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Du willst nur das Beste? Voilà:
Lieber Ralf König, bitte, beseitigen Sie doch ein für alle Mal unsere kulturpessimistische Sicht auf Pornos. Pornos sind super,
weil ...
... man es sich dabei solo richtig gut gehen
lassen kann. Natürlich auch zu zweit oder dritt, aber die meisten gucken den
Stoff wohl allein. Man schaltet ab, es ist wie Kurzurlaub. Ich finde, Pornogenuss
ist eine eigene Kategorie der Befriedigung und nicht zwingend «Ersatz» für irgendwas.
Sie selbst stiessen als zarter Knabe auf die
Pornosammlung Ihres Vaters. Könnten Sie uns diesen beglückenden Moment etwas
näher bringen?
Beglückend war das zuerst nicht, eher verstörend,
dieser gigantische Penis in dem Mund. Ich war gerade elf und hatte so was nie
gesehen. Aber die Irritation war dann schnell perdü und ich fand’s strunzgeil.
Und die Technik?
Das waren dänische Super-8 Filmchen, und ich musste
lernen, mit dem Filmprojektor umzugehen. Als Leinwand diente die
Blümchentapete, es waren die 70er, aber dazu musste ich erst den gekreuzigten
Heiland abnehmen. Da war mir erst etwas mulmig. Aber es passierte nichts, kein
Blitz vom Himmel. Da hatte sich das mit Gott gleich miterledigt.
Söhne entdecken also die Pornofilme ihrer
Väter. Bei Ihnen zuhause und in Ihrer Graphic Novel «Pornstory» gleich mehrfach. Ist
das der Lauf einer ganz normalen Familiengeschichte?
Sofern Pornos im Haus sind, entdecken Kinder
die meistens auch. Und heute müssen die Kids nicht mal heimlich in verbotenen
Schränken wühlen. Ich finde, im Internet gibt’s viel zu viel zu leicht und umsonst, das Herzklopfen damals beim verbotenen
Öffnen des Schränkchens möchte ich nicht missen.
Stört Sie eigentlich die Anwesenheit von
Frauen in Pornos?
Nein, überhaupt nicht! Ich kenne Schwule, die
kriegen beim Anblick weiblicher Nacktheit gleich Pusteln. Vielleicht hat mich
das mit den Heteropornos damals geprägt, ich war ja immer schwul und fand schon
in den 70er-Jahre-Pornos die Männer geiler.
Was ist Ihr liebster Porno und warum?
Also. Da schlüpft dieser südländische,
schwarzbärtige Typ morgens ins Bett zu diesem noch schlafenden, strunzgeil
behaarten ... und der wiederum setzt sich später mit seinem verboten geilen
Arsch voll auf ... *hüstel*. Nächste Frage, ich erigiere.
Ein Buch des Kolumnisten Max Goldt heisst «Mein äusserst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz». Haben Sie
auch irgendeine libidinöse Verbindung zu uns?
Da war ein kleiner sexy Schweizer Motorradfahrer
namens Stoni, der mich öfter besuchte. Und einmal lief das «Kondom des Grauens» als Puppentheater in Zürich und war wochenlang ausverkauft. Ich erhielt eine Einladung zu einer dreitägigen wunderbaren
Berg- und Seentour mit einem Zürcher Comicfan. Diese strotzgesunden Kühe und
fetten Butterblumen gibt es ja wirklich!
Sie haben klare Grenzen, was das Verfallsdatum
von Pornodarstellern angeht, Sie schauen sich keinen über 45 an. Aber im
richtigen Leben sind Sie schon toleranter, oder?
Hab ich das mal gesagt? Naja, leider find ich Altwerden nicht sehr sexy, und 45 war das Alter, an dem ich bei mir selber
merkte, dass sich was verändert. Aber ich bin froh, dass ich den Grenzwert
relativ hoch ansetze, manchem ist ja 30 schon zu alt.
«Pornstory» erzählt die Geschichte der
Pornografie von Super 8 bis Xtube. Aber ausser den technischen Möglichkeiten scheint sich da nichts weiter zu entwickeln. Die Frauenfeindlichkeit bleibt. Wollten
Sie einen feministischen Comic zeichnen?
Nein, ich wollte sogar möglichst neutral
bleiben. Vielleicht konnte so eine Geschichte nur ich erzählen, als schwuler
Mann bin ich da ein bisschen dazwischen. Ich verstehe die Männer gut, die
Pornogucken geil finden, und Frauen, die das Frauenbild in Heteropornos
abstösst. Ich glaube, die Verschiedenheit der Geschlechter zeigt sich in kaum
etwas so klar wie in der Pornografie.
«Pornstory» ist nicht bloss ein Ralf König,
es ist auch ein Nicolas Mahler. Er hat mit seinen fast abstrakten Strichmännchen die Pornofilm-Sequenzen gezeichnet. Was war Ihre
Absicht?
Ich dachte, wenn ich die Pornosequenzen zeichne, wird das zu realistisch, trotz
Knollennasen. Davor scheue ich mich normalerweise nicht, aber speziell in
dieser Geschichte fand ich’s ungünstig, ich wollte,
dass der Porno eine Art Fremdkörper bleibt, der eigentlich nicht zum üblichen
heterosexuellen Alltag passt und dann umso mehr Verstörung hervorruft.
Und wie hat diese Zusammenarbeit ausgesehen?
