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«Simpsons-Experiment» zeigt: Wir lassen uns politisch mehr manipulieren, als uns lieb ist

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Unbewusst beeinflusst

«Simpsons-Experiment» zeigt: Wir lassen uns politisch mehr manipulieren, als uns lieb ist

24.06.2014, 13:0625.06.2014, 20:15
Philipp Dahm
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Wenn wir Zeichentrickfilme mit politischen Inhalten sehen, verändern diese unsere Wahrnehmung – auch wenn das Szenario nur erfunden ist. Das hat Professor Doktor Carsten Wünsch von der Universität Bamberg herausgefunden: Der Deutsche hat untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen fiktionalen Medieninhalten und politischen Vorstellungen gibt. Durch das «Simpsons-Experiment» konnte er belegen, dass das eine das andere bedingt.

Im weiteren Sinne geht es natürlich darum, welche Rolle Medien bei der Meinungsbildung in einer Demokratie spielen. «Wenn wir unterhalten werden, trennen wir nicht zwischen dem, was erfunden ist, und zwischen dem, was wir für real halten», erklärt der Professor für Kommunikationswissenschaft per Medienmitteilung. Nur: Gilt das nur für Polit-Talk und Sondersendungen oder auch für Shows, Serien oder Spielfilme?

Homer Simpson: Ein Angestellter im Atomkraftwerk in Angst.
Homer Simpson: Ein Angestellter im Atomkraftwerk in Angst.Bild: Fox

Neben dem Dresdner begannen auch amerikanische Forscher, sich des Themas anzunehmen. Wünsch war erleichtert: «Es war wichtig zu wissen, dass ich nicht eine völlig abstruse Idee verfolge.» Er ersann ein Experiment, mit dem er seine These überprüfen wollte: Der 41-Jährige sichtete mehrere «Simpsons»-Folgen und wählte sechs daraus aus. Drei drehten sich um um Umwelt-Themen, drei mit Bildungspolitik. Zwei Gruppen wurden gebildet, die zehn Tage Zeit hatten, die Folgen zu gucken.

Anschliessend mussten die Gruppen zum Rapport und Auskunft geben, wie sie die Umwelt- und Bildungspolitik der Bundesregierung einschätzen und wie zufrieden sie insgesamt mit Kanzler und Co waren. Der ersten Gruppe, die Episoden mit einem Atomkraft-Unfall oder der Wald-Abholzung beschäftigt hat, waren dann auch Umwelt-Themen wichtiger, die andere Gruppe fokussierte sich auf Bildung.

In der Folge «Mr. Lisa Goes to Washington» erfährt Lisa Simpson, dass Lobbyisten Politiker schmieren, um einen Wald abholzen zu können.
In der Folge «Mr. Lisa Goes to Washington» erfährt Lisa Simpson, dass Lobbyisten Politiker schmieren, um einen Wald abholzen zu können.Bild: Fox

«Serien prägen unsere Einschätzung der politischen Realität zumindest in einem kleinen Umfang», interpretiert Wünsch seine Zahlen, die allerdings nicht repräsentativ sind. «Die Ergebnisse waren so interessant, dass ich jetzt an der Vorbereitung einer Wiederholungsstudie sitze.» Auch seine Testobjekte hätten nicht mit so einer Wirkung gerechnet – so wie der Student Markus Rackl.

«Ich bin selbst überrascht über die Auswirkungen», sagte der 23-Jährige der Welt. «Das verfestigt sich tatsächlich nach einiger Zeit und man denkt plötzlich mehr an Umweltthemen oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau.» Es deutet also alles darauf hin, dass Wünschs These stimmt.

In der Folge «Last Exit Springfield» singt Lisa ein Protestlied, weil den Arbeitern Gesundheitskosten gestrichen worden sind.Video: YouTube/Nacho.4

In einem weiteren Experiment konnte der Professor nachweisen, dass Zuschauer sich mehr mit dem Klimawandel beschäftigen, wenn sie den Endzeit-Streifen «The Day After Tomorrow» von 2004 gesehen haben. «Bevor der Film in die Kinos kam, wurde in den Medien eher unregelmässig über die Folgen des Klimawandels berichtet», so Wünsch. «Danach war aber ein sehr deutlicher Anstieg feststellbar, der sogar mehrere Monate anhielt.»

Der Trailer des Katastrophenfilms «The Day After Tomorrow».Video: YouTube/TarilersPlaygroundHD

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In einem dritten Experiment testete der Gelehrte die Wirkung von Plakaten. Er verabredete sich mit Probanden in der Nähe eines LED-Bildschirms, auf dem Überschriften der Tagespresse abgebildet wurden. Der Professor liess die Versuchskaninchen etwas warten, dann befragte er sie nach politischen Themen, die den Probanden wichtig sind.

Das Ergebnis: Wir lassen uns manipulieren. «Der Grossteil nannte Punkte, die zuvor in den Schlagzeilen zu lesen waren – und zwar egal, ob jemand auf den Bildschirm geblickt hatte oder nur daran vorbeigelaufen war», erläuterte Wünsch in der Welt.» Wahlwerbung von Parteien funktioniere so. «Man muss die Plakate gar nicht bewusst lesen, es reicht schon aus, oft genug daran vorbeizulaufen, damit im Unterbewusstsein etwas in Gang kommt.»

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