05.09.2016, 11:5905.09.2016, 11:59
In den bayerischen Alpen treibt ein Gipfelkreuz-Hacker sein Unwesen. Bereits drei Stück hat er im Lauf dieses Sommers mit einer Axt irreparabel beschädigt. Bergsteigerlegende Reinhold Messner mag die Kreuze auch nicht, wie er in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» erläutert:
«Die Berge, die doch der ganzen Menschheit gehören, sollten nicht mit einer bestimmten Weltanschauung verknüpft oder besetzt werden.»
Reinhold Messner
Valzeralp GR

Bild: KEYSTONE
Hat Messner recht? Hierzu ein simples Experiment:
Croix des Chaux VD

Bild: KEYSTONE; montage: watson
«Die Berge selbst haben etwas Erhabenes – da braucht es kein Zeichen für etwas Übernatürliches.»
Reinhold Messner
Rigi SZ

Bild: KEYSTONE; montage: watson
Der Vergleich hinkt insofern, als dass Gebirgskreuze Teil der (wenn auch jüngeren) Schweizer Geschichte sind. Laut Messner begann die systematische «Möblierung» der Alpen vor 200 Jahren als Reaktion auf die Aufklärung:
«Als die gläubigen Tiroler gegen die Fremdherrschaft der Bayern und Franzosen kämpften, stellten sie die Kreuze als Protest gegen die Franzosen auf, die ja ihren Machtkampf gegen die katholische Kirche führten. Danach verselbständigte sich die Sache, und es setzte eine regelrechte Verspargelung der Alpen mit Kreuzen ein.»
Reinhold Messner
Aus Schweizer Sicht könnte man einwenden, es handle sich um ein nationales, kein religiöses Symbol. Exemplare wie dieses schliessen eine solche Deutung aber explizit aus:
Klein Matterhorn VS

«Es ist auffällig, dass die grossen monotheistischen Religionen einen starken Bezug zum Berg haben. Moses kommt vom Berg Sinai, nachdem er die zehn Gebote von Gott erhalten haben soll. Mohammed meditierte in einer Höhle am Berg Hira bei Mekka, wo er der Überlieferung zufolge seine erste Offenbarung bekam. Der Buddhismus hat seine Wurzeln in Nordindien, am Fusse des Himalayas. Die Gipfel galten auch davor schon lange als Sitz von Göttern (z. B. Olymp, Anm. d. Red.) und Dämonen.»
Reinhold Messner
In der Besetzung der Berge mit religiösen, politischen und sonstigen weltanschaulichen Symbolen sieht Messner letztlich einen finsteren Hintergrund: Machtdemonstrationen.
«Die Chinesen haben 1975 angeblich eine Mao-Büste auf den Mount Everest geschleppt. Ich konnte das nicht verifizieren, als ich 1978 auf dem Gipfel war. Falls das Ding tatsächlich dort oben ist, liegt es längst unter einer Schnee- und Eisschicht. Stalin liess angeblich seine Büste auf den 7495 Meter hohen Pik Kommunismus in Tadschikistan schaffen, den höchsten Gipfel der damaligen Sowjetunion. »
Reinhold Messner
Chadschi Dimitar (Bulgarien)

Sozialistisches Denkmal auf dem bulgarischen Berg Chadschi Dimitar (früher Busludscha).bild: Montecruz Foto «Diese Berg-Besetzerei hat nur einen einzigen Sinn: die vermeintliche Wichtigkeit EINER Person, EINER Nation, EINER Weltanschauung zu demonstrieren. Dabei geht es um Eroberung, um den Missbrauch von weithin sichtbaren Orten, um Aussagen, die Berge von Natur aus nicht haben.»
Reinhold Messner
Auch die Nazis liessen kaum eine Gelegenheit aus, ihr Hakenkreuz auf symbolträchtige Berggipfel zu pflanzen: 1933 auf der Zugspitze, 1938 auf dem Grossglockner, 1941 auf dem Olymp und 1942 auf dem Elbrus, dem höchsten Punkt des Kaukasus (siehe Propaganda-Video unten).
Und wenn die Gipfelkreuze heute einfach dazu dienen, den höchsten Punkt eines Bergs zu kennzeichnen?
«Viele Kreuze stehen ja nicht mal am höchsten Punkt, sondern dort, wo man sie vom Tal aus besonders gut sieht, also oft auf Vorgipfeln.»
Reinhold Messner

Reinhold Messner.Bild: EPA
Dem Vandalismus der Gipfelkreuz-Hacker kann der bald 72-Jährige trotzdem nichts abgewinnen.
«Natürlich sollten bestehende Gipfelkreuze schon aus historischen Gründen stehen bleiben. Und ich würde niemals jemanden verteidigen, der Kreuze umhackt, das ist ja fast ein terroristischer Akt.»
Reinhold Messner
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Bild: Shutterstock
Kim Jong Un besteigt den höchsten Berg Nordkoreas
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Kim Jong Un besteigt den höchsten Berg Nordkoreas
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quelle: x02538 / kcna
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