Ich hab
Nicolas 80er-Jahre Videos zugeschickt mit bescheuerten Originaldialogen, die
man sich selbst gar nicht ausdenken kann! Das war seine Bedingung, der Text
musste echt sein. Und da hatte ich zum Beispiel «Nasenanal» anzubieten, einen realen Dialog-Klassiker reinster Blödheit.
Sie beschäftigen sich ja nicht nur mit Sex,
sondern auch mit Religion, sei das in «Prototyp» (die Schöpfungsgeschichte)
oder in «Dschinn Dschinn» (Islamismus). Was hat Ihnen im Lauf Ihrer Karriere
mehr Ärger eingebracht: Sex oder Religion?
Och, können wir nicht weiter über Pornos reden
statt über Gott? Ist viel erfreulicher.
Nein!
Gut: Zu Anfang meiner Karriere in
den 80ern, 90ern gab es noch kein Internet. Und wie entspannt das war! Keine
Kommentarleisten, kein dummes Meinungs-Gegeifer, kein Shitstorm. Es gab Mitte
der 90er mal diesen Versuch, meine Comics als pornografisch zu indizieren,
aber die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdung hat die Knollennasen zur Kunst
erklärt.
Und wann kam Gott?
Mit Religion sorgte ich erst 2007 in «Prototyp» für Aufregung, meine Schöpfungsgeschichte lief damals als
Fortsetzungs-Strip in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Da gab's viel Empörung und wütende
Abo-Kündigungen. Heute kann ich so dicke Pimmel zeichnen, dass die
Sprechblase platzt, das regt kaum noch jemanden auf. Das neue Tabu ist
Gott.
Haben Sie seit «Charlie Hebdo» das Gefühl,
Selbstzensur üben zu müssen? Hat sich Ihre Selbstwahrnehmung als Zeichner
verändert?
Ich war nach dem Massaker bei «Charlie Hebdo» erst erschrocken, dann angewidert und dann depressiv, weil ich im
Winter ohnehin nicht die stabilste Gemütslage habe. Mit dem Thema Religion war
ich aber zu dem Zeitpunkt schon durch, es fing an, mich zu langweilen. Ich war
zwar von Haus aus katholisch, aber nie gläubig, so wichtig war es mir auch
wieder nicht. Und nun kommt der Islam daher und fordert Respekt vor seinem Gott
ein.
Das klingt schon fast trotzig abgeklärt.
Ich bin verstört, wie alle anderen auch. Es werden derzeit viele
Cartoons nicht gezeichnet, Bücher nicht geschrieben und Filme nicht gedreht.
Sind Sie jetzt zahmer? Oder zorniger?
Weder noch, ich hab nur keine Lust, den
Propheten zu zeichnen, weil ich erstens nicht von irgendeinem bärtigen Idioten gekillt
werden will und zweitens ohnehin keine Lust habe, den Propheten zu zeichnen. Im
Gegensatz zum katholischen Gott, den sie mir als Kind reingedrückt haben, ist
mir der Islam fremd und gleichgültig. Und wegen dem Stress in der Welt
auch nicht sympathisch. Ohne eingebildete Götter ginge es den Menschen
besser.
Sie sind ein Facebook-Held. Und möchten dennoch gerne kotzen über die Bigotterie eines
Mediums, das Nacktheit verbietet, aber Rechtsradikalismus erlaubt. Gehen die
sozialen Medien gerade in eine ganz falsche Richtung?
Ich, ein Facebook-Held? Als Privatperson hätte
ich da sicher kein Profil. Aber man muss Lesungen und neue Bücher bekannt
machen, leider sind auch bei mir die fetten 90er vorbei. Ich misstraue dem
Internet und der ganzen Technik sehr! Die Welt wäre nicht nur ohne Gott besser
dran, sondern auch ohne Google, Amazon und Facebook. Wir sind jetzt schon am
Nasenring von Apple und drücken als politischen Akt nur noch auf die Like-Taste. Wie wird das erst für kommende Generationen sein, die das gar
nicht mehr in Frage stellen?
Verhält sich Facebook mit seiner Prüderie nicht auffallend wie eine Kirche?
Da kommt die bigotte, amerikanische
Verklemmtheit zu uns wie im Trojanischen Pferd.
Apropos verklemmt: Die AfD ist auch nicht gerade homofreundlich. Haben
Sie Angst vor dem, was da noch auf Deutschland zukommen könnte?
Ich bin seit etwa zehn Jahren knietief in der
Midlifecrisis, aber einen Vorteil hat das Ältersein doch: Ich bekomme davon hoffentlich
nicht mehr das meiste mit. Ich hatte eine coole Jugend in den 70ern und Sex
& Drugs & Rock'n'Roll in den 80ern und 90ern, und immer ging’s aufwärts mit der Toleranz in der Gesellschaft. Mal über die Grenzen
geguckt, leben wir auf einer Insel der Freiheit. Die Welt tickt aber
grösstenteils anders und dass Dummheit und Hass wieder im Übermass zu uns rüber
schwappen könnten, ist beklemmend.
Vielleicht würde ein lustiger Lesbencomic mit
Frauke Petry und Beatrix von Storch für etwas Entspannung sorgen?
Was mit Lesben möchte ich gern mal zeichnen,
aber selbst die schlechtest gelaunte Kampflesbe gibt mehr her als diese kalt
lächelnde Petry und die vorsintflutliche Storch.