Groupie sein oder nicht sein – das ist hier nicht die Frage. Ich bin einer geworden. Und hab mich in sechs Mannsbilder gleichzeitig verliebt. Warum? Nicht etwa weil ich von Natur aus zu kritikloser Huldigung neige sobald ein paar gut aussehende Männer zu singen beginnen.
Obwohl. Nein, natürlich nicht! Diese sechs jungen Typen liefern mit ihrer« Premiere» ein fein abgestimmtes, musikalisches Gaudi.
Der mit einem Schwitztuch bewaffnete Countertenor Claudio betritt verschüchtert die Bühne und informiert das Publikum über den verzögerten Beginn der Show. Bald ginge es los, beschwichtigt er die Ungeduldigen, «es chunt alles guet», murmelt er unsicher. Dass aber ganz im Gegenteil rein gar nichts gut kommt, ist Programm der «Premiere». Es ist der komödiantisch inszenierte Rettungsversuch eines Konzertdebüts, das den Bach runter geht.
Das Publikum wird weitere drei Minuten im Ungewissen gelassen. Es passiert nichts. Das erinnert ein bisschen an ernsthafte Theaterstücke, in denen unerträglich lange geschwiegen wird. Man denkt sich dann heimlich: Gott, ist das langweilig, macht aber ein sehr nachdenkliches Gesicht damit es so wirkt, als hätte man die tiefe Bedeutung dieser verstörenden Stille verstanden. Bliss arbeitet zwar auch mit zahlreichen dramaturgischen Elementen, sie stehen aber alle im Dienst der Komik.
Christian kommt zu spät an die eigene Premiere, Claudio zieht sich auf der Bühne einen Kreuzbandriss zu und singt Robbie Williams' «Come Undone» mit gequältem Gesichtsausdruck im Sitzen. Der mit Starallüren behaftete Lukas schiebt sich immer wieder ganz unverschämt in den Vordergrund.
Matthias leidet stark unter seinem dreiwöchigem Single-Dasein. Er ist der Frauenversteher, der so krampfhaft viel vom schönen Geschlecht verstehen will, dass ihm die Frauen in Scharen davonlaufen. Und während sich Viktor im 15-Minuten-Takt über die herrschenden Zustände empört und darauf hinweist, dass so eine schäbige Darbietung in Budapest undenkbar wäre, klopft Tom der Zyniker und Schürzenjäger die bösen Sprüche; auch glatzköpfige Zuschauer, die nach der Pause nicht rechtzeitig auf ihren Plätzen sitzen, werden nicht verschont:
«Die Premiere» ist die Frucht von knochenharter Arbeit. Im August begann Bliss mit den musikalischen Proben und für den fünfwöchigen Schlussspurt haben die sechs Sänger zusammen mit der Regisseurin Bettina Dieterle, der Choreographin Evelyn Bähler und dem Vocal Coach Andrea Figallo ihr Programm durchkomponiert, stimmig und rund gemacht.
Trotz der stimmlichen und choreographischen Genauigkeit, mit der «Die Premiere» glänzt, stirbt die Leidenschaft nicht ab. Bliss hat sich das Untergraben ihrer Professionalität zum Programm gemacht; die komödiantischen Momente brechen immer wieder mit der Ernsthaftigkeit und Konzentration, welche die Stücke von den Sängern verlangen. Damit wird die ganze Arbeit, die hinter dem neusten Bliss-Spektakel steckt, nicht schwer verdaulich zelebriert, sondern kommt leichtfüssig, selbstironisch und unglaublich charmant daher.