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Belinda Bencic im Interview: «Die Erwartungshaltung kommt von den Medien»

Belinda Bencic darf sich über eine starke Saison 2015 freuen.
Belinda Bencic darf sich über eine starke Saison 2015 freuen.
Bild: Andy Wong/AP/KEYSTONE
Interview

Belinda Bencic über ihren steilen Aufstieg: «Die Erwartungshaltung kommt von den Medien und denen, die sich als Experten fühlen»

Belinda Bencic blickt auf ihre starke Saison zurück und erklärt, wieso sie sich auf keinen Fall als Star fühlt, wie sie den Rummel um ihre Person erlebt und warum sie mit tiefen Erwartungen in die neue Saison geht.
17.11.2015, 11:36
rainer sommerhalder / Aargauer Zeitung
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Belinda Bencic arbeitet nach ihrem Fingerbruch von Anfang Oktober an der Schlaghand hart für das Comeback. Am Wochenende trainierte die 18-jährige Weltnummer 14 erstmals wieder mit dem Tennisschläger in der «richtigen» Hand. In den letzten Wochen absolvierte sie die Techniktrainings jeweils mit der linken Hand. Wenn alles gut läuft, gibt Bencic Anfang Dezember bei der International Premier Tennis League in Asien im Team von Novak Djokovic ihr Comeback.


Belinda Bencic, wie war es letzte Woche in den Ferien?
Belinda Bencic: Ich war fünf Tage auf den Malediven und vier Tage in Dubai. Ich habe mich gut erholt. Die Ferien haben mir gutgetan.

Belinda Bencic mit Freundin Kiki Mladenovic auf den Malediven.
quelle: Instagram

Ganz ohne Tennis?
Ich habe jeden Tag Kondition trainiert und auch täglich Tennis gespielt.

Wie einfach oder schwer fällt es Ihnen, wenn für eine gewisse Zeit nicht das nächste Match im Vordergrund steht?
Ja, es war schon etwas komisch. Ich bin ohne Wecker aufgestanden und hatte kein fixes Programm für den Tag. Das muss auch mal sein. Aber schon in Dubai war ich wieder im gleichen Hotel wie die Spielerinnen eines 75'000-Dollar-Turniers. Amra Sadikovic spielte dort, und so war ich beinahe täglich auf der Tribüne, um ihre Spiele zu schauen. Es ging also nicht ganz ohne Tennismatchs, wenn auch nicht die eigenen.

Sie sind das ganze Jahr unterwegs. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Hier in der Schweiz, bei meiner Familie. Dort, wo die wichtigsten Menschen in meinem Leben sind, ist für mich Heimat.

Wie fühlt sich diese Heimat an?
Gutes Essen von Mami, streiten mit meinem Bruder (lacht laut), mit der Familie auf dem Sofa einen schönen Film schauen, meine Grosseltern sehen. Ich habe auch noch Grosseltern in der Slowakei. Wenn ich sie besuche, fühle ich mich auch daheim.

Sie wurden vor acht Monaten 18 Jahre alt. Wie steht es eigentlich mit dem Führerschein?
Ich bin gut unterwegs. Gerade gestern hatte ich wieder eine Fahrstunde. Wenn alles optimal läuft, kann ich noch in diesem Jahr an die Prüfung.

Wie haben Sie die Terroranschläge in Paris erlebt?
Ich habe es in den Nachrichten gehört und danach gleich meiner Spielerkollegin Kristina Mladenovic, die in Paris wohnt, geschrieben und mit ihr darüber diskutiert. Es macht mich sehr traurig.

Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Das ist einfach nur krank!

Ein Anschlag war beim Fussballstadion. Macht Ihnen dies als Sportlerin Angst?
Es spielt keine Rolle, ob man Sportlerin ist oder nicht. Es ist für alle genau gleich traurig.

Sie reisen also nicht mit mulmigen Gefühlen im nächsten Frühling an die French Open nach Paris?
Nein, so etwas kann leider überall in der Welt passieren.

Kommen wir auf etwas Erfreuliches – Ihr Tennisjahr – zu sprechen: Kommentieren Sie es mit einem einzigen Wort.
Gelungen!

