Es war ein feuchtfröhlicher Abend in der Cabaret-Abteilung des Chilli's, den ein Geschäftsmann vergangenen Sommer in der Zürcher Milieubar verbracht haben soll: Für insgesamt 27'000 Franken soll B. J.* in einer Nacht Champagner und andere Alkoholika konsumiert haben. Weil er nicht habe zahlen können, habe er eine Schuldanerkennung unterschrieben. Dies behauptet Samir «Sämi» Y., der ehemalige Betreiber des Cabarets.
Der unzufriedene Gast B. J. indes erstattete noch am selben Morgen Anzeige wegen Betrugs und Körperverletzung und trug damit seinen Teil zu den umfassenden Ermittlungen gegen die Chilli's-Belegschaft wegen mutmasslichen Kreditkartenbetrugs bei. Er sei mit K.O.-Tropfen ausser Gefecht gesetzt worden. Um drei Uhr morgens hätten ihn Samir Y. und andere Angestellte des Chilli's unter Druck gesetzt, einen Blanko-Schuldschein zu unterschreiben. Weil er benommen gewesen sei, habe er unterschrieben. Die im Nachhinein eingesetzten 27'000 Franken seien indes ein Fantasiebetrag.
Nachdem Samir Y. den Geschäftsmann über den geforderten Betrag betrieben hatte und ein Termin beim Friedensrichter keine Einigung brachte, treffen sich die beiden nächsten Donnerstag um 14.00 Uhr vor dem Zürcher Bezirksgericht wieder. Dieses muss entscheiden, ob die Forderung des Chilli's berechtigt ist.
Der Entscheid wird auch ein erster Gradmesser sein für den viel grösseren Fall von Kreditkartenbetrug und Korruption, in den fünf Sittenbeamte der Stadtpolizei Zürich und neun Personen aus dem Umfeld des Chilli's involviert sind. Einem Teil der Angestellten des Chilli's wird vorgeworfen, regelmässig Gäste mit Substanzen ausser Gefecht gesetzt und mit überhöhten Kreditkartenbezügen betrogen zu haben.
Zwar hat der am nächsten Donnerstag verhandelte Fall zivilrechtlichen Charakter, aber der Entscheid des Bezirksgerichts wird einen ersten Hinweis darauf geben, wie die Justiz die Methoden Samir Y.'s beurteilt. Es ist deshalb kein ironischer Scherz von Samir Y., eine Betreibung gegen denjenigen Gast vor Bezirksgericht zu bringen, der die Ermittlungen gegen ihn mit ins Rollen gebracht hatte.
«Hätte er die Betreibung zurückgezogen, dann wäre das ein Schuldeingeständnis», sagt Geschäftsmann J. zu watson. Auf der anderen Seite würde eine abschlägige Beurteilung des Bezirksgerichts stark auf den Straftatbestand des Betrugs hindeuten. «Ich bin sicher, dass das Bezirksgericht die Forderung nicht anerkennt», sagt J. Auf dem Schuldschein, den er unterschrieben habe, sei klar ersichtlich, dass die geforderte Summe erst eingefügt wurde, nachdem er seine Unterschrift geleistet hatte. Ausserdem könne niemand in ein paar wenigen Stunden für 27'000 Franken Champagner trinken.
Alfredo Borgatte, juristischer Berater von Samir Y., sieht der Verhandlung gelassen entgegen. «Die Beweislage ist kristallklar, es war ein teurer Abend, welcher sich der Kunde ausgewählt hat, der Gast hat das schriftlich anerkannt und die Schuldanerkennung liegt uns vor», sagt Borgatte.
Der ermittelnde Staatsanwalt erklärte gegenüber watson, dass ein Abschluss der Strafuntersuchung gegen die rund 14 Beschuldigten im Fall Chilli's in nächster Zeit nicht in Aussicht stehe.
Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im Januar gab Samir Y. die Leitung des Cabarets im Chilli's ab und betreut seither nur noch das Hotel im gleichen Gebäude.