Rückblende: In Frankfurt findet im November 1994 die ATP-Weltmeisterschaft statt. Es ist der Vorgänger des Masters: Die acht besten Spieler der Tennis-Weltrangliste bestreiten im letzten Turnier des Jahres das Saisonfinale.
Als Teilnehmer haben sich folgende Spieler qualifiziert: Pete Sampras, Andre Agassi, Boris Becker, Sergi Bruguera, Goran Ivanisevic, Michael Chang, Stefan Edberg sowie Alberto Berasategui. Pete Sampras gewinnt das Turnier mit einem Final-Sieg über Boris Becker.
Knapp zwanzig Jahre später, beim US Open 2014, steht der Deutsche als Trainer im Halbfinal. Becker coacht die aktuelle Weltnummer 1, den Serben Novak Djokovic. Und dort trifft er gleich auf drei altbekannte Gesichter von 1994.
Beckers Schützling «Nole» spielt im Halbfinale gegen Kei Nishikori. Der Japaner, der Stanislas Wawrinka in fünf Sätzen niederrang, wird seit Beginn dieses Jahres von Michael Chang gecoacht. Der Chinese, French Open Sieger von 1989, beschreibt die Vorteile der Tennis-Altmeister in der New York Times so: «Was ehemalige Champions im Gegensatz zu vielen anderen Trainer haben, ist Erfahrung auf den grossen Courts im Tennis. Wir waren dort und wir wissen, was es braucht – was funktioniert und was nicht.»
Es war den speziellen geographischen Umständen auf der Tour geschuldet, dass Nishikori und Chang zueinander fanden: «Es gibt einfach sehr wenige erfolgreiche Asiaten im Tennis bisher.»
Im anderen Halbfinale steht seit gestern Nacht auch Roger Federer. Dem Basler gelang es in extremis, die Partie gegen den Franzosen Gael Monfils zu kehren. Auf den Schweizer, dessen Lehrmeister der Schwede Stefan Edberg ist, wartet Marin Cilic. Er warf etwas überraschend den Tschechen Thomas Berdych aus dem Turnier – dieser kam übrigens in seiner Jugend in den Genuss von Lektionen von Ivan Lendl, der bis vor kurzem noch Andy Murray trainierte.
Der Kroate Cilic wiederum wird von seinem Landsmann Goran Ivanisevic trainiert. Und profitiert nun von den zahlreichen Erfahrungen von Ivanisevic.
Der Wimbledonsieger von 2001 ist erfreut über die spezielle Situation, dass alle vier ehemaligen Tenniscracks als Trainer im Halbfinale der US Open stehen: «Es ist verrückt und lustig, Michael, Stefan und Boris in den Halbfinals zu sehen», so Ivanisevic. «Wir hatten so viele grossartige Matches gegeneinander und nun sitzen wir hier, können nichts tun ausser klatschen und hoffen, dass unsere Jungs gut spielen und gewinnen». Der Kroate zieht gleich ein Fazit: «Nun wird also einer von uns einen Grand Slam als Trainer gewinnen. Wer? Es wird interessant werden.»
Die ehemalige Weltnummer 1 Jim Courier meint zu dem Thema: «Das sind die ersten Coaches, welche wirklich reich sind und nicht arbeiten müssen. Sie wählen ihren Beruf, weil sie es wollen, nicht weil sie es müssen, das ist ein interessanter Unterschied zu früher.»
Ivan Lendl kann dem aktuellen Trainer-Hype nichts abgewinnen: «Es gab schon zuvor berühmte Trainer.» Und zählt Tony Roche sowie Jimmy Connors auf. «Es ist nichts Neues». Doch auch der eingebürgerte Amerikaner sieht die Vorteile: «Da sind sicher Sachen, wo die ehemaligen Spieler helfen können. Sie können etwa dank ihrer Erfahrung die Jungs beruhigen.»
Doch Lendl beschwichtigt auch: «Schliesslich spielt immer noch der Spieler unten. In jeder Beziehung ist die Chemie wichtig. Der beste Trainer mit dem besten Spieler kann die falsche Person sein, stecke sie mit jemandem schlechteren zusammen und sie können einen grossartigen Job machen.» Und meint zum Schluss: «Wenn ein Typ mit 30 Grand Slam Titel kommt und die Chemie passt nicht, wird auch das nicht funktionieren.»