Das Fest ist vorüber, die Show ist vorbei, die Menschen haben ihre Brasilien-Trikots, die sie bis zum desaströsen Halbfinale tapfer jeden Tag getragen haben, wieder ausgezogen. Das Land, in dem sich mehr als vier Wochen alles um den Fussball zu drehen schien, wendet sich wieder seinen Sorgen und Nöten zu. Brasilien hat nach der sportlichen Katastrophe der eigenen Mannschaft sogar ein Problem mehr als vor dem Turnier. Die Hoffnung, dass ein WM-Triumph der «Seleção» den Alltagskummer lindern könnte, ist jedenfalls unerfüllt geblieben. Stattdessen ist ein fussballerisches Trauma hinzugekommen.
Im Oktober finden Wahlen statt, und viele Brasilianer haben sich im Stillen sogar gefreut, dass ihr Team nicht Weltmeister geworden ist. Die Chancen der ungeliebten Präsidentin Dilma Rousseff auf eine Wiederwahl haben sich dadurch nicht erhöht, der sportliche Erfolg kann auf diese Weise nichts überdecken. Darauf mag Rousseff spekuliert haben.
Was wird den Brasilianern von diesen vier Wochen also bleiben? Die Stadien. Kathedralen des Fussballs, aber auch Monumente für die Verschwendung, mit der der Weltfussballverband Fifa und die Regierung diese WM zum bisher teuersten Turnier der Geschichte gemacht haben. Den offiziellen Etat beziffert die Regierung auf 8,75 Milliarden Euro, Schätzungen zufolge sind es eher mehr als zehn Milliarden Euro.
In Fortaleza oder in Recife stehen die Arenen wie Raumschiffe inmitten der Hüttenlandschaft der Favelas. Inwiefern sie künftig die enormen Kosten nur ansatzweise einspielen sollen, ist ungeklärt. In den Spielorten Natal, Manaus, Brasilia und Cuiaba gibt es keine Erstligaclubs, die die Arenen übernehmen und weiterführen könnten.
Auch der DFB hat immer viel von Nachhaltigkeit geredet, wenn von dem Engagement in Brasilien die Rede war. Für den deutschen Investor Christian Hirmer, der der Nationalmannschaft das Campo Bahia quasi passgenau errichtet hat, wird es vermutlich tatsächlich hilfreich sein, dass das Team als Weltmeister nach Deutschland heimkommt und Hirmer jetzt das Resort an der Atlantikküste als Basis des WM-Erfolgs an solvente europäische Urlauber vermarkten kann.
Der DFB hat den Indianern, die in der Region Porto Seguro leben, eine Geldspende hinterlassen, er hat der dortigen Schule einen Bolzplatz versprochen, und DFB-Pressesprecher Jens Grittner hat für den Verband «garantiert, dass wir unser Versprechen auch einhalten». Man sollte in einem Jahr mal nachschauen, was aus dem Bolzplatz geworden ist.
Spieler und Betreuer haben die Gastfreundschaft der Brasilianer bei jeder Gelegenheit gelobt, DFB-Manager Oliver Bierhoff strich heraus, man habe «das Vertrauen und die Nähe der Menschen» gespürt. Vom Land selbst hat die Mannschaft allerdings so gut wie nichts mitbekommen, nimmt man Flughäfen und Stadien aus. Nie zuvor hat sich ein Team so abgeschottet, komplett zurückgezogen in die Idealbedingungen des Campo. Dem sportlichen Erfolg kam das zugute.
Für die Fifa hat sich das Projekt WM in Brasilien gelohnt, das ist keine Überraschung. Der Verband hat es unter dem Vorsitz von Joseph Blatter immer verstanden, am Ende als finanzieller Gewinner dazustehen, der Verkauf der TV-Rechte und das Geld der Top-Sponsoren gewährleisten dies ohnehin. Es wird erwartet, dass der Weltverband ein Plus in dreistelliger Millionenhöhe macht.
Die Proteste gegen die WM, gegen Korruption und Zwangsumsiedlungen, die vor dem Turnier ein grosses Medienthema waren, haben sich im Lauf der WM verflüchtigt. Und wenn es sie gab, wurden sie von der Öffentlichkeit nur noch wenig wahrgenommen. Auch das konnte man erwarten. Der Fussball hat alles dominiert. Darauf spekuliert die Fifa, bisher hat sie damit immer Recht behalten. Joseph Blatter steht wieder einmal als Sieger dieser WM da.
In vier Jahren sieht sich die Fussballfamilie in Russland wieder. Präsident Wladimir Putin, extra zum Finale am Sonntag angereist, wird Garant dafür sein, dass es eine im Sinne der Fifa reibungslose Weltmeisterschaft wird. Er hat mit den Olympischen Spielen in Sotschi bewiesen, dass er das kann.
Der Sicherheitsapparat wird 2018 mutmasslich noch grösser sein als in Brasilien, wo man vor den Spielen durch einen Kordon aus Soldaten und Polizisten mit Maschinenpistolen zu gehen hatte. Das Turnier wird womöglich noch einmal teurer werden, so wie schon Sotschi einen Kosten-Rekord für Olympische Spiele aufgestellt hat. Die Spirale dreht sich weiter. Blatter und Putin werden dafür sorgen. Und dafür dass sie dann beide noch im Amt sind.