Man kann über den neuen Premierminister sagen, was man will. Aber für gute Unterhaltung ist mit Boris Johnson gesorgt. Das zeigte sich bei seinem ersten Auftritt als Regierungschef im Unterhaus am Donnerstagmittag. Während Theresa May bei solchen Gelegenheiten ziemlich roboterhaft wirkte, liebt der scharfzüngige frühere Londoner Bürgermeister den politischen Nahkampf.
Mit Oppositionsführer Jeremy Corbyn lieferte sich Johnson einen Schlagabtausch, bei dem die Fetzen flogen und Speaker John Bercow erhitzte Gemüter mehrfach mit «Order, Order!»-Rufen zur Räson bringen musste. In der Sache aber bot der konservative Premier nichts Neues: Einmal mehr prophezeite er dem Vereinigten Königreich nach dem EU-Austritt eine glorreiche Zukunft.
SNP's Ian Blackford welcomes Boris Johnson to the Commons as 'the last Prime Minister of the United Kingdom' https://t.co/OTMfdz4Has pic.twitter.com/RYo16Piurv
— ITV News (@itvnews) July 25, 2019
In der eigenen Fraktion erntete er Applaus. Nicht so auf der anderen Seite des Raumes. Den Vogel schoss Ian Blackford ab, der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei (SNP). Er begrüsste Johnson als «letzten Premierminister des Vereinigten Königreichs». Eine Anspielung auf die neuen Abspaltungsgelüste in Schottland, das mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt hatte.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte in einem Brief an Johnson «Alternativen» zum Brexit gefordert und gleichzeitig erklärt, man treibe die Vorbereitungen für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum voran. Der Premierminister fragte im Unterhaus süffisant, ob die Schotten die Rechte an ihrer Fischerei wirklich weiterhin der EU übertragen wollten.
Im Wahlkampf für den Parteivorsitz hatte Boris Johnson betont, er werde eine Abstimmung über die schottische Unabhängigkeit nicht dulden. Sie würde ohnehin frühestens in der zweiten Hälfte 2020 stattfinden. Dennoch zeigt die erneute Gefahr einer Abtrennung des nördlichen Landesteils, welche Fallstricke auf den neuen Regierungschef auf dem Weg in die «glorreiche Zukunft» lauern.
Der 55-Jährige betonte im Parlament erneut, er wolle keinen vertragslosen Brexit, sei aber dazu bereit. Denn am 31. Oktober als Austrittsdatum will er nicht rütteln. Seine Forderung nach einer Überarbeitung des von Theresa May ausgehandelten Abkommens stiess in Brüssel jedoch auf taube Ohren. Der vorliegende Vertrag sei «der bestmögliche Deal», hiess es am Donnerstag.
Um seine Linie abzusichern, hat Boris Johnson die Regierung auf eine Weise umgebildet, die selbst ihm wohlgesinnte Medien als «Blutbad» bezeichneten. Elf bisherige Minister wurden gefeuert, sechs weitere nahmen von sich aus den Hut. Für den linksliberalen «Guardian» handelte es sich «um einen Staatsstreich der Brexit-Hardliner, getarnt als normaler politischer Vorgang».
Tatsächlich ist nichts geblieben vom liberalen, grün angehauchten Velofahrer, als der sich Johnson während seiner acht Jahre als Londoner Bürgermeister inszeniert hatte. Man kann seine Regierung als «Brexit-Kabinett» bezeichnen. Darin vertreten sind primär stramm rechte Austritts-Befürworter, die sich durch Loyalität zum neuen Chef auszeichnen.
Abtreten musste der bisherige Aussenminister Jeremy Hunt, der letzte Rivale von Boris Johnson im Kampf um den Tory-Vorsitz. Mit Handelsminister Liam Fox und Verteidigungsministerin Penny Mordaunt mussten auch zwei überzeugte «Brexiteers» gehen. Ihr Fehler war, dass sie Hunt unterstützt hatten. Der einflussreiche Schatzkanzler Philip Hammond trat von sich aus zurück.
Die grosse Personalrochade ist nicht ohne Risiko. Johnson habe sich «eine Menge neuer Feinde geschaffen», meinte das Revolverblatt «The Sun». Er habe wohl seine Lieblings-Filmszene nachgestellt, in der der von Al Pacino gespielte Mafiaboss Michael Corleone am Ende des Klassikers «Der Pate» in einer Parallelmontage seine Feinde umbringen lässt.
Schon bisher war der sprunghafte und prinzipienlose Boris Johnson in der konservativen Fraktion nicht sonderlich beliebt. Und er verfügt im Unterhaus nach wie vor über keine Mehrheit. Vielmehr muss er mit einem Parlament regieren, das einen No-Deal-Brexit überwiegend ablehnt. Weshalb in Westminster heftig über Neuwahlen in diesem Herbst spekuliert wird.
Aufhorchen lässt in diesem Zusammenhang eine weitere Personalie. Boris Johnson hat Dominic Cummings als Berater engagiert, den schillernden Strategen der Brexit-Kampagne von 2016, den Benedict Cumberbatch in einem TV-Dokudrama porträtiert hatte. Laut britischen Medien soll Cummings die EU-Gegner hinter Johnson vereinen und die Brexit-Partei von Nigel Farage ausmanövrieren, die bei der Europawahl triumphiert hatte.
Gegen die zersplitterten EU-Befürworter könne man so Wahlen gewinnen und eine genügend grosse Mehrheit für einen No-Deal-Brexit herausholen. Auch diese Strategie ist riskant. Laut einer neuen Umfrage beurteilen nur 31 Prozent der Briten Boris Johnson positiv. Doch er ist ein wesentlich besserer Wahlkämpfer als die introvertierte Theresa May.
Dies zeigte sich sowohl bei seinen beiden Wahlsiegen für den Job als Mayor of London wie auch bei der Brexit-Abstimmung. Das gewagte Spiel könnte für ihn durchaus aufgehen, unabhängig von allfälligen «Kollateralschäden» in Irland und Schottland. Vorerst geht der britische Politikbetrieb in die Sommerpause, doch danach könnte es in Westminster zu einem heissen Herbst kommen.
Man wusste ja dass BoJo eine Hardliner-Regierung bildet, seine Partei wusste dies sicherlich auch.
Das alles ist langsam nur noch eine traurige Farce.
Janu ist ja noch genug Zeit bis Ende Oktober.
Ev. wird BoJos nachfolger, sofern sich BoJo 4 Jahre halten kann, tatsächlich nur noch Premier von England and Nothern Ireland wenn nicht sogar nur noch England and Wales sein