Sage und schreibe 115 Millionen Steuergelder à fonds perdu (müssen nicht zurückbezahlt werden) für 44 Profi-Klubs und 89 Semi-Profiklubs. Dieser Geldregen geht über die beiden höchsten Spielklassen im Fussball und im Hockey plus die höchsten Ligen im Basketball, Volleyball, Handball und Unihockey nieder. Auf den ersten Blick ist das sehr viel Geld.
Aber auf den zweiten Blick ist es eben doch nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Oder wie es SCB-Manager Marc Lüthi sagt: «Die Probleme sind dadurch nicht gelöst. Aber es ist eine sehr, sehr grosse Hilfe.» Die Bundesgelder sorgen erst einmal dafür, dass die Klubs liquid bleiben. Das ist sehr viel wert. Die Verluste, die durch die Einschränkungen diese Saison eingefahren werden, können sie nicht decken.
Doch zuerst muss dieses 115-Mllionen-Packet durchs Parlament. Läuft alles optimal, stimmen der National- und der Ständerat zu, dann ist mit dem Abschluss der Wintersession am 18. Dezember 2020 der politische Prozess durchgestanden. Parallel dazu müssen die detaillierten Ausführungsbestimmungen ausgearbeitet werden. Schon fast eine administrative Herkulesaufgabe. Sie dürfte mindestens bis Mitte Januar dauern. Die ersten Auszahlungen an die Klubs können im besten Fall in der zweiten Januarhälfte 2021 erwartet werden.
Die 115 Millionen sind grundsätzlich als Ersatz für die ausbleibenden Zuschauereinnahmen («Geisterspiele») gedacht. Deshalb werden die Anteile vor allem auf der Basis der Zuschauerzahlen in den letzten Jahren und unter Berücksichtigung der Ticketpreise errechnet.
Der SC Bern mit dem höchsten Zuschauerschnitt ausserhalb Nordamerikas (im Schnitt seit mehr als 15 Jahren über 15 000) kann aus dem Steuergeld-Topf etwas mehr als fünf Millionen erwarten. SCB-Manager Marc Lüthi bestätigt: «Ja, das dürfte ungefähr stimmen.» Noch sind die Summen offiziell nicht errechnet. Doch lässt sich bereits mehr oder weniger abschätzen, mit wieviel Geld die einzelnen Klubs, konservativ geschätzt und ohne Gewähr, in etwa rechnen dürfen.
Mehr Geld als der SCB dürften aus dem Steuergeldtopf nur noch YB und der FC Basel (in der Berechnungsperiode mehr als 20 000 Fans im Schnitt) erhalten. Beide können mit ungefähr zehn Millionen rechnen.
Erfolgt die Auszahlung nach dem vorgesehenen Schlüssel, dann wird der HC Davos in einem gewissen Sinne betrogen. Denn wegen der Virus-Krise muss er den Spengler Cup 2020 absagen. Müsste dann der HCD nicht auch für die dadurch entgangenen Zuschauereinnahmen entschädigt werden?
68 048 Zuschauerinnen und Zuschauer kamen beim letzten Turnier ins Stadion und der Spengler Cup findet, wie die Meisterschaft, jede Saison statt und ist nicht ein einmaliges Ereignis. Die Entschädigung für den Spengler Cup müsste eigentlich rund zwei Millionen Franken betragen. HCD-Präsident Gaudenz Domenig sagt auf Anfrage: «Das ist tatsächlich eine Angelegenheit, mit der wir uns befassen müssen.»
Aber Steuergelder gibt es vom Bund nicht einfach so. Wenn der Staat gibt, will er mitreden. Die Auszahlungen werden – so sie denn erfolgen – an ein paar Bedingungen geknüpft. Die sinnvollste: die Klubs, die von diesem Geld nehmen (und nicht mehr zurückzahlen müssen) werden dazu verdonnert, in den nächsten fünf Jahren gleich viel Geld für ihre Nachwuchs- und Frauenabteilungen auszugeben wie in der Saison 2018/19.
Die staatliche Hilfe soll es ja ermöglichen, die gesellschaftlich relevanten Strukturen des Sportes – dazu gehören in erster Linie die Nachwuchsabteilungen – unbeschadet durch die Krise zu bringen. Dividenden (Gewinnausschüttungen) sind in dieser Zeit auch nicht gestattet. Aber die Hockey- und Fussballklubs machen in der Regel ja nicht einmal in guten Zeiten Gewinn.
Am meisten zu reden gibt die Kürzung der Saläre für die gleiche Zeitspanne. Die Löhne der Spieler oberhalb von 148'000 Franken sind auf diesen Höchstwert oder um mindestens 20 Prozent zu kürzen. Diese «Lohnsuppe» dürfte allerdings bei weitem nicht so heiss gegessen werden, wie sie nun gekocht wird. Aus dem einfachen Grund: diese populistische, wenig durchdachte Forderung ist widerrechtlich. Bei Auszahlung von öffentlichen Geldern dürfen nicht Bedingungen gestellt werden, die nur durch Vertragsbruch erfüllt werden können.
Spieler können freiwillig auf einen Teil ihres Lohnes verzichten. Viele tun das diese Saison schon. Aber den Spielern kann nicht gegen ihren Willen der Lohn in den nächsten fünf Jahren gekürzt werden. Wir leben in einem Rechtsstaat. Arbeitsverträge sind die vom Gesetz her bestgeschützten Verträge. Niemand kann einen Spieler dazu zwingen, auf einem ihm durch einen rechtsgültigen Vertrag zustehenden Lohn zu verzichten nur damit Bundesgelder fliessen. Liga-Direktor Denis Vaucher sagt denn auch: «Die Deckelung der Lohnsummen kommt unserem Bestrebungen nach einem Financial Fairplay entgegen. Bei der Umsetzung sehe ich eine mögliche Lösung in der Limitierung der Gesamtlohnsummen und nicht nur der individuellen Löhne.» Auch Gaudenz Domenig, das rechtliche Gewissen der Liga, hält Kürzungen von bestehenden Verträgen für sehr heikel.
Eine Kürzung der Gesamtlohnsumme ist in den nächsten fünf Jahren sehr wohl möglich. Aber nicht die Kürzung individueller Lohnsummen in den bereits bestehenden, rechtsgültigen Arbeitsverträgen. Die Gesamtlohnsumme kann durch die Ausgestaltung der neuen Verträge oder Transfers von Spielern herbeigeführt werden. Alles andere ist juristisch nicht machbar.
Nein, den Spieler nicht. Aber die Clubs: Es ist doch völlig legitim, die Auszahlung von Bundesgeldern an irgendwelche Bedingungen zu knüpfen - solange sie für alle Empfänger gleich sind. Die Clubs müssen das Geld ja nicht annehmen: Entweder die Spieler mit den hohen Löhnen machen mit, dafür überlebt ihr Arbeitgeber (länger). Oder sie machen nicht mit, dann ist Ihr Arbeitgeber sofort pleite und sie haben in gar keinen Lohn mehr.