Und jetzt detaillierter.
Ich hatte eine Supersaison, obwohl das erste Halbjahr noch nicht so gut war wie die zweite Hälfte. Dort habe ich die Erwartungen sogar übertroffen. Ich fühlte mich sehr gut auf dem Platz.

Haben Sie auch Ihre eigenen Erwartungen übertroffen?
Ich selber steige ohne Erwartungen in die Turniere. Ich nehme es Spiel für Spiel. Und natürlich erwarte ich nicht, dass ich wie in Toronto reihenweise Spiele gegen solche Gegnerinnen gewinne.

Welches war der grösste Erfolg?
Zuerst einmal Eastbourne im Juni als erster Titel auf der WTA-Tour. Und dann natürlich Toronto, wo ich auf dem Weg zum Titel beinahe alle Topspielerinnen geschlagen habe.

In Eastbourne feierte Belinda Bencic ihren ersten WTA-Titel.
In Eastbourne feierte Belinda Bencic ihren ersten WTA-Titel.
Bild: Zuma Press

Und der Sieg gegen Serena Williams als Krönung?
Das ist sicher der grösste Sieg, den ich je hatte und wohl auch haben werde. Serena Williams ist ein unglaublicher Champion, und dass ich sie bezwingen konnte, ist auch jetzt noch immer schwer zu realisieren.

Vor einem Jahr sagten Sie in einem Interview, sie seien noch lange kein Star. Heute gehören Sie zu den allerbesten Tennisspielerinnen der Welt. Jetzt sind Sie doch ein Star?
Nein, ich fühle mich wirklich nicht so (lacht). Vielleicht bin ich ein wenig berühmter als vor einem Jahr, aber ich sehe mich nicht als speziellere Person als andere Menschen.

Wie erleben Sie den grösseren Rummel um Ihre Person?
Ich spüre das natürlich schon. Auch das Interesse der Medien an meiner Person ist grösser geworden. Ich probiere aber, das alles locker anzugehen. Ich werde auch künftig versuchen, auf dem Boden zu bleiben. Selbst wenn die Medien einen noch grösseren Hype um mich machen sollten.

Ist der Rummel angenehm oder unangenehm?
Keines von beidem. Wenn man gute Resultate liefert, gehört das zum Sport. Man gewöhnt sich daran.

Mit dem Erfolg steigen auch die Ansprüche. Wie gehen Sie mit dieser Erwartungshaltung um?
Die Erwartungshaltung kommt von den Medien und den Personen, die sich als Experten fühlen. Wir im Team sehen das realistischer. Es gibt auch viele Spielerinnen von ausserhalb der Top 20, die mich jederzeit schlagen können. Diese Saison hat bewiesen, dass von der erweiterten Spitze im Frauentennis jede jede schlagen kann. Man kann sich also auch als Spielerin der Top 20 nie sicher fühlen. Aber man darf es nicht als tragisch empfinden, wenn man gegen eine schlechter platzierte Spielerin verliert.

Keiner zu klein, ein Bencic-Fan zu sein.
Keiner zu klein, ein Bencic-Fan zu sein.
Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Wieso verlief der Start in die letzte Saison so harzig?
Ich denke nicht, dass es dramatisch war. Ich war beim Jahresauftakt in Australien erst 17 Jahre alt. Es ist in diesem Alter völlig normal, dass ich noch nicht die ganze Saison konstant durchspielen kann. Ich habe aber aus den Niederlagen gelernt und weiter gut trainiert. Der starke Start in die Grassaison in Eastbourne hat mir dann viel Schwung und Selbstvertrauen gegeben.

Waren Sie im Frühjahr nie beunruhigt?
Ich habe das Gefühl, am meisten beunruhigt waren die Medien. Es wurde etwas viel von Krise geschrieben. Wir als Team haben immer gewusst, dass ich Tennis spielen kann. Und ich habe auch im Frühjahr noch immer besser gespielt als die allermeisten Gleichaltrigen. Ich habe immer daran geglaubt, dass es wieder kommt.

Man konnte auch lesen, Sie hätten in Ihrer Saisonvorbereitung zu viel trainiert?
Die Vorbereitung ist da, um hart zu trainieren und bereit zu sein für die Saison. Ich trainiere allgemein viel, bin mir das gewohnt und es passt so für mich. Wenn es nicht passen würde, würde ich weniger trainieren.

Sie haben von allen Spielerinnen auf der WTA-Tour 2014 am zweitmeisten Turniere gespielt. Ein unglaubliches Pensum!
Ich habe im ersten Halbjahr häufig in der ersten oder zweiten Runde verloren. Ich spielte nicht so viele Matchs. Ich selber fand eher, es seien zu wenig Einsätze gewesen. In der zweiten Jahreshälfte begann ich die Spiele zu gewinnen und es hat sich summiert. Deshalb war das grosse Pensum letztlich ein Produkt der guten Resultate.

Belinda Bencic glaubt nicht, dasss sie zu viel trainiert hat.
Belinda Bencic glaubt nicht, dasss sie zu viel trainiert hat.
Bild: Ray Giublio/freshfocus
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Eine Szene aus Ihrem Tennisjahr bleibt mir in Erinnerung: Als Ihr Vater in Toronto auf den Court kam und ziemlich heftig auf Sie einredete. Diskutieren Sie in Ihrer Familie immer so emotional?
Ja (lacht lange). Ich würde behaupten, wir sind eine sehr emotionale Familie. Und vor allem auf dem Platz bin auch ich oft sehr aufgebracht und nervös. Mein Puls in dieser Szene war wohl bei 180. Und jener meines Vaters nicht viel tiefer (lacht).

Die Diskussion auf dem Platz führten Sie in Slowakisch. Bei welcher Gelegenheit sprechen Sie welche Sprache?
Daheim sprechen wir immer Slowakisch. Ich bin aus der Schweiz. Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen und ging hier zur Schule. Aber mein Vater stammt aus der Slowakei. Ich bin dankbar, dass ich neben Deutsch noch diese Extrasprache habe. So kann ich mich auf der Tour auch mit den Slowakinnen und Tschechinnen problemlos unterhalten. Das sehe ich als grossen Vorteil.

Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Drei. Deutsch, Slowakisch und Englisch. Französisch verstehe ich ein wenig. Ich habe mir vorgenommen, diese Sprache auch besser zu lernen.

Belinda Bencic mit Bruder Brian (3.v.r.), Vater Ivan (2.v.r.) und Mutter Daniela (4. v.r.)

Blicken wir in die Zukunft: Mit welchen Zielen steigen Sie im Januar in die nächste Saison?
Ich weiss, Sie können es nicht glauben, aber ich gehe mit bewusst tiefen Erwartungen in die Saison. So gelingt es mir, befreit aufzuspielen. In der ersten Saisonhälfte habe ich auch nicht viele Punkte zu verteidigen, also will ich möglichst locker an die Sache herangehen. Ich nehme weiterhin Spiel für Spiel und denke nicht zu weit nach vorne.

Aber die Top 10 sind in Griffweite?
Ja, sie sind in Griffweite. Aber sie sind auch für viele andere Spielerinnen in Griffweite. Es wird sicherlich ein Kampf um diese Positionen geben und die Karten werden für die jungen Spielerinnen neu gemischt.

Was ist das Wichtigste für Sie in der Saison 2016 – eher die Weltrangliste oder ein bestimmtes Turnier?
Das Wichtigste ist, dass ich es weiterhin geniesse und gute Turniere spiele. Und dass ich verletzungsfrei bleibe.

Welchen Stellenwert haben die Olympischen Spiele in Rio für Sie?
Zum ersten Mal bei Olympischen Spielen anzutreten, ist für jeden Sportler ein Traum. Ich freue mich sehr darauf. Es wird sicherlich etwas ganz anderes. Alle Spielerinnen, die das bereits erlebt haben, bestätigen das. Es ist eine ganz spezielle Atmosphäre.

So zeigt sich Belinda Bencic auf Instagram

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