Die «Daily Mail» hat die «Sun» als dreckigste und konservativste Boulevardzeitung abgelöst. Gestern hat sie einmal mehr gezeigt, weshalb: «Zerstört die Saboteure (CRUSH THE SABOTEURS)», lautete die schrille Schlagzeile zur Ankündigung, May wolle im Juni vorgezogene Wahlen durchführen.
So widerlich die Sprache, so zutreffend der Inhalt. Theresa May will die Gunst der Stunde nutzen und zur «mächtigsten Premierministerin seit dem Zweiten Weltkrieg» werden, wie Janan Ganesh in der «Financial Times» kommentiert. Sie will dabei nicht nur die von Jeremy Corbyn mehr schlecht als recht geführte Labour-Partei zertrümmern, sondern auch die Liberalen, die schottischen Nationalisten, die Motzer in der eigenen Partei und die Lords im Oberhaus. Also alle, die es gewagt haben, Zweifel an Mays Vorgehen beim Brexit zu äussern.
Die Umstände dazu scheinen ideal zu sein. Umfragen zeigen, dass die Konservative Partei rund doppelt so viel Zustimmung bei den Wählerinnen und Wählern hat wie die oppositionelle Labour- Partei. May hofft deshalb, mit Neuwahlen ihre Mehrheit im Parlament von derzeit 17 Sitzen komfortabel ausbauen zu können. Der Labour-Partei droht eine vernichtende Niederlage. Die Liberalen sind nach wie vor wegen ihrer desaströsen Partnerschaft mit der Regierung Cameron geschwächt, und die rechtspopulistische Ukip ist intern so zerstritten, dass sie unbedeutend geworden ist.
Wäre also Theresa May nicht blöd, wenn sie die Gelegenheit nicht beim Schopf packen würde? Nicht ganz. Erstens bricht sie ihr Wort. Als sie das Amt der Premierministerin im vergangenen Sommer übernommen hatte, versprach sie hoch und heilig, dass es bis 2020 keine Neuwahlen geben werde. Dieser Wortbruch wird Folgen haben. Bisher galt May zwar als langweilig und pingelig, aber als Frau, die zu ihrem Wort steht. Über Nacht ist sie nun zur zynischen Machtpolitikerin geworden.
Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Tatsache, dass es keinen Grund für vorgezogene Neuwahlen gibt. «Es gibt keine Regierungskrise», schreibt «The Guardian». «Mrs May verliert keine Abstimmungen im Parlament. Das Oberhaus stellt sich ihr nicht in den Weg. Es ist kein Gesetz in Gefahr. Es gibt weder Krieg noch eine Wirtschaftskrise. Bis zum Brexit dauert es noch zwei Jahre. Die Presse schreit nicht nach Neuwahlen.»
Die vorgezogenen Wahlen sind ein zynischer Wahlpoker, der die Demokratie unnötig strapaziert. Wenn May damit argumentiert, dass es klare Verhältnisse brauche, weil das Parlament uneinig sei, dann erinnere das an «das Vorgehen von Präsident Erdogan in der Türkei», schimpft «The Guardian.»
Sollte das Parlament den vorgezogenen Wahlen zustimmen – derzeit sieht es so aus –, dann hofft Theresa May, bis ins Jahr 2022 an der Macht bleiben zu können. Sie hätte damit Zeit gewonnen für einen Brexit, von dem immer noch völlig unklar ist, wie er ausfallen wird. Verloren hat sie ihr Gesicht, und geschadet hat sie der Demokratie.