Es ist ja bekanntlich der erste Eindruck, der zählt. Und da hat Murat Yakin gleich vorgelegt. Statt wie Vorgänger Vladimir Petkovic im ganz edlen Zwirn erscheint der neue Nati-Trainer eher locker und leger: Cord-Sakko, T-Shirt, Sneakers. Der Mode-Stil deutet an, wie Yakin als Trainer sein will. Souverän und unkompliziert, sicher nicht unnahbar.
Bei der Nationalhymne folgt Yakin nach kurzem Nachfragen bei Co-Trainer Laurent Cavin der während der EM neu eingeführten Devise, dass Spieler und Staff beim Abspielen des «Schweizer Psalms» die Hand aufs Herz legen. Damit soll in Zukunft die lästige Hymnen-Diskussion verhindert werden. Für Yakin war es ein besonderer Moment: «Bei der Hymne hatte ich sehr spezielle Gefühle.»
Gleich in seinem ersten Länderspiel an der Seitenlinie der Schweizer Nati hat Yakin alle überrascht. Im Vorfeld hatte er angekündigt, auf eine Viererkette zu setzen. Doch gegen Griechenland liess der 46-jährige Basler wegen des Ausfalls von Granit Xhaka dann doch eine Dreierabwehr mit den Innenverteidigern Eray Cömert, Cedric Zesiger und Fabian Schär auflaufen.
Aus Mangel an Alternativen stellt Yakin zudem Steven Zuber als hängende Spitze in den Sturm – eine Massnahme, die voll aufging. Der Assist-König der EM erzielt das 1:0 und bereitete das 2:1 mustergültig vor. Auch das Experiment mit drei Sechsern in der zweiten Halbzeit, das Yakin im Hinblick auf das Italien-Spiel vom Sonntag wagte, glückte mehrheitlich.
Auf ein bestimmtes System will sich der Nati-Trainer auch in Zukunft nicht festlegen. «Diese Flexibilität, ist genau das, was mir Spass macht», erklärte Yakin nach dem Schlusspfiff beim SRF. «Und die Spieler haben es auch sehr gut umgesetzt.» Yakin will sich dabei auch ein wenig dem Gegner anpassen. «Natürlich muss man auch selbst agieren, aber gegen starke Gegner muss man auch etwas clever sein und die Räume schliessen und dann gibt es halt auch Verschiebungen im taktischen Bereich.»
Auch personell schreckte Yakin bei seinem Debüt nicht vor Experimenten zurück – wenn auch nicht ganz freiwillig. Nach den Ausfällen von Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Breel Embolo und Mario Gavranovic war der Nati-Trainer fast gezwungen, nach Alternativen zu suchen.
So kamen gleich vier Spieler zu ihrem Debüt im Nati-Dress: Im Tor durfte Gregor Kobel für einmal für Stammkeeper Yann Sommer ran, in der Dreierabwehr erhielt Cedric Zesiger, der zuletzt mit starken Leistungen bei YB in der CL-Quali aufgefallen war, die Chance sich zu zeigen.
Nach der Pause brachte Xakin zudem Ulisses Garcia auf der linken Aussenbahn und den Neo-Augsburger Andi Zeqiri im Sturm. Der junge Stürmer zeigte gute Ansätze und könnte in den nächsten Spielen als erster Backup für Haris Seferovic öfter zum Zug kommen.
Auch neben dem Platz musste sich Yakin bereits um den ersten Aufreger kümmern. Der positive Corona-Test von Granit Xhaka, der weder geimpft noch genesen war, sorgte für viel Gesprächsstoff und etwas Polemik. Yakin behandelte aber auch diese Thematik äusserst souverän und liess sich zu keinem Zeitpunkt aus der Ruhe bringen. «Granit ist als Captain ein Vorbild, aber auch er ist ein Mensch. Es ist sein Entscheid, er hat seine eigenen Rechte», erklärte er. Damit war das Thema vorerst erledigt.