Schweiz
Gesellschaft & Politik

Politikverdrossenheit Adé! So viele Neuzugänge zählen die Jungparteien

epa07803939 Young people take part in a 'Fridays for Future' demonstration against climate change in Leipzig, Germany, 30 August 2019. Students across the world are taking part in a strike m ...
Hat der Klimastreik die Jugend politisiert? Wir haben bei den Jungparteien nachgefragt. Bild: EPA

Klimastreik sei Dank: Diese Jungpartei verzeichnet am meisten Neuzugänge

Rund ein Jahr nach den ersten Klimastreiks wollten wir von den Schweizer Jungparteien wissen: Wie hat sich die Klimadebatte auf die Mitgliederzahl ausgewirkt? Jubeln kann vor allem eine Partei.
30.09.2019, 10:1902.10.2019, 07:38
Helene Obrist
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Am 20. August 2018 setzte sich ein Mädchen, bewaffnet mit einem selbstbeschriebenen Plakat, vor den Schwedischen Reichstag. Greta Thunberg trat eine der grössten politischen Jugendbewegungen unserer Zeit an.

Mit den Klimastreiks kam die Hoffnung, dass die Jugend nun endlich die ihr nachgesagte Politikverdrossenheit überwindet. Hat sich diese Hoffnung bewahrheitet? watson hat bei den Schweizer Jungparteien nachgefragt und wollte wissen, wie sie das letzte Jahr erlebt haben und ob sie von der neu politisierten Jugend überrannt wurden.

Im Ringen um die Neuzugänge hat vor allem eine Partei die Nase ganz weit vorne. Doch wir beginnen die Rangliste von hinten:

Platz 7:

Bild

Die Junge BDP steckt, wie die Mutterpartei, noch in den Kinderschuhen. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Jungpartei den letzten Platz besetzt. Gemäss Parteipräsident Remo Zuberbühler ist die Mitgliederzahl seit letztem Jahr um 4 Prozent bzw. 12 Mitglieder gestiegen.

Trotz dem minimen Wachstum beobachtet die Junge BDP einen Wandel. «Wir erkennen definitiv ein grösseres politisches Interesse. Besonders die Interaktionen und Nachfragen auf Social Media sind gestiegen», so Zuberbühler. Die Klimastreiks haben gemäss dem Parteipräsidenten jedoch nicht dazu geführt, dass plötzlich mehr Jugendliche eine politische Ämterkarriere anstreben wollen. «Die Jungen gehen für ihr Anliegen lieber auf die Strasse. Wir würden uns mehr aktives Engagement in der klassischen Politik wünschen.»

Platz 6:

Bild
Bild
bild: watson

Bei den Jungfreisinnigen, die den sechsten Platz besetzen, klingt es verhaltener. Obwohl die Jungpartei seit August 2018 rund 586 neue Mitglieder verzeichnet, ist man skeptisch, ob die Klimastreiks tatsächlich zu einer Politisierung der Jugend führen.

Bei der Jungpartei habe vor allem die Abstimmung um die Altersvorhersorge2020 im September 2017 zu einem grossen Mitgliederzuwachs geführt. Die aktuelle Debatte über das Klima habe sicherlich einen Einfluss auf die Beteiligung an den nationalen Wahlen, so Maja Freiermuth, Generalsekretärin der Jungfreisinnigen. «Ob es aber langfristig einen Einfluss auf die Besetzung von politischen Ämtern hat, wage ich zu bezweifeln.» Es bräuche sehr viel Zeit und ein breites Interesse an verschiedensten Themen, um wirklich im politischen System mitarbeiten zu können, so Freiermuth weiter.

Platz 5:

Bild
Bild

Ebenfalls auf den fünften Rang gesetzt haben wir die CVP. Von Parteiseite heisst es, dass man in den letzen zwei Jahren einen ziemlichen Zuwachs an Mitgliedern verzeichne. Da die Partei aber sehr föderalistisch aufgebaut sei, könne man die genaue Anzahl Neuzugänger nicht genau beziffern.

Auffallend sei vor allem die Zunahme an eher jüngeren Mitgliedern: «Wir konnten mithilfe der Neuzugänge die Sektion Glarus gründen, bei welcher alle Mitglieder sehr jung sind», freut sich Sarah Bünter, Präsidentin der Jungen CVP.

Die Klimastreiks hätten sicherlich für ein regeres Interesse an der Politik gesorgt, so Bünter. «Nun liegt es an den Parteien, diese Jugendlichen in die politische Arbeit zu integrieren, damit sie auch ihre Visionen und Forderungen tatsächlich durchsetzen können.»

Platz 4:

Bild
Bild
bild: watson

Auch die Jungsozialisten freuen sich über neue Mitglieder. Mit 600 Neuzugängen im letzten Jahr besetzt die linke Jungpartei den dritten Rang. Laut Muriel Günther, Zentralsekretärin, ist die Jugend keineswegs apolitisch.

«Die Klimastreikbewegung ist Ausdruck davon, dass junge Menschen heutzutage nicht uninteressiert an politischen Themen sind, sondern, dass sie sich in Bewegungen wohler fühlen als in der institutionalisierten Parteienlandschaft», sagt Günther. Doch der Weg des herkömmlichen Ämtergangs sei bei den Jugendlichen trotz Klimastreik nicht beliebter geworden, meint Günther. «Vielleicht kommen manche noch mit der Zeit – aber politisch aktiv zu werden heisst heute vor allem laut auf der Strasse zu sein und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.»

Platz 3:

Bild
Bild
bild: watson

Auf Platz drei findet sich die Junge SVP. Laut Kommunikationschef Diego Baratti liegt der letztjährige Gesamtzuwachs in der Partei bei 850 neuen Mitgliedern. «Dieses Jahr sind wir ähnlich unterwegs», so Baratti.

Insbesondere in den letzten Monaten hätten sich vermehrt Jugendliche mit den Jahrgängen 2001 bis 2003 angemeldet. Von Politikverdrossenheit also keine Rede.

Laut Baratti seien aber nicht die Klimastreiks verantwortlich für den Anstieg. «Die Themen, die unserer Meinung nach die Jugendlichen noch stärker in Anspruch nehmen als die Klimadebatte sind die Einwanderung, das Rahmenabkommen und die Altersvorsorge.» Diese Themen, so Baratti, würden auch dafür sorgen, dass sich die Jugendlichen dazu entscheiden, sich aktiv in der Politik zu engagieren.

Anmerkung der Redaktion
In einer ersten Version dieses Artikels wurde die Junge SVP auf den fünften Platz gesetzt, da in einer ersten Anfrage keine konkreten Zahlen zu den Neuzugängen mitgeteilt wurden (lediglich zu den Registrierungen auf der Webseite). Nach Intervention der Jungpartei und einer genaueren Angabe der Neuzugänge seit letztem Jahr, wurde die Partei auf Platz 3 gesetzt.

Platz 2:

Bild
Bild
bild: watson

Knapp vor dem ersten Rang liegen die Jungen Grünen. Seit August 2018 traten der Partei rund 1'023 neue Mitglieder bei. Das ist ein Rekord, die Partei zählt aktuell insgesamt 3'500 Mitglieder. Co-Präsident Luzian Franzini spricht deshalb auch von einer «Welle der Politisierung», die durchs Land gehe.

«Seit Jahresbeginn verzeichnen wir 700 Neumitglieder. Es diskutieren mehr Menschen auf unseren Social-Media-Kanälen und auch die Anmeldungen für unseren Newsletter haben massiv zugenommen», so Franzini.

Für Franzini ist von Politikverdrossenheit weit und breit keine Spur. Er zeichnet ein rosiges Bild für die Zukunft: «Die jungen Menschen haben realisiert, dass die Verbesserung des persönlichen Lebensstils nicht ausreicht, um unseren Planeten zu retten. Es braucht einen grundlegenden Wandel und deshalb wollen sie sich auch politisch engagieren.»

Platz 1:

Bild
Bild

Absolute Spitzenreiter bei den Neuzugängen sind die Jungen Grünliberalen. Seit August 2018 sind die Mitglieder um 51 Prozent respektive 1'173 Neuzugänge gewachsen. Laut Co-Präsident Tobias Vögeli interessieren sich die Jungen «massiv mehr» für verschiedene politische Themen. «Wir merken das im täglichen Kontakt mit unseren Mitgliedern. Wir erhalten vermehrt sogar Anfragen für eine Mitgliedschaft über Instagram aufgrund von spezifischen Insta-Storys unsererseits», so Vögeli.

Trotz enormen Mitgliederzuwachs, sieht Vögeli kritisch in die Zukunft. Zwar hätten die Klimastreiks viele junge Menschen politisiert, «ob sie aber auch motiviert sind, ein kommunales Amt zu bekleiden, kann ich schwer beurteilen. Das zeigt sich meist erst nach ein paar Monaten in denen man aktiv im Politbetrieb ist.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Globaler Klimastreik treibt Hunderttausende auf die Strasse
1 / 11
Globaler Klimastreik treibt Hunderttausende auf die Strasse
Weltweit gehen am 20. September hunderttausende Klimastreikende auf die Strasse. Wie hier in Sydney fordern sie die Politiker auf, endlich Massnahmen gegen die Klimaerwärmung zu ergreifen.
quelle: ap / rick rycroft
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schüler streiken weltweit für das Klima
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
62 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Clife
30.09.2019 10:43registriert Juni 2018
Altersvorsorge als Hauptpunkt der SVP? Wann? Wie? Wo?
41845
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gipfeligeist
30.09.2019 11:00registriert Januar 2016
Wenn hier in den Kommentaren ein Jung-SVPler, oder jemand der ihr nahesteht zu finden ist:
Es würde mich persönlich sehr interessieren, warum der Klimawandel kein zentrales Anliegen ist?
42282
Melden
Zum Kommentar
avatar
Thennis
30.09.2019 11:02registriert April 2019
Sehr gut. das puscht unsere Politik. In meiner Jugend gabs nur den Krieg gegen den «Terrorismus».
15140
Melden
Zum Kommentar
62
Das waren (unsere) Highlights vom Bounce Cypher 2024

Der gestrige Abend beim SRF Bounce Cypher war hässig. Aber auch anderweitig emotional. Rund 100 Künstlerinnen und Künstler kamen zusammen und liessen ihren Gefühlen freien Lauf. Da waren aber auch Monsterpizzas unterwegs. Und viele Masken. Und viel Gediss, auch gegen watson, aber damit können wir umgehen. Während ungefähr sieben Stunden gab es jede Menge Highlights, die uns in Erinnerung bleiben werden. Darunter zum Beispiel die Auftritte von Cachita, Manilo und Pablo.

Zur Story