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Eishockey: Der HC Davos ist in der National League wieder gross geworden

Davos' Goalie Sandro Aeschlimann und Yannick Frehner jubeln nach dem Eishockey Spiel der National League zwischen dem HC Davos und dem EV Zug, am Dienstag, 16. November 2021, im Eisstadion in Dav ...
Plötzlich wieder ein gewohntes Bild – Davos darf einen Sieg bejubeln.Bild: keystone
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Vom Sorgenkind zum Leader – wie der HC Davos wieder zu einem Spitzenklub geworden ist

Wissen, wer man ist, was man kann und was man will – mit dieser denkbar einfachen und doch so schwierig umsetzbare Erfolgsformel ist der HC Davos wieder ein solides Spitzenteam geworden. Und es ist nicht ohne Reiz, dass mit Raëto Raffainer ein Bündner und ehemaliger HCD-Sportdirektor diese Formel in Bern, im Flachland unten, anzuwenden versucht.
17.11.2021, 18:57
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Die sieben mageren Jahre sind vorbei. Der Übergang von der gefühlt ewigen Ära Arno Del Curto in die neue Zeit ist in nur drei Jahren gelungen. Trainer Christian Wohlwend sitzt wieder fest im Sattel und der HC Davos ist wieder ein Spitzenteam geworden. Eine der erstaunlichsten Geschichten der nationalen Hockey-Zeitgeschichte.

Jedes Hockey-Unternehmen muss sich von Zeit zu Zeit erneuern. Den ewigen Erfolg gibt es in keiner Mannschaftssportart. Nicht im Fussball. Nicht im Hockey. Diese Erneuerung gelingt nur, wenn ein Sportunternehmen eine starke DNA hat. Wenn alle wissen, wer man ist, was man kann und was man will. Und sich durch die unvermeidbaren Erschütterungen und Erregungen, die nun mal jede Erneuerung mit sich bringt, nicht vom Kurs abbringen lässt und der Sport auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer im Zentrum steht.

Enttaeuschte Davoser Spieler mit dem Captain Andres Ambuehl, links nach dem 0:3 verlorenem Spiel und damit das Saisonaus fuer den HCD, im Finale vom Eishockey-Pre-Playoff Qualifikationsspiel der Natio ...
Auch der stolze HCD musste in den letzten Jahren schwierige Zeiten durchleben. Bild: keystone

Dafür erforderlich sind Verstand und ein gesundes Selbstvertrauen, das von der Konkurrenz auch als Arroganz empfunden wird, und starke Persönlichkeiten auf der höchsten Führungsebene.

Die zwei erfolgreichsten Klubs der letzten 20 Jahre durchlaufen diesen Erneuerungsprozess: der SC Bern (Meister 2004, 2010, 2013, 2016, 2017 und 2019) und der HC Davos (Meister 2002, 2005, 2007, 2009, 2011, 2015). Der HCD hat die Erneuerung geschafft. Der SCB noch nicht. Obwohl es erstaunliche Parallelen gibt. Bei beiden Klubs sind die 20 Jahre des Ruhmes durch starke Persönlichkeiten geprägt worden: durch Arno Del Curto in Davos und durch Marc Lüthi in Bern. Der HCD hat sich von Arno Del Curto emanzipiert. Der SCB noch nicht von Marc Lüthi.

Del Curto findet die richtigen Mittel

Nach seinem Amtsantritt im Sommer 1996 erfindet Arno Del Curto den HCD nicht neu. Er belebt lediglich die sportliche DNA der erfolgreichsten Hockey-Organisation unserer Geschichte, die schon in den 1920er-Jahren fast die gesamte Nationalmannschaft stellt und mit dem ersten EM-Titel 1926 unsere Hockeykultur, so wie wir sie kennen, begründet. 2021 ist der HCD hundert Jahre alt geworden. Er hat seine DNA nie verändert. Nur den Zeiten angepasst.

