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«Geschwätziger Offizier» arbeitet nicht mehr für die Armee

«Geschwätziger Offizier» arbeitet nicht mehr für die Armee – in Bern ist man erleichtert

Ein hoher Armeemitarbeiter führte in einem vollen Zug vertrauliche Gespräche über die Einschätzung der Schweizer Armee zu Wladimir Putin und lästerte über Verteidigungsministerin Viola Amherd. Jetzt ist der Mann nicht mehr im Dienst. Die Hintergründe.
19.01.2023, 18:01
Christoph Bernet / ch media
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Wladimir Putin? Aus Sicht der Schweizer Armee «kein irrational handelnder Akteur». Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte) und Aussenminister Ignazio Cassis (FDP)? «Schwache Figuren», die sich in der Krise «in eine Schneekugel verkriechen würden» und nur auf die engsten Mitglieder ihres «Küchenkabinetts» hören.

Diese Äusserungen tätigte ein Mitarbeiter des Armeestabs im April 2022 während eines lautstark geführten Telefongesprächs im Zug. Andere Passagiere, im während der abendlichen Stosszeit voll besetzten Erstklasswagen von Bern nach Zürich, konnten jedes Wort mithören. So auch der Journalist, zu dem sich der Offizier in ein Viererabteil gesetzt hatte.

Menschen mit Schutzmasken im Zug der SBB zwischen Sargans und Z
Schlechter Ort für vertrauliche Gespräche: Ein Zugwagen der SBB.Bild: sda

Neben Putin, Amherd und Cassis sprach der Kadermitarbeiter des Armeestabs auch freimütig über eine Unterhaltung, die er mit dem Schweizer Verteidigungsattaché in Stockholm geführt hatte und über einen Bericht zuhanden der obersten sicherheitspolitischen Beraterin des Bundesrats, an dem er damals arbeitete. Einem Bekannten gab er am Telefon Tipps für das Einreichen einer Offerte zuhanden des neuen Direktors des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB).

Der Bericht von CH Media vom Mai 2022 über den Vorfall warf Wellen. Ein Sprecher der Armee erklärte damals: «Sollte das geschilderte Verhalten zutreffen, so lägen diverse Regelverstösse vor, die intolerabel sind.» Die Armee lud den Mitarbeiter umgehend zu einem Gespräch vor und kündigte an, nach der Auswertung dieser Befragung würden entweder eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet oder personalrechtliche Massnahmen ergriffen.

«No comment» zum Ergebnis der Befragung

Wie CH Media jetzt aus zuverlässiger Quelle erfahren hat, ist der betroffene Offizier seit kurzem nicht mehr im Dienst des Verteidigungsdepartements VBS. Der langjährige Kadermitarbeiter des Armeestabs ist per sofort freigestellt worden.

Auf Anfrage bestätigt Armeesprecher Mathias Volken diesen Sachverhalt. Offiziell hat man sich in Minne getrennt: «Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses geschieht im gegenseitigen Einvernehmen, weil der betreffende Mitarbeiter des Armeestabs eine neue berufliche Herausforderung annehmen wird», schreibt Volken. Der Abschied erfolge «unter Verdankung seiner langjährigen Dienste und mit den besten Wünschen für die berufliche Zukunft». Damit verbunden sei auch die Freistellung des Mitarbeiters per sofort vereinbart worden.

Weitere Fälle, in denen mitgehört wurde:

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Weitere Fälle, in denen mitgehört wurde
Zuhören erlaubt: Im Mai 2012 berichtete die Zeitung «Der Sonntag» (heute: «Schweiz am Wochenende») von einem Gespräch zwischen den damaligen Nationalräten Christoph Blocher (SVP, Bild) und Filippo Leutenegger (FDP) in einem voll besetzten Zug zur Stosszeit.
quelle: susann basler (2002)
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Keine Auskunft erteilt die Armee zur Frage, ob die im letzten Frühjahr durchgeführte Befragung zu einer Disziplinaruntersuchung oder einer personalrechtlichen Massnahme geführt hat. Sie liefert auf Rückfrage weder eine Bestätigung noch ein Dementi: «Weitere Auskünfte können wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine geben», heisst es.

Amherds Umfeld wollte ihn loswerden

Klar ist: Die Causa «geschwätziger Offizier» wurde im Laufe des zweiten Halbjahrs 2022 innerhalb des VBS zur Chefsache. Im Sommer hiess es auf mehrfache Anfrage von CH Media noch, die Auswertung der Befragung durch den Armeestab dauere an.

Im Oktober 2022 teilte ein Armeesprecher schliesslich mit, die Angelegenheit sei mittlerweile in die Hände des Generalsekretariats des VBS gelegt worden – also der Stabstelle von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Die Armee sei nicht mehr «verfahrensinvolviert». Zum Ergebnis der Auswertung erteilte dann allerdings auch Amherds Generalsekretariat keine inhaltlichen Auskünfte.

Bundesraetin Viola Amherd spricht in der Fragestunde, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 12. Dezember 2022, im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Viola AmherdBild: keystone

Aus Quellen innerhalb des VBS heisst es, man sei froh darüber, habe die Angelegenheit mit dem Weggang des betroffenen Kadermitarbeiters aus dem Weg geräumt werden können. Die ausgesprochen freundlichen Abschiedsworte der Armee täuschten nicht darüber hinweg, dass der Offizier unter Druck gestanden sei.

Das engste Umfeld der Verteidigungsministerin habe seinen Verbleib als unhaltbar betrachtet. Doch gleichzeitig habe sich der langjährige Kadermitarbeiter auf ein starkes Netzwerk unter den Berufsoffizieren stützen können, das Amherd und ihrem Umfeld gegenüber sehr kritisch eingestellt ist. Mit seinem Jobwechsel habe sich eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung ergeben. (aargauerzeitung.ch)

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bild: watson/keystone
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47 Kommentare
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Cosmopolitikus
19.01.2023 18:15registriert August 2018
Ich finde es schon unglaublich, welche Gesprächsinhalte in Zugabteilungen mitunter angehört werden können. Entweder sind diese Personen Wichtigtuer oder sie können eigenes Fehlverhalten nicht erkennen. Beides ist unpassend.
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Fatzenkutter
19.01.2023 20:31registriert Dezember 2021
Ich habe vor ca. 15 Jahren mal den Blackberry eines VBS-Kadermenschen auf der Strasse gefunden. Als ich die Kontakte durchgegangen bin habe ich ziemlich grosse Augen gekriegt und dann dafür gesorgt, dass das Teil zurück zu seinem Besitzer findet - vielleicht weil ich ein guter Mensch bin, vielleicht, weil ich das ungute Gefühl hatte, dass mir die Feds die Tür eintreten, wenn ich ihn behalte.
Zum Dank habe ich eine Schachtel Pralinen geschickt bekommen... OpSec kann beim VBS offenbar bis heute noch mit Schokolade aufgewogen werden.
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Massalia
19.01.2023 18:51registriert Juni 2021
"Doch gleichzeitig habe sich der langjährige Kadermitarbeiter auf ein starkes Netzwerk unter den Berufsoffizieren stützen können, das Amherd und ihrem Umfeld gegenüber sehr kritisch eingestellt ist"

Toll, dass sich so ein geschwätziger Stabsoffizier, der im vollbesetzten Zug Internas und vertrauliche Informationen ausplaudert, auch bei üblen Fehltritten auf sein Netzwek verlassen kann, das ihn deckt. Ebenfalls bedenklich, dass Stabsoffiziere ihrer politischen Führung gegenüber kritisch eingestellt sind. Da müsste in der Armeführung wohl mal gründlich aufgeräumt werden.
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