Schweiz

Die CVP-Initiative  gegen die «Heiratsstrafe» ist «homophob und rückständig», sagen die Gegner

Die CVP-Initiative  gegen die «Heiratsstrafe» ist «homophob und rückständig», sagen die Gegner

19.01.2016, 13:4019.01.2016, 17:06
Mehr «Schweiz»

Die CVP-Initiative gegen die «Heiratsstrafe» ist aus Sicht der Gegner eine Mogelpackung. In Wahrheit gehe es um Steuergeschenke für die Reichsten, argumentiert das Nein-Komitee. Zudem würde ein Eheverbot für homosexuelle Paare in der Verfassung verankert.

Gegen die Initiative, über die am 28. Februar abgestimmt wird, stellt sich ein Bündnis aus Vertretern von FDP, SP, Grünen, Grünliberalen und NGO. Für sie steht fest, dass es «die Heiratsstrafe» so nicht gibt.

«Die CVP Initiative schreibt damit ein Ehe-Verbot für homosexuelle Paare in die Verfassung»

Die steuerlichen Nachteile für Ehepaare seien in fast allen Kantonen beseitigt, sagte SP-Nationalrat Beat Jans (BS) am Dienstag vor den Medien in Bern. Es gebe nur noch rund 80'000 Paare, die mehr Steuern zahlten, als wenn sie nicht verheiratet wären - in den allermeisten Fällen besonders reiche Ehepaare.

Abstimmungen 2016
AbonnierenAbonnieren

Bei einem Ja zur Initiative würden somit viele beschenkt, die heute gar nicht benachteiligt seien - und das auf Kosten aller anderen, warnte Jans. Alleine auf Bundesebene würde dies rund zwei Milliarden Franken kosten. Hinzu kämen weitere 400 Millionen zu Lasten von Kantonen und Gemeinden.

Individualbesteuerung ausgeschlossen

Der Staat sollte aus Sicht des Nein-Komitees bei den Steuern die verschiedenen Familien- und Lebensmodelle gleich behandeln. Als gerechteste Lösung betrachten die Gegner die Individualbesteuerung. Diese wäre aber bei einem Ja zur Initiative ausgeschlossen, da die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft definiert würde.

Die Initianten gäben vor, eine Steuerungleichheit beseitigen zu wollen, schüfen aber in Wirklichkeit neue Steuerungerechtigkeiten, sagte FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (ZH). Sie wollten die Ehe als vom Staat privilegierte Lebensgemeinschaft fördern. Das sei jedoch noch nicht alles. Bei einem Ja zur Initiative wäre die Ehe in der Verfassung explizit als «auf die Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» definiert.

Gleichgeschlechtliche Ehe verboten

«Die CVP Initiative schreibt damit ein Ehe-Verbot für homosexuelle Paare in die Verfassung», sagte GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (BE). Das torpediere den angelaufenen politischen Prozess zur Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare. Der Staat habe sexuelle Präferenzen und individuelle Lebensentwürfe nicht zu werten.

Sagst du Ja zur Heiratsstrafe-Initiative?

Bastian Baumann, der als Vertreter von Homosexuellen-Organisationen sprach, bezeichnete die Initiative als «homophob und rückständig». Für ihn wäre es «eine grosse Enttäuschung, wenn die Schweiz sich explizit und bewusst gegen homosexuelle Menschen stellen würde», sagte Baumann. Was CVP-Präsident Christoph Darbellay als «Detail» bezeichnet habe, sei die Diskriminierung von einer halben Million Menschen.

Vergleich mit der Scharia

Anna de Quervain von der Organisation «Operation Libero» stellte fest, die Schweiz wäre das erste westeuropäische Land, das ein verfassungsmässiges Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare einführen würde, während in vielen anderen Ländern gleichgeschlechtliche Eheschliessungen bereits möglich seien, unter anderem im katholisch-konservativen Irland.

Portmann gab zu bedenken, dass der Verfassungsartikel die gelebten Gesellschaftsformen nicht berücksichtige - und griff zu einem besonderen Vergleich: «Tun wir dies, dann müssen wir uns irgendwann einmal die Frage gefallen lassen, wo wir uns noch von totalitären Staaten unterscheiden, welche ihren Bürgerinnen und Bürgern Zivilnormen aufzwingen, wie zum Beispiel die 'Scharia'.»

Gegenvorschlag gescheitert

Auch Adèle Thorens, Co-Präsidentin der Grünen, wies auf die gesellschaftlichen Realitäten hin: Geschiedene Paare, Konkubinatspaare mit Kindern, Patchwork- und Regenbogenfamilien. Es sei absurd, den Menschen ein einziges Modell aufzwingen zu wollen. Die Initiative werde den gelebten Familienmodellen nicht gerecht.

Im Parlament hatten sich die Gegnerinnen und Gegner der Initiative um einen Gegenvorschlag bemüht, der weder die Individualbesteuerung noch die gleichgeschlechtliche Ehe ausgeschlossen hätte. Die CVP unterstützte diesen jedoch nicht. Das sei unverständlich, befand Jans. Damit habe sie den Beweis erbracht, dass es ihr nicht die Beseitigung steuerlicher Ungleichbehandlungen gehe. (whr/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
saendu
19.01.2016 18:12registriert November 2015
Dass es ernsthaft noch Menschen gibt, die gegen gleichgeschlechtliche Paare sind. Es ist rätselhaft, wie man gegen die Liebe sein kann.
Ich bin gegen Diskriminierung und stimme darum Nein zu dieser CVP-Initiative.
5819
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mate
19.01.2016 19:59registriert April 2015
ist der einzige grund gegen gleichgeschlechtliche ehe nur, dass es im einen oder anderen "märlibuech" so steht? von wegen die schweiz sei fortschrittlich und so...
2611
Melden
Zum Kommentar
19
Ins Regal statt in die Biogasanlage: So will Denner nicht verkauftes Fleisch «retten»
Der Discounter spannt mit Caritas-Markt zusammen. Nun wird das Projekt gegen Food Waste national ausgerollt.

Nicht alles, was ins Fleischregal kommt, wird auch verkauft. Immer wieder müssen Detailhändler Pouletfilets, Schweinesteaks oder Gehacktes entsorgen. Statt auf dem Teller landet es dann in der Biogasanlage. Das ist auch bei Denner der Fall. Jedenfalls bis jetzt. In Zukunft will der Discounter das nicht verkaufte Fleisch kostenlos an die Caritas-Märkte weitergeben.

Zur Story