Der 16-fache englische Nationalspieler Raheem Sterling ist jung und talentiert. Doch gerade beweist der 20-Jährige wieder einmal, dass er ein kolossaler Stinkstiefel ist: Weil das Wunderkind irgendwie keinen Bock mehr hat, seinen bis 2017 laufenden Vertrag bei Liverpool zu erfüllen, täuscht es seit Tagen eine Krankheit vor, schwänzt das Training und macht mit gezielten Indiskretionen Stimmung gegen Trainer Brendan Rodgers.
Früher wäre ein solches Bürschchen ein halbes Jahr in den «Reserves» versenkt und nach seiner Rückkehr in die Premier League einige Male gepflegt umgehobelt worden.
Heute rollt man ihm den goldenen Teppich aus. Manchester City wird umgerechnet 71 Millionen Franken für den Angreifer zahlen, der letzte Saison sagenhafte 7 Tore in 35 Liga-Partien erzielt hat. Mit diesem Geld liesse sich der FC Basel und der FC Zürich fast im Doppelpack kaufen.
Und das ist nicht der einzige Exzess, den sich die Dagoberts aus England in der laufenden Transferperiode leisten. Roberto Firminho ist ein guter Offensiv-Mann, doch er ist nie im Leben die 43 Millionen Franken wert, welche Liverpool für ihn an Hoffenheim überwiesen hat. Auch im unteren Preissegment wird gnadenlos übertrieben: Joselu war bei Hannover ein solider Bundesliga-Mitläufer: Jetzt hat Stoke City ihn für über 8 Millionen Franken gekauft. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.
Das alles ist nur möglich, weil die englischen Klubs im Fernsehgeld baden. Bereits in der letzten Saison kassierte der Tabellenletzte Queens Park Rangers fast 90 Millionen Franken aus dem TV-Vertrag. Ab 2016 wird sich die Gesamtsumme für die 20 Premier-League-Klubs auf 3,3 Milliarden pro Saison erhöhen – durchschnittlich 165 Millionen pro Klub. Zum Vergleich: Der FC Basel kassiert derzeit jährlich ungefähr 2 Millionen.
Vor einigen Jahrhunderten waren Schweizer Söldner dank ihrer bedingungslosen Treue als Krieger in ganz Europa geachtet. Ihre fussballerischen Nachkommen nehmen es damit nicht mehr so genau.
Für die Zeitungsproduktion der Transfermeldungen um Xherdan Shaqiri musste in den vergangenen drei Jahren wohl ein mittelgrosser Wald dran glauben. Derzeit soll sein Bruder und Berater Erdin Schalke 04 als Favorit für die nächste (Kurz-)Reisedestination erkoren haben. Dort packen die Fans ihre Stars bei Misserfolg noch weniger sanft als in Mailand an. Ist das nächste Desaster für den 23-jährigen Ausnahmekönner schon vorprogrammiert?
Lol The incredible story of Xherdan Shaqiri. pic.twitter.com/TarG4FtkzQ
— Taymie™ (@temzyD) 4. Juli 2015
Auch Valon Behrami hat seine Treue zum HSV nach einer Saison voller Eklats bereits wieder aufgekündigt. Bleibt zu hoffen, dass er bei Premier-League-Aufsteiger Watford wieder zu alter Form findet. In der Nati gibt es zu seinem bedingungslosen Kampfgeist derzeit keine Alternativen.
Und schliesslich bleibt zu hinterfragen, weshalb Josip Drmic im vergangenen Jahr bei Bayer Leverkusen eigentlich einen Fünfjahresvertrag unterschrieben hat. Es war abzusehen, dass er gegen Kiessling, Calhanoglu, Bellarabi und Son einen schweren Stand haben würde. Das er nun bereits wieder die Fliege in Richtung Gladbach macht, zeugt nicht unbedingt von Durchhaltevermögen. Immerhin bekommt der 22-Jährige mit Lucien Favre nun einen Coach, der ihn wieder aufpäppeln kann.
Mehr Verständnis sollte man für Roman Bürki und Admir Mehmedi haben. Zwar wurde ihnen die Fahnenflucht nach dem Abstieg in Freiburg übel genommen, doch wer als Sportler Weltspitze sein will, kann seine kurze Karriere einfach nicht in der Zweitklassigkeit vertrödeln.
Und wenn wir schon beim Thema sind: Beim Gedanken daran, dass mit Bastian Schweinsteiger, Peter Cech, Iker Casillas, Xavi und Steven Gerrad gerade 104 Jahre Vereinstreue den Bach ab sind, schnürt es uns den Hals so richtig zu.
Mit Nico Elvedi (18 Jahre, zu Gladbach), Djibril Sow (18 Jahre, zu Gladbach), Dimitri Oberlin (17 Jahre, zu Red Bull Salzburg) sind dem FC Zürich gleich drei vielversprechende Talente davongelaufen. Und das, bevor sie sich in der Super League richtig durchgesetzt haben. Auch der 19-jährige Aussenverteidiger und Nachwuchs-Internationale Ulisses Garçia hat nach 93 Spielminuten als Profi bereits keinen Bock mehr auf GC und unterschreibt bei Werder Bremen.
Wir wünschen den Youngsters von Herzen Glück, rechnen aber fest damit, mindestens zwei von ihnen in einigen Jahren in der Challenge League wiederzusehen.
Weil der FC Barcelona zwischen 2009 und 2013 mehrfach gegen die Statuten der FIFA verstossen und minderjährige Spieler verpflichtet hat, gilt seit April 2014 eine einjährige, von der FIFA verordnete Transfersperre. Trotzdem ist der Champions-League-Sieger im Shoppingfieber und schnappt dem Konkurrenten Atletico Madrid mal eben für knapp 36 Millionen Franken den Weltklasse-Mann Arda Turan weg. Für 20 Millionen Franken posten die Katalanen zudem Aleix Vidal vom FC Sevilla.
Wie das geht, wird hier detailliert erklärt.
Wie sich das für die FIFA anfühlt, wird hier detailliert erklärt:
Wir sind bekanntlich unterbezahlte Schreibtischtäter und haben technisch nicht viel mehr drauf, als den lieben langen Tag mit unseren schmierigen Wurstfingern auf der Tastatur herumzuhacken – trotzdem werden wir nie verstehen, wie ein perfekt gesunder Fussballgott wie Robin van Persie sich mit 31 Jahren im Goldrausch vom europäischen Spitzenfussball verabschieden und zu Fenerbahce wechseln kann.
Dieser Bub auch nicht.
& die ganze Geschichte rund um Casillas bricht mir das Herz. Er war nicht mehr der Beste, aber die treuste Seele die RM jemals hatte. They did him dirty. :'(
http://www.zeit.de/2011/35/CH-Soeldnertum