Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Es soll ein Trend sein: Immer öfter würden 16- bis 18-Jährige Sex bei Prostituierten kaufen, berichtet der «Tages-Anzeiger». Falls dem so ist, wäre es eine Mode, die zurück in die Vergangenheit weist: Noch vor fünfzig Jahren verloren viele junge Männer ihre Unschuld in einem Bordell.
Seither hat sich jedoch die Gesellschaft stark gewandelt. Die Zeiten des Konkubinatsverbots – das in gewissen Kantonen auf dem Papier tatsächlich noch bis in die Neunzigerjahre überdauerte – sind endgültig vorbei. Rigide Regeln, die es den Jugendlichen verunmöglichen, sexuelle Kontakte zu haben, gibt es kaum mehr. Junge Männer müssen nicht mehr zu Prostituierten gehen, um sexuelle Erfahrungen zu machen.
Trotzdem gibt es noch hartnäckige Reste des einst viel weiter verbreiteten Inititationsrituals, mit dem männliche Jugendliche in die Sexualität eingeführt werden. Vor gut drei Jahren berichtete das österreichische Nachrichtenportal derstandard.at unter dem süffigen Titel «Nach der Firmung ins Bordell», es komme in der Steiermark immer wieder vor, dass Firmpaten den frisch Gefirmten einen Bordellbesuch schenkten. Da Bordellbesuche von Minderjährigen untersagt sind, wurden die Behörden aktiv. Sie erstatteten in nicht weniger als 162 Fällen Anzeige gegen Jugendliche, Erziehungsberechtigte und Wirte.
Die Prostitution wird nicht umsonst das «älteste Gewerbe» genannt, der Tausch von Gütern gegen Sex ist sogar schon bei den Bonobos, den nächsten Verwandten des Menschen, beobachtet worden. Käuflicher Sex als Initiationsritus, mit dem die Schwelle zum Erwachsensein überschritten wird, dürfte vermutlich auch sehr alt sein.
Im antiken Griechenland, zumindest in Athen, war es für junge Männer schwierig, sexuelle Beziehungen mit freien Bürgerinnen zu haben. Vor dem 30. Lebensjahr konnten die Männer in aller Regel nicht heiraten. Für sie war es daher gesellschaftlich akzeptabel, zu Prostituierten zu gehen. Erste sexuelle Erfahrungen machten junge Griechen allerdings oft als der jüngere Partner in einer homoerotischen Beziehung – die Knabenliebe war bei den Hellenen gesellschaftlich anerkannt, wenn sie in bestimmten Formen ausgelebt wurde.
Auch im alten Rom galt es für junge Männer als normal, Sex zu kaufen. Sogar die Ärmsten konnten sich dies leisten. Man darf annehmen, dass viele Männer ihr erstes Mal im Bett einer Prostituierten erlebten – oder eine Sklavin dazu zwangen.
Wenn adoleszente Männer aus gutem Hause Mitte des 18. Jahrhunderts in England ins Bordell gingen, um «ihre Hörner abzustossen», dann taten sie das nicht nur, weil sie von Gleichaltrigen dazu ermuntert worden waren. Oft hätten ihnen auch ihre Eltern den Bordellbesuch empfohlen, heisst es in einer Studie zum Männerbild in England.
Auch etwas später, im nicht gerade für seine sexuelle Freizügigkeit bekannten Viktorianischen Zeitalter, verloren die meisten Söhne der Mittelschichts-Familien ihre Jungfräulichkeit bei einer «Femme facile». Je strikter es jungen Frauen aus bürgerlichem Hause verboten war, vor der Ehe sexuelle Erfahrungen zu machen, desto mehr Zulauf konnten die Bordelle verzeichnen. Während heranwachsende Männer der unteren Klassen eher bei Mädchen aus ihrer Schicht zum Zuge kamen, waren ihre Geschlechtsgenossen aus der Mittelschicht beinahe dazu verdammt, ihre ersten sexuellen Erfahrungen im Bordell zu machen.
Dagegen konnte – oder vielmehr wollte – auch die Justiz nicht viel ausrichten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es den Bordellbetreibern in Frankreich gesetzlich verboten, Minderjährige oder Schulknaben als Kunden anzunehmen. In der Praxis fand jedoch auch dieses junge Klientel problemlos ihren Weg in die «Maisons de tolérance». Der französische Romancier Paul Bourget beschrieb es so: «Es ist in diesen Klostern der Lust, unter den beschützenden Augen der Polizei, dass fast alle jungen Jungfräulichkeiten geschlachtet werden.»
Ganz verschwunden sind diese «Rites de passage» auch heute noch nicht. Gerade in Milieus, wo eine traditionelle Männlichkeit hoch im Kurs steht, können Heranwachsende unversehens im Puff landen – beispielsweise im Berufsleben: Der Soziologe Udo Gerheim von der Universität Bremen berichtet in seinem Buch «Die Produktion des Freiers» von einem alljährlichen Betriebsausflug eines Handwerksbetriebs, bei dem die männliche Belegschaft eine Fachmesse in der Grossstadt besuchte. Danach habe das Ritual verlangt, dass die älteren Männer den neuen Lehrlingen einen sogenannten «Frei-Bums» im Bordell spendierten. Nicht alle der solchermassen Beglückten waren froh über dieses Geschenk: In einem Fall rief ein Lehrling hinter verschlossener Tür um Hilfe – sehr zum Amüsement der anderen Männer.