Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur durch Bartwuchs und Körperbau. Auch das Längenverhältnis zwischen Zeige- und Ringfinger ist in der Regel unterschiedlich: Bei Männern sind meistens die Ringfinger deutlich länger als die Zeigefinger; bei Frauen ist es eher anders herum. Das Verhältnis korreliert überdies mit allerhand interessanten Eigenschaften, denn es ist eine Folge der vorgeburtlichen Prägung durch Hormone, vor allem durch das männliche Geschlechtshormon Testosteron.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon 2011 entschlüsselten Forscher den Entwicklungsmechanismus für die Finger und entdeckten starke Korrelationen zwischen dem Längenverhältnis der Finger und Eigenschaften wie Fruchtbarkeit, Sportlichkeit, Verhaltenstyp oder sexuelle Orientierung.
Nun sind kanadische Forscher einer weiteren Korrelation auf die Spur gekommen: Männer, deren Ringfinger deutlich länger als der Zeigefinger ist, verhalten sich gegenüber Frauen netter und aufmerksamer. «Es ist faszinierend zu sehen, wie leichte Schwankungen der Hormone vor der Geburt tatsächlich das Verhalten im Erwachsenenalter beeinflussen», sagt Simon Young von der McGill University in Montreal.
Die Wissenschaftler massen bei den 155 Studienteilnehmern das sogenannte 2D:4D-Verhältnis («D» steht für englisch «digit», deutsch Finger). Dies ist die Länge des Zeigefingers geteilt durch die des Ringfingers; das heisst, je kleiner dieser Wert ist, umso ausgeprägter ist der Längenunterschied. Umso höher war damit auch der vorgeburtliche Testosteronwert.
Danach liessen die Forscher die Testpersonen 20 Tage lang genau Buch über ihre sozialen Begegnungen führen. Diese Begegnungen wurden danach gemäss dem dabei gezeigten Verhalten in zwei grobe Kategorien eingeteilt: «umgänglich» und «streitsuchend».
Männer, bei denen der Ringfinger deutlich länger als der Zeigefinger ist und die daher ein kleineres 2D:4D-Verhältnis aufweisen, zeigten rund einen Drittel mehr umgängliches und einen Drittel weniger streitsuchendes Verhalten als Männer mit einem höheren Wert. «Sie hörten Frauen gegenüber häufiger aufmerksam zu, lächelten oder lachten mehr, gingen häufiger Kompromisse ein und machten mehr Komplimente», erklärt Debbie Moskowitz, Erstautorin der Studie.
Die Männer waren nicht nur gegenüber ihren Partnerinnen aufmerksamer, sondern auch gegenüber anderen Frauen. Männern gegenüber verhielten sie sich dagegen konfliktfreudiger. Dies im Gegensatz zu den Männern, die einen geringeren Unterschied bei der Fingerlänge aufweisen: Diese Probanden verhielten sich gegenüber Männern und Frauen etwa gleich streitsuchend. Bei den weiblichen Testpersonen schliesslich trat überhaupt keine Korrelation zwischen Fingerlänge und Verhalten auf.
Die Männer mit einem kleineren 2D:4D-Verhältnis haben im Schnitt auch mehr Kinder, wie eine frühere Studie bereits nachgewiesen hat. Moskowitz vermutet einen Zusammenhang mit den Ergenissen ihrer eigenen Studie: «Unsere Arbeit deutet darauf hin, dass sie eine harmonischere Beziehung mit Frauen aufbauen. Das könnte erklären, warum sie mehr Kinder haben.» (dhr)