Am Montag sind in Genf und Sitten bis zu 34 Grad angesagt, in Basel, Bern und Zürich ebenfalls über 30 – in vielen Teilen der Schweiz geht die Hitzeschlacht weiter. Vor allem in den Städten ist die Belastung durch hohe Temperaturen besonders gross: Hier ist es bis zu zehn Grad heisser als im Umland. Und der Hitze lässt sich kaum entkommen.
«Gebäude und Strassen nehmen die Sonnenstrahlen auf, speichern die Energie und geben die Wärme wieder in die Umgebungsluft ab», sagt Daniel Hertel, Meteorologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Gerade modern anmutende Fassaden aus Beton, Glas oder Metall seien problematisch, da sie besonders viel Wärme speicherten.
Hinzu komme die Abwärme von Klimaanlagen und Autoabgasen. Doch es gibt eine einfache Möglichkeit, die teils lebensgefährliche Überhitzung der Städte zu lindern.
Hohe Temperaturen als Gesundheitsrisiko: Meist sind es Fotos von überfüllten Badeseen, die bei Hitzewellen die Runde machen. Die grosse Gefahr der hohen Temperaturen zeigt sich eher in der Statistik: Der Hitzesommer 2003 war das erste einzelne Wetterereignis, das der Klimakrise zugeschrieben wurde – und tötete 70'000 Menschen in Europa. In der Schweiz hat sich die Anzahl Todesfälle aufgrund der Hitze seit den 70er-Jahren fast verdreifacht.
Ein Grund dafür sind die immer häufigeren Hitzeperioden. Eine Studie der Universität Bern zeigt ausserdem: In den vergangenen drei Jahrzehnten hätte es ein Drittel aller Hitzetoten in Städten ohne den Klimawandel nicht gegeben.
Wer an einem heissen Tag einen Stadtpark betritt, merkt es meist sofort: Im Grünen ist es kühler. Egal ob gross oder klein, jede Pflanze hilft, die Umgebungstemperatur zu senken. Aus ihren Blättern verdunstet Feuchtigkeit, die Luft kühlt sich dadurch ab.
Immer mehr Menschen leben in Städten.Deswegen brauchen wir dort immer mehr Platz & zwar für Bäume.Wie beeinflussen Bäume die Temperatur von Städten? Die Blätter & Zweige von Bäumen & anderen Pflanzen leiten in den Sommermonaten nur 10-30 % der Sonnenenergie an untere Teile weiter pic.twitter.com/MDDBwX9JkI— Nurder Koch (@NurderK) June 17, 2022
Je mehr Grün, desto stärker ist dieser Effekt, der Höchsttemperaturen im Sommer bis zu 5 Grad senken kann. Um die Temperatur in der Stadt auch auf kleinem Raum und abseits grosser Freiflächen möglichst stark zu drücken, hilft allerdings vor allem Schatten.
«Es ist auch wichtig, Fassaden und Dächer zu begrünen. Aber einen wirklich grossen Unterschied machen höher wachsende Pflanzen wie grössere Büsche und Bäume», sagt Andrea Hartz im Gespräch mit t-online. Die Stadtplanerin hat beschäftigt sich damit, welche Rolle Stadtgrün bei der Anpassung an den Klimawandel spielt.
So kann beispielsweise die Oberflächentemperatur im Schatten eines Baumes zwischen 11 und 25 Grad kühler sein als eine benachbarte Platte in der prallen Sonne, wie amerikanische Wissenschaftler bereits Ende der 1990er Jahre festgestellt haben.
Dass die Lufttemperatur entsprechend unterschiedlich sein dürfte, liegt nah. Eine kürzlich erschienene Studie der ETH Zürich zeigt: In Mitteleuropa liegt der durchschnittliche Temperaturunterschied von Stadtflächen mit und solchen ohne Bäume bei 10 Grad.
Für Andrea Hartz ist klar, dass die Temperaturbelastung in den Städten in Zukunft noch steigen wird. Umso wichtiger sei es daher, nicht nur Erholungsräume wie Parks oder den eigenen Balkon so schattig wie möglich zu gestalten, sondern auch alle Bereiche, die für das Alltagsleben unverzichtbar sind.
«Überall dort, wo Menschen unterwegs sind, wo sie gehen oder mit dem Fahrrad fahren, wo sie auf den Bus warten oder an der Ampel stehen, muss die thermische Belastung reduziert werden», so Hartz. Ausgerechnet die Bäume, die ihre Umgebung besonders effektiv kühlen, sind allerdings auch die durstigsten.
So bieten beispielsweise Linde, Rosskastanie und Spitzahorn mit ihren dichten Baumkronen viel Schatten; aus ihren grossen Blättern verdunstet mehr kühlende Feuchtigkeit als bei Arten mit kleineren Blättern wie Eiche und Robinie. Um gesund zu bleiben, brauchen diese Bäume aber sehr viel Wasser. In Innenstädten, deren Böden grösstenteils versiegelt sind, ist das ein zunehmendes Problem.
«Wir haben durch den Klimawandel in unseren Breiten einerseits mehr Hitzewellen und häufigere Trockenphasen, andererseits öfters Starkregenereignisse», erklärt Stadtplanerin Hartz. «Das heisst, wir müssen in unseren Städten plötzlich auftretende Wassermassen kanalisiert abfliessen lassen und gleichzeitig gucken, dass wir dieses Wasser speichern, um damit in Dürrezeiten das Stadtgrün zu versorgen.»
Dazu gebe es bereits zahlreiche Forschungsvorhaben. Doch auch abseits des öffentlichen Raums sei der zunehmende Trockenstress eine Herausforderung.
Selbst wer im eigenen Garten nur Rasenfläche hat, müsse umdenken, so Hartz. «Der Wassermangel ist auch beim Gras problematisch: Trockener Rasen kann die Temperatur nicht mehr drücken, im Gegenteil! Die thermische Wirkung ist ähnlich wie die von Asphalt.»
Sie empfiehlt Gartenbesitzern daher, sich ebenfalls mehr Gedanken über Bepflanzung zu machen. «Das ist alles nicht einfach», sagt die Stadtplanerin, "aber ich denke, es lohnt sich. Und letztlich haben wir angesichts des Klimawandels auch gar keine Alternative.“
OK. 🙄