ARCHIVBILD ZUM RUECKTRITT VON DAVOS-TRAINER ARNO DEL CURTO --- HC Davos Cheftrainer Arno Del Curto waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League A zwischen den ZSC Lions und dem HC Da ...
Unter Arno Del Curto wurde Davos wieder zu einer Macht im Schweizer Eishockey. Bild: KEYSTONE

So wie Bibi Torriani, damals einer der besten Spieler ausserhalb Nordamerikas, die ersten Jahre des Ruhmes prägte, so tut dies jetzt der Engadiner Arno Del Curto in den nicht weniger spektakulären ersten zwei Jahrzehnten des 21. HCD-Jahrhunderts als Trainer. Indem er konsequent umsetzt, was der HCD schon immer war: jünger, dynamischer, schneller, spielerisch besser als die Gegner im Flachland. Gaudenz Domenig, der kluge und wenn nötig schlaue Präsident aus einer mächtigen Bündner Familie, lässt ihn gewähren und sorgt flankierend ab 2003 für die politische und wirtschaftliche Stabilität.

Neustart mit zwei Engadinern

Das Ende der «Ära Arno Del Curto» am 27. November 2018 erschüttert den HCD und löst heftige Turbulenzen aus. Aber der Klub kommt nicht vom Kurs ab. Gaudenz Domenig spannt dem Verband bereits im Frühjahr 2019 ein Duo aus, dem er zutraut, den HCD im Geiste von Bibi Torriani und Arno Del Curto zu erneuern. Zwei Engadiner. Raëto Raffainer wechselt als Sportdirektor vom Verband zum HCD und bringt U20-Nationalcoach Christian Wohlwend als Trainer mit. Sie kommen mit einer klaren Philosophie, die der HCD-DNA entspricht. Mit klugen Transfers wird die Mannschaft erneuert und der Trainer ist durchaus eine neue Version von Arno Del Curto. Wissen, wer man ist, was man kann und will: Nach dieser Erfolgsformel wird der HCD erneuert.

Davos' Cheftrainer Christian Wohlwend beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League zwischen dem HC Davos und dem EV Zug, am Mittwoch, 30. Dezember 2020, im Eisstadion in Davos. (KEYSTON ...
Christian Wohlwend, Nachfolger und neue Version von Arno Del Curto.Bild: keystone

Jünger, schneller, dynamischer und spielerisch besser als der Gegner. Die Rechnung geht inzwischen auf. Bereits in seiner ersten Saison verpasst Christian Wohlwend im Frühjahr 2020 Platz 1 in der Qualifikation nur um einen Sieg. Die Playoffs fallen aus.

Die Bewährungsprobe folgt im zweiten Jahr. Raeto Raffainer wechselt per 1. Februar 2021 nach Bern. Christian Wohlwend verliert seinen wichtigsten Verbündeten. Im Frühjahr 2021 durchläuft der HCD die heikelste Phase seiner neueren Geschichte: Christian Wohlwend scheitert in seinen ersten Playoffs (genauer: in den Pre-Playoffs) gegen den SC Bern kläglich. Die Gefahr, vom Kurs abzukommen, ist in diesen dramatischen Wochen so gross wie nie seit dem Ende der Ära Del Curto.

Die ersten Herausforderungen gemeistert

Aber der HCD kommt nicht vom Kurs ab. Anders als beim SC Bern steht in Davos auch in der schwierigen Phase der Erneuerung der Sport im Zentrum aller Anstrengungen. Sparübungen und PR-Gags auf Kosten des Sportes wie in Bern sind in Davos undenkbar. Was sich unter anderem auch in der Qualität des ausländischen Personals zeigt.

Trainer Christian Wohlwend bleibt, Präsident Gaudenz Domenig und sein Geschäftsführer Marc Gianola halten am Kurs fest. Mit Jan Alston finden sie einen Sportdirektor, der perfekt zum HCD passt. Kein Bündner zwar. Aber der eingebürgerte Kanadier kennt unser Hockey aus langjähriger Erfahrung als Spieler in Nordamerika, Italien, Deutschland und in der Schweiz (mit einer Saison in Davos) und als Sportchef in Lausanne. Mit 20 kommt er schon nach Europa. Ein Hockey-Weltenbürger. Diskret. Kein Selbstdarsteller. Einer, der auch zuhören kann. Ein Suchender nach Perfektion im Hockey.

Jan Alston, Sports Director of the Lausanne Hockey Club, speaks to the media, during a press conference of the Lausanne HC before the new season of the National League Swiss Championship, in Lausanne, ...
Mit Jan Alston hat der HCD einen optimalen Nachfolger für Raffainer gefunden. Bild: KEYSTONE

Die Korrektur gelingt. Letzte Saison hatte die Verteidigung nicht mehr funktioniert. Mit 3,47 Gegentreffern pro Spiel war der HCD defensiv nur noch die Nummer 10 der Liga. «Wir fügten ein paar Dinge hinzu. Das Wichtigste war ein neues Defensivkonzept.» So hat es Sportdirektor Jan Alston kürzlich auf den Punkt gebracht.

Das Engagement von Jörgen Jönsson als Assistent von Christian Wohlwend hat viel geholfen. Nun ist der HCD defensiv die Nummer 2 der Liga. Mit bloss noch 2,22 Gegentoren pro Spiel. Und so sicher im System, dass auch dann Partien gewonnen werden, wenn nicht das beste Hockey gelingt. Der HCD findet doch einen Weg zum Sieg. Weil die Spieler sich gegenseitig und dem System vertrauen. Der HCD ist im November 2021 Tabellenführer und stabil wie nie seit den besten Jahren unter Arno Del Curto.

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Nur selten im Vordergrund, aber nicht minder wichtig: Jörgen Jönsson.Bild: keystone

Der Wechsel auf der Torhüterposition – Gilles Senn für Robert Mayer – ist kein Problem. Gilles Senn ist zwar kein Titan (91,19 Prozent Fangquote). Aber Sandro Aeschlimann ist nun zum statistisch besten Goalie der Liga gereift (95,54 Prozent Fangquote). Er hat sich zur heimlichen, aber wahren Nummer 1 entwickelt.

Der eingewechselte Davoser Torhueter Sandro Aeschlimann musste sich erst in der Verlaengerung geschlagen geben, im ersten Eishockey-Pre-Playoff Qualifikationsspiel der National League zwischen dem HC  ...
Sandro Aeschlimann ist in dieser Saison bislang in einer bestechenden Form. Bild: keystone

Was dem HCD entgegenkommt: Arno Del Curto ist kein zorniger, alter HCD-Trainer. Er hat seinen Lebensmittelpunkt längst ins Flachland in die Nähe von Langenthal verlegt, äussert sich nicht zum Thema HCD und begnügt sich auf die überaus kurzweilige mediale Vermarktung seiner eigenen Legende. Ein Abgang mit Klasse. Er ist HCD-Geschichte im besten Sinne des Wortes geworden.

Ist der HCD wieder ein Meisterkandidat? Ja. Aber anders als in der «Belle Epoque» mit Arno Del Curto. Damals ist es gelungen, um den Leitwolf Reto von Arx mehrere der besten Spieler der Liga im Zenit ihrer Karriere und jahrelang zu halten. Das wird in Zukunft so nicht mehr möglich sein. Der HCD kann nicht mehr damit rechnen, über Jahre hinaus eine meisterliche Kerngruppe zu beschäftigen.

Künftig wird eine raschere Erneuerung notwendig sein. Für junge Spieler ist der HCD nicht mehr das Karriere-Endziel wie noch zu den Zeiten von Reto von Arx und Arno Del Curto. Eher wird die Zeit beim HCD zu einer aufregenden Etappe auf dem Weg zu viel Geld im Unterland. Nach dem Motto: «Wer nie beim HCD war, weiss nicht, wie viel Spass Hockey machen kann.» Das ist nur möglich, wenn der HCD der beste Ausbildungsklub der Liga wird. Er ist auf dem Weg dazu.

Raëto Raffainers neuer Weg

Inzwischen versucht Raëto Raffainer die Erneuerungs-Erfolgsformel Davos als Obersportchef in Bern umzusetzen. Aber anders als in Davos mit Präsident Gaudenz Domenig fehlt in Bern der bedingungslose Rückhalt und das Vertrauen einer Chefetage, die weiss, wer man ist, was man kann und was man will. SCB-Präsident Beat Brechbühl ist als Fürsprecher auf dem Platz Bern fast so angesehen wie Gaudenz Domenig in Zürich und ein grandioser «Filzmacher». Aber das Eishockey, das Wesen des Mannschaftssportes, die SCB-DNA und echte Führungsaufgaben im Pulverdampf der Öffentlichkeit dürften ihm so fremd sein wie die Staatsverfassung der Komoren.

ARCHIVBILD --- ZUR WAHL VON RAETO RAFFAINER IN DEN IIHF COUNCIL ALS VERTRETER VON SWISS ICE HOCKEY STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Raeto Raffainer, Neuer Chief Sport Officer des SC ...
In Bern hat Raëto Raffainer nicht mehr dieselben Aufgaben wie noch in Davos. Bild: keystone

Der SCB muss erst wieder lernen, wer er ist, was er kann und was er will. Und in Bern ist Raëto Raffainer nicht mehr «nur» auf einer romantischen Mission wie beim Verband und dann in Davos. Er ist inzwischen auch ein kluger, eloquenter Pragmatiker und Karrierist, der höhere und nicht bloss sportliche Ziele anstrebt. Politisch im Eishockey-Weltverband, wo er bereits ins Council (in die Regierung) aufgerückt ist, und beim SCB die Nachfolge von Marc Lüthi. Was er so natürlich niemals bestätigt und klaftertief von sich weist.

In Davos und Bern werden die aufregendsten Kapitel unserer neueren Hockeygeschichte geschrieben.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Max Dick
17.11.2021 22:39registriert Januar 2017
Irgendein Chronist, dessen Name mir gerade entfallen ist, pflegt stets zu sagen, dass die Weisheiten des Herbsts die Irrtümer des Frühlings sind.

Ich will den HCD nicht schlecht reden, aber zuerst muss wirklich etwas erreicht werden - und sei es nur ein Halbfinal - bevor hier gelobt werden kann.
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Tikkanen
17.11.2021 19:48registriert November 2014
…habe vorhin gerade das erste Kapitel der heute erschienenen Arno Biografie gelesen. Wolwo hin, Alston her, Arno del Curto ist und bleibt ewig der GOAT im hiesigen Hockey. Ach, wie vermisse ich die geilen Auftritte des Turbo HCD in Europas Hockeyhauptstadt! Der Tempel kochte, die Banden ächzten unter dem Checkgewitter und RvA wurde bei jeder Scheibenberührung ausgepfiffen. Tempi Passati, mag dem HCD seinen, noch der Arno-DNA und Raffas klugen Transfers geschuldeten, Höhenflug gönnen. Der Kübel dürfte sich aber kaum mehr ins Murmeliland verirren!

Item, Merci Arno für die geile Zeit👍🏻🐻
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Jumbo Joe
17.11.2021 22:39registriert Juni 2020
Erstaunlich wie der HCD sich nach der Ära von Arx und del Curto erholt/entwickelt hat. Da kann der SCB (mit ehem. HCD-Sportchef) nur davon träumen. Man darf gespannt sein, wohin der Weg für die Bündner führen wird.
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