Zug ein Spitzenteam? Ja, natürlich! Der EV Zug hat alles, um ein Titan der Liga zu werden: Das Geld, das Stadion und die Spieler. Aber die Zuger müssen nach wilden Jahren als Aussenseiter erst noch eine neue Identität als Spitzenteam finden. Die SCL Tigers sind viel zu gut für den letzten Platz. Aber der Neuling muss erst seine Identität als Playoff-Anwärter finden. Lausanne ist inzwischen gut genug fürs Halbfinale. Aber die Aussenseiter müssen erst lernen, mehr als «nur» defensive Maurermeister zu sein.
Zug sucht den schwierigen Kompromiss zwischen Spitzenteam und Ausbildungsklub, zwischen meisterlichem Ruhm und nachhaltiger Nachwuchsarbeit. Der Playoff-Final ist möglich.
Vor der letzten Saison haben die Zuger den Tresor so weit aufgemacht wie noch nie in der Geschichte, die 1967 begonnen hat. Sie holten die Nationalspieler Robin Grossmann, Dario Bürgler und Tobias Stephan. Aber in den Playoffs verloren sie trotzdem erstmals seit 2008 das Viertelfinale.
Was nun? Noch mehr in Transfers investieren? Oder darauf hoffen, dass der Trainer das aktuelle Personal weiterbildet und so der Griff nach dem Titel möglich wird? Soll sich Zug als Titelanwärter definieren? Oder doch eher als Ausbildungsklub – was bei der formidablen Nachwuchsorganisation («Hockey Academy») durchaus Sinn machen würde?
Die Zuger haben ihre Identität als Meisterschaftsanwärter noch nicht gefunden. Eigentlich will der EV Zug beides sein: Titelaspirant und Ausbildungsverein. Diesen Kompromiss zu finden, ist schwierig. Aber der HC Davos und die ZSC Lions beweisen seit Jahren, dass es möglich ist.
Zug hat mit Hans-Peter Strebel einen neuen Präsidenten, der sich am Modell ZSC Lions orientiert, wo heute die Früchte einer nachhaltigen Nachwuchsarbeit geerntet werden können. Strebel ist Zugs Antwort auf Walter Frey, er investiert lieber in die Nachwuchsarbeit als in Stars. Und er ist so wohlhabend (sein Vermögen wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt), dass er sich die Extra-Investitionen leisten kann, die es wohl doch noch braucht, um in den nächsten Jahren die Meisterschaft zu gewinnen. Die Verpflichtung von Jarkko Immonen ist so eine Investition.
Nach dem charismatischen Bandengeneral Doug Shedden führt mit Harold Kreis bereits in der zweiten Saison bloss ein «Bandengefreiter» die Mannschaft. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger meidet der Deutsch-Kanadier verbal und taktisch jedes Risiko und jede Aufregung auf und neben dem Eis.
Der neue Trainer hat wieder Struktur ins Spiel gebracht. Er hat ja schon in Lugano und Zürich bewiesen, dass er eine Mannschaft nach turbulenten Zeiten beruhigen und zum Titel führen kann. Aber Harold Kreis ist in Zug noch nicht ganz glücklich geworden. Nach einer soliden Qualifikation (Platz 4) erlebte er im Playoff-Viertelfinale gegen Davos eine krachende Pleite. Er verlor alle drei Heimspiele und die Serie mit 2:4.
Ist nun das Glas halb voll oder halb leer? Ist es ein Erfolg, dass der neue Trainer das Team nach dem Absturz von 2014 (Abstiegsrunde) wieder in die Playoffs gebracht hat? Oder hätte er viel mehr aus dieser Mannschaft herausholen müssen?
Harold Kreis hat nicht den Ruf, ein visionärer Ausbildner zu sein. Er gilt als ein konservativer, geschickter Verwalter vorhandener Substanz. Als einer, der eine «fertige» Mannschaft zum Titel coachen kann. Auch in Zug ist es bereits zu Irritationen gekommen, weil er selbst bei knappem Personalbestand lieber auf die bewährten Kräfte setzte, statt die jungen Spieler zu fördern. Und mit einer Mannschaft, die talentiert genug ist, um an die Spitze zu stürmen, lässt er taktisch so konservativ spielen, als gehe es darum, den Ligaerhalt zu sichern. Logisch, dass sich der Unterhaltungswert im Vergleich zur Ära von Doug Shedden mindestens halbiert hat.
Zug hat seine Identität als Titelanwärter noch nicht gefunden. Und kein Schelm, wer sagt, Zug werde diese Identität mit Harold Kreis nicht finden. Es ist ein gar billiges Wortspiel, aber halt doch treffend: Mit diesem Trainer dreht sich Zug bloss im Kreis.
Die Parallelen zwischen Lausanne und den New Jersey Devils sind nicht zu übersehen. Die Frage ist, ob Lausanne seine Identität als Spitzenteam findet und – wie New Jersey – die Meisterschaft gewinnt.
Auf dem Papier hat Lausanne seit dem Aufstieg nominell nur ein Team für die Liga-Qualifikation – und hat trotzdem zweimal hintereinander die Playoffs erreicht. Dieses Wunder macht Heinz Ehlers Defensiv-Kultur möglich. Für die gegnerischen Fans (wie etwa im Viertelfinale gegen den SC Bern) ist dieses destruktive Hockey eine Zumutung. Aber es funktioniert.
Immer mehr gemahnt Lausanne an die New Jersey Devils. Mit den Teufeln teilt der Klub nicht nur die rot-weissen Klubfarben. Die Devils wurden einst von den NHL-Titanen so wenig ernst genommen wie heute Lausanne von den grossen NLA-Klubs. Wayne Gretzky verspottete New Jersey als «Mickey Mouse Team.» Aber Manager Lou Lamoriello und Trainer Jacques Lemaire kreierten eine Defensivkultur, die den Devils zwischen 1995 und 2003 drei Stanley Cups und zwei weitere Finals bescherten.
Lausanne wie die New Jersey Devils? Zumindest mahnen Heinz Ehlers taktische Mischung und die Besetzung der Goalieposition sehr stark an das Erfolgsrezept der Devils. Torhüter Martin Brodeur war in New Jersey der wichtigste Einzelspieler. Cristobal Huet, auch ein Stanley-Cup-Sieger, ist es in Lausanne.
Aber um ein Spitzenteam zu werden, braucht Lausanne eine neue Identität. Nur mit einer guten Defensive gelingt der Aufstieg aus der unteren Tabellenhälfte in die Spitzengruppe nicht. Lausanne hat seit dem Wiederaufstieg zweimal hintereinander am wenigsten Tore aller NLA-Teams produziert. Letzte Saison kam Team-Topskorer Ossi Louhivaara auf den 41. Platz der NLA-Skorerliste (29 Punkte aus 46 Partien).
Diese offensive Sterilität ist nicht ungefährlich. Der Versuch, mehr zu sein als «nur» defensive Maurermeister personifiziert der offensive Nonkonformist Nicklas Danielsson. Die Verpflichtung des schwedischen Schillerfalters ist ein taktischer Stilbruch. Bisher haben Heinz Ehlers und sein Sportchef Jan Alston ausschliesslich Ausländer mit Zwei-Weg-Qualitäten wie Juha-Pekka Hytönen und Ossi Louhivaara verpflichtet. Die beiden finnischen Stürmer sind keine Helden der Offensive. Aber die Eckpfeiler des erfolgreichen Defensivspiels.
Und nun also der taktische Freigeist Nicklas Danielsson. Kann das gut gehen? Zumal der Schwede letzte Saison unter dem schwedischen Trainer Anders Eldebrink tun und lassen konnte, was er wollte – der Abstieg der Lakers ist ja auch die Folge eines beispiellosen taktischen Larifari-Betriebes. Was wird sich stärker auswirken: Die zusätzlichen Skorerpunkte oder die defensive Verantwortungslosigkeit des neuen ausländischen Stürmers?
Vorerst gilt: Nicklas Danielsson ist Lausannes talentiertester Offensivspieler seit … ja, seit wem eigentlich? Richtig: Seit Oliver Setzinger (32). Der Österreicher («Donau-Gretzky») hatte das Tempo, die Beweglichkeit, die Hände und die Spielübersicht für die NHL. Aber nicht die Konstanz und schon gar nicht das defensive Verständnis, um Heinz Ehlers zufriedenzustellen. Nach nur einer gemeinsamen NLA-Saison wurde der Vertrag im Frühjahr 2014 (nach 34 Punkten in 50 Spielen) aufgelöst und der offensive Schillerfalter kehrte in die Heimat zurück (Klagenfurt). Nicklas Danielsson ist durchaus Schwedens Antwort auf Oliver Setzinger.
Lausanne hat in der NLA defensiv rasch laufen gelernt. Wenn es nun mit Hilfe von Nicklas Danielsson auch noch offensiv rennen lernt, dann …
Vieles spricht dafür, dass Aufsteiger Langnau nicht auf dem letzten Platz landen und eine Bereicherung für die Liga sein wird.
Der Begriff Tigerstaaten ist in den 1980er-Jahren für die asiatischen Staaten geprägt worden, die von Entwicklungsländern zu Industriestaaten aufgestiegen sind (z.B. Südkorea, Taiwan, Singapur). Die Bezeichnung ist eine Anlehnung an die kraftvolle Energie eines Tigers.
Die SCL Tigers sind im besten Wortsinne ein Hockey-Tigerstaat. Noch 2009 war das Emmental Hockey-Entwicklungsland. Das heruntergewirtschaftete Hockey-Unternehmen musste durch die öffentliche Hand mit einem Kredit von 800'000 Franken vor dem Konkurs bewahrt werden. Die Infrastruktur war schäbig.
Inzwischen ist aus dem Lotterstadion durch Investitionen in der Höhe von 30 Millionen Franken eine der besten Hockey-Arenen im Lande entstanden. Die SCL Tigers haben sich unter der Führung von Präsident Peter Jakob – er investierte selber 15 Millionen Franken in die Stadionsanierung – zu einem Hockey-Musterunternehmen entwickelt. Selbst der Abstieg von 2013 ist durch den Aufstieg von 2015 rasch korrigiert worden.
Das Geschäft brummt. Die SCL Tigers setzten in der NLB- Aufstiegssaison fast 10 Millionen Franken um. Am Ende resultierte ein Reingewinn von 280'000 Franken. In der NLA können gut neun Millionen in die erste Mannschaft investiert werden und der Gesamtumsatz dürfte auf über 12 Millionen ansteigen.
Vieles spricht dafür, dass die Mannschaft von Benoit Laporte eine sportliche Bereicherung sein kann und der Aufstieg in den NLA-Mittelstand möglich ist. Geführt wird das Team von einem charismatischen Leitwolf mit kurzer Zündschnur. Der Kanadier Chris DiDomenico ist ein enorm talentierter, eigenwilliger Hitzkopf, der die Emotionen im Team und auf den Rängen schürt und alle Voraussetzungen zur Kultfigur hat. Sage mir, ob er sich provozieren lässt und ich sage dir, wie es Langnau geht.
Die Mannschaft ist nach dem Aufstieg mit Schweizern bloss ergänzt worden. Von Biel kommt Verteidiger Manuel Gossweiler, aus der sportlichen Konkursmasse der Lakers hat Sportchef Jörg Reber Torhüter Ivars Punnenovs, Verteidiger Dan Weisskopf sowie die Stürmer Nils Berger und Jordy Murray geholt. Hierarchie, Innenleben und Lohnstruktur des Aufstiegsteams konnten bewahrt werden. Offen bleibt, ob Aufstiegsgoalie Damiano Ciaccio gut genug für die NLA sein wird. Sage mir, wie gut Ciaccio ist und ich sage dir, wie es um Langnau steht.
Der Abstieg und die Rückkehr in die NLA haben die Langnauer verändert und die Leistungskultur verbessert. Den Grössenwahn, der sich in der Abstiegssaison unter John Fust breit gemacht hatte, gibt es nicht mehr. Die Mannschaft hat zwar bessere Ausländer als die Abstiegsmannschaft von 2013. Aber insgesamt nicht mehr Talent. Entscheidend ist etwas anderes: Der Zusammenhalt ist heute besser.
Zur neuen Ausgangslage gehört mit dem Kanadier Benoit Laporte ein neuer Trainer. Die Frage, warum der Vertrag mit Aufstiegstrainer Bengt-Ake Gustafsson nicht verlängert worden ist, hat die Diskussionen noch im Sommer dominiert. Benoit Laporte verkörpert eine andere Philosophie für eine andere Ausgangslage. In der NLB waren die Langnauer das grosse Team. Spielerisch besser, reicher, grösser. Dazu passte ein sanfter Führungsstil. Aber jetzt ist der Druck riesig, die Spieler müssen in jedem Spiel ans Limit gehen und da passt es schon, einen fordernden, bisweilen verrückten kanadischen Trainer zu haben, der, wie es ein Spieler sagt, «einem sozusagen jeden Tag die Pistole an die Schläfe setzt».
Die Aufsteiger werden in den Saison-Prognosen zwar fast immer auf den 12. und letzten Platz gesetzt. Aber nur ein einziges Mal ist ein Liga- Qualifikations-Aufsteiger tatsächlich auf dem letzten Platz gelandet (Biel 2009). Und nur ein einziges Mal ist ein solcher Aufsteiger in eine Krise geraten und musste den Trainer wechseln – auch das war Biel. Aufstiegstrainer Heinz Ehlers wird während der Liga-Qualifikation durch Sportchef Kevin Schläpfer ersetzt.
Die grosse Krise mit Trainerwechsel ist also für einen Aufsteiger die Ausnahme. Als Regel gilt: Aufsteiger machen Furore. Lausanne verpasste nach dem Aufstieg von 2001 die Playoffs unter Trainer Mike McParland erst in der letzten Runde (9.). Seit dem Wiederaufstieg von 2013 hat Lausanne zweimal hintereinander die Playoffs erreicht. Auch Servette (2003) und Basel (2006) schafften als Neulinge auf Anhieb die Playoffs.
Die Frage ist, ob die Langnauer nach dem Aufstieg rechtzeitig auch eine neue Identität als NLA-Unternehmen finden und den NLB-Komplex abstreifen. Damit sie die Überraschungsmannschaft der Saison werden können.
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