du, der Mann sollte grundsätzlich bezahlen?

2. Hut ab am Tisch – ein alter Hut?

Es gilt als Zeichen des Respekts, dass man die Kopfbedeckung während des Essens abnimmt. Andererseits werden Hüte sonst in der Gesellschaft überall toleriert, warum dann nicht auch beim Essen?

Sollen Hüte am Tisch toleriert werden?

3. Erst essen wenn alle bereit sind?

Man sitzt mit einer grösseren Gruppe im Restaurant. Allen wurde das Essen bereits serviert, nur eine Person hat noch keinen Teller vor sich. «Fangt ruhig an, euer Essen wird nur kalt.» Natürlich fängt niemand an. Das ist unhöflich. Heisst es. 

Sollte man warten, bis alle bedient sind, auch wenn das Essen kalt wird?

4. Finger weg vom letzten Stück

Und schon wieder sitzen wir am Esstisch. Es bleibt nur noch ein Stück Pizza übrig. Obwohl du es gerne nehmen würdest, lässt du es liegen, weil du Angst hast, unhöflich zu sein. Aber wenn alle so denken, ist es doch schade um das letzte Stück, das dann regelmässig liegen bleibt, oder?

Bild
bild: adflash
Findest du es unhöflich, wenn jemand das letzte Stück nimmt?

5. Serviette auf den Schoss legen

Warum soll ich mir eine Serviette auf den Schoss legen, nur weil ich in einem teuren Edelschuppen sitze? Beeinflussen die Essenspreise etwa meine Tischmanier, bzw. die Fähigkeit, meine Pasta zu essen?

Serviette auf den Schoss – ja oder nein?

6. Ruhe sanft und in Lob gebettet

Warum werden auf Tote ständig Lobeshymnen gehalten und an Beerdigungen nur die positiven Eigenschaften des Verstorbenen betont? Muss ich eine Person plötzlich gern haben, nur weil sie tot ist? Hätte man nicht ein viel authentischeres Bild, wenn man ehrlich wäre und sich zum Beispiel schmunzelnd an die Schwächen des Toten zurückerinnern würde?

Darf man ehrlich über Tote reden?

7. Hand vor den Mund beim Gähnen

Früher hatte man Angst, dass beim Gähnen die Seele dem Körper entfliehen könnte. Heute wird die Hand nur noch aus Höflichkeit zum gähnenden Mund gehoben. Ist das überhaupt noch nötig?

Stört es dich, wenn andere gähnen, ohne dabei die Hand vor den Mund zu halten?

8. Sesam öffne dich, oder wie ist das mit dem Tür aufhalten?

Dicht gefolgt von jemandem ist es natürlich naheliegend, die Türe aufzuhalten. Aber Türsteher zu spielen, für eine Person, die noch weit entfernt ist, macht wenig Sinn. So bringt man den anderen doch nur in eine blöde Situation, weil dieser dann rennen muss ...

Rennst du, wenn dir jemand die Türe aufhält und du noch weit davon entfernt bist?

9. Sonntagsruhe

Da hat man sowieso nur zwei Tage in der Woche frei, an denen man Zeit hätte, den Schrank aufzubauen oder ein Bild aufzuhängen und dann fällt einer davon weg. Der Sonntag als Ruhetag hat seinen Ursprung in der Religion. Da heutzutage sowieso nur noch ein kleiner Teil regelmässig in die Kirche geht, wäre es doch naheliegend, die Sonntagsruhe abzuschaffen, oder?

Bild
bild: zeno
Sonntagsruhe: Abschaffen oder beibehalten?

10. «Gesundheit»

Klar, wir wissen, dass es nach den neusten Benimmregeln nicht mehr adäquat ist «Gesundheit» zu sagen, vielmehr sollte sich der Niesende entschuldigen und die Umherstehenden dies mit einem Nicken quittieren. Doch die meisten von uns wünschen sie noch, die Gesundheit. Und dabei galt der Wunsch eher einem selber, entstand er doch zu Zeiten der Pest, die sich durch Tröpfcheninfektion (zum Beispiel beim Niesen) schnell verbreitete.

Bild
bild: toonsup
Findest du es nötig, «Gesundheit» zu sagen, wenn jemand niest?

So, und jetzt seid ihr dran: Wie denkt ihr über Normen und Sitten? Kennt ihr noch andere, die man vielleicht mal hinterfragen sollte? 

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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EinsZweiDrei
31.08.2015 17:16registriert Juli 2014
Bei der 1. Umfrage fehlt (meiner Meinung nach) die Antwort: "Wir wechseln uns ab. Und es geht so immer irgendwie auf"
Es sollte auch kein Muss sein, dass jemand bezahlt nur weil er/sie ein bestimmtes Geschlecht hat oder mehr verdient..
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Sir Jonathan Ive
31.08.2015 16:38registriert Januar 2015
Die spannendste Frage im Text finde ich den Sonntag als Ruhetag.
Den Sonntag aus Religiösen Gründen als Ruhetag zu haben ist nicht mehr wirklich aktuell, aber trotzdem ist ein Ruhetag in der Woche eine gute Sache.
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Zeit_Genosse
31.08.2015 19:20registriert Februar 2014
Eigentlich könnte man alle alten Zöpfe abschneiden. Doch wie langweilig wär das denn. Keine Eigenheiten, Bräuche und Traditionen mehr, nur noch nüchterne Effizienz